System der Seniorenpflege in Tschechien muss besser koordiniert werden

In der tschechischen Hauptstadt finden gegenwärtig die Prager Gerontologie-Tage statt, bei denen sich Ärzte und Experten ausgiebig mit der Gewährleistung der gesundheitlichen und sozialen Pflege in karitativen Einrichtungen und den daraus resultierenden ökonomischen Aspekten befassen. Für Radio Prag hat sich Lothar Martin diesem Thema angenommen.

In Tschechien nimmt die Zahl der älter werdenden Menschen und damit auch zu einem guten Teil die Anzahl der Pflegebedürftigen fortwährend zu. Welche Konsequenzen sich daraus für die hiesige Gesellschaft ableiten, darüber sprachen wir mit der Vizevorsitzenden der Tschechischen Gerontologie- und Geriatrie-Gesellschaft, Iva Holmerová. Sie beschrieb uns die gegenwärtige Situation in Tschechien wie folgt: "Wir sprechen davon, dass bei der Gesamtzahl aller Verbraucher von gesundheitlicher und sozialer Pflege mindestens zwei Drittel der Menschen älter als 65 Jahre ist. Fünf Prozent der Pflegefälle sind Menschen, die einen ständigen Aufenthalt in einer sozialen oder einer Gesundheitseinrichtung benötigen. Wir sprechen hier von der so genannten institutionalisierten Pflege. Personen, die auf weitere Pflegeleistungen zurückgreifen, gibt es jedoch mehr. Wir quantifizieren sie, je nach Bereich, mit 15 bis 20 Prozent. Nichtsweniger denke ich, dass es sich um eine relativ ernsthafte Situation handelt, denn unsere Bevölkerung stellt eine schon ziemlich alte Population dar. Die Anzahl der Bürger, die älter als 65 Jahre ist, beläuft sich auf 14 Prozent, und damit erfüllt Tschechien bereits das Kriterium für eine so genannte alte Population. Deshalb müssen sich unsere Politiker notwendigerweise mit dieser Situation befassen."

Das hat die tschechische Regierung u.a. am Mittwoch dieser Woche getan, als sie das Nationale Programm zur Vorbereitung auf das Älterwerden für den Zeitraum 2003 bis 2007 verabschiedete. Laut Iva Holmerová ist dieses Dokument schon einmal ein guter Anfang - eine Deklaration, in der der Wille bekundet wird, dass sich die Gesellschaft ihren Senioren gegenüber entgegenkommender verhält. Gerade der nichtvorhandene angemessene Respekt den Senioren gegenüber ist ein Punkt, den Iva Holmerová bisher noch immer beklagt hat. Anderseits ist dieses Nationale Programm sehr allgemein gehalten und bedarf der Konkretisierung in den jeweiligen Bereichen. Was man dabei vor allem beachten sollte, dazu sagte Iva Holmerová: "Zu den wichtigsten Fakten, auf die man in unserer Republik aufmerksam machen sollte, gehört der, dass gerade die Sicherstellung der institutionalisierten Pflege außerordentlich schlecht koordiniert ist. Es fehlt besonders an der Abstimmung zwischen den Sozial- und den Gesundheitseinrichtungen. So kommt es vor, dass Menschen bei einer chronischen Erkrankung langfristig kostenlos in stationärer Behandlung sind, deren Familienangehörige aber zudem noch staatliche Pflegezuschüsse in Empfang nehmen. Das ist pure Geldverschwendung! Auf der anderen Seite gibt es Familien, die sich kümmern und die Pflege ihrer Angehörigen auf eigene Kosten in die Hand nehmen. Diese Diskrepanz muss beseitigt werden. Den Senioren helfen wir am meisten, wenn wir es ihnen mit unterstützenden Pflegeleistungen ermöglichen, sich so lang und aktiv als möglich, in ihrer gewohnten Umgebung aufzuhalten. Die Säulen des zukünftigen Pflegesystems müssen daher die Unterstützung der Pflege in den Familien, die Unterstützung der Selbständigkeit, die Unterstützung der Gesundheit und die möglichst ortsnahe Gewährung von Pflegediensten sein."