Tausende Tschechen unterzeichnen „Aufruf zur Verteidigung der Bücher“

Die Regierung hat beschlossen, den Mehrwertsteuersatz zu vereinheitlichen. In Praxis bedeutet das, dass die Mehrwertsteuer bei vielen Produkten von 10 auf 20 Prozent steigt. Mit den Mehreinnahmen sollen die Renten finanziert werden. Teuerer würden unter anderem der öffentliche Nahverkehr und Kulturveranstaltungen, aber auch Bücher. Und gerade dagegen wenden sich tschechische Verleger und Buchhändler mit einer Unterschriftensammlung. Kulturminister Jiří Besser hält den höheren Steuersatz ebenso für unglücklich und will seine Kabinettskollegen von einer Ausnahme für Bücher überzeugen.

Foto: Archiv ČRo 7
Der Monat März wird hierzulande traditionell als „Monat der Leser“ begangen. Doch gerade jetzt ist die Zukunft des tschechischen Buchmarktes unsicher wegen der geplanten Mehrwertsteuererhöhung. Immerhin haben schon fast 20.000 Tschechen einen Internet-Aufruf gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer für Bücher unterzeichnet. Aufgerufen zu der Unterschriftensammlung hat der Verband der Buchhändler und Verleger am vergangenen Donnerstag. Verbandsvorsitzender ist Vladimír Pistorius. Er nimmt an, dass die Steueranhebung nicht so sehr zu einer Preiserhöhung bei Büchern führen, sondern vor allem das Erscheinen mehrerer tausend Bücher verhindern würde:

Vladimír Pistorius  (Foto: Hynek Bulíř,  Tschechischer Rundfunk)
„Die Regelung wird natürlich Verleger und Buchhändler treffen, viele kleine Buchhandlungen gehen zugrunde. Es wird auch Autoren und Übersetzer treffen. Ich halte dies aber für das kleinere Übel, es werden immer noch manche Bücher erscheinen. Schlimmer ist, dass sich das Angebot reduziert, dass im tschechischen Kulturraum weniger Meinungen veröffentlicht werden. Und dies alles wird sich meiner Meinung nach auf die Zukunft auswirken.“

Vladimír Pistorius stützt seine Behauptung auf Erfahrungswerte. Vor drei Jahren wurde die Mehrwertsteuer auf Bücher bereits einmal erhöht:

„Wir können dies mit einer vergleichbaren Lage dokumentieren: Seitdem die Steuer vor drei Jahren von 5 Prozent auf zunächst 9 und später 10 Prozent stieg, ist die Produktion tschechischer Bücher um 1500 Titel jährlich gesunken.“

Der Ausgangswert lag damals bei 18.000 Titeln, die jährlich erschienen sind. Seitdem gab es vor allem einen Schwund bei Fach- und Lehrbüchern, meint Pistorius.

Die Buchhändler bezeichnen die geplante Steuererhebung als die drittgrößte Katastrophe für Bücher in der modernen tschechischen Geschichte. Die erste sei Verstaatlichung des Buchhandels nach dem Februar 1948 gewesen und die zweite die Einführung der Zensur und das Veröffentlichungsverbot für viele Autoren in den 70er Jahren. In ihrem Aufruf fordern sie, den freien Fluss der Informationen und den Austausch der Gedanken nicht zu verhindern. Vladimír Pistorius:

Foto: Archiv Radio Prag
„Ich bin natürlich der Meinung, dass neue Gedanken nicht versteuert werden sollen. Dies ist eine Idee, die vor 150 Jahren in Großbritannien entstanden ist. Damals wurde dort durchgesetzt, dass Bücher ebenso wie Zeitschriften und Zeitungen nicht versteuert werden. Ich bin überzeugt, dass der Zugang zu Kulturgütern und Gedanken für die Gesellschaft außerordentlich wichtig ist, und dass diese Idee wirklich gelten sollte.“

In den meisten Ländern Europas wird auf Bücher nur ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz erhoben, in Großbritannien, Irland und Norwegen werden Bücher sogar überhaupt nicht besteuert.