Teure Wahlversprechen der Sozialdemokraten

Herzlich willkommen bei einer weiteren Ausgabe unserer Magazinsendung mit Themen aus Wirtschaft und Wissenschaft, am Mikrofon begrüsst Sie Rudi Hermann. Die Sozialdemokraten machen derzeit teure Wahlversprechen. Der Sozialstaat soll ausgebaut, die Wirtschaft mit einem gigantischen Förderungsprogramm in Schwung gebracht werden. Das Ziel der Stossrichtung ist klar. In gut einem Jahr wird in Tschechien gewählt, und vor allem bei den Linkswählern haben die Sozialdemokraten mit den Kompromissen, die sie mit den Bürgerlichen eingehen mussten, um in Minderheit regieren zu können, einiges an Vertrauen eingebüsst. Der neue Parteivorsitzende Vladimir Spidla hat sich zwar, wie wir an dieser Stelle schon berichtet haben, für eine deutlichere Linkspolitik seiner Partei ausgesprochen. Doch diese muss auch realisierbar sein. Und dazu braucht es, neben der notwendigen politischen Unterstützung, vor allem Geld. Um dieses Thema dreht sich die heutige Sendung, zu der wir Ihnen guten Empfang wünschen.

Schon im letzten Wahlkampf wurden die Sozialdemokraten mit Vorliebe gefragt, wie sie ihre grosszügigen Versprechen zu finanzieren gedächten. Weil jede politische Partei mit Sinn für Taktik vor Wahlen natürlich die Möglichkeit von Steuererhöhungen weit von sich weist, lautete eine der Standardantworten der Sozialdemokraten, man müsse nur die vorhandenen Geldquellen besser erschliessen. Dazu gehöre eine Verbesserung der Steuereintreibung. In dieser Hinsicht ist es allerdings bei schönen Worten geblieben, denen keine Taten folgten. Denn in den letzten drei Jahren, in denen die Sozialdemokraten die Macht ausübten, ist es laut der Tageszeitung Lidove noviny nicht nur nicht zu einer Verbesserung gekommen, sondern das Volumen der eingeforderten, aber nicht eingetriebenen Steuern hat sich sogar leicht erhöht und die Grenze von 100 Milliarden Kronen überschritten. Und im Finanzministerium scheint man nicht der Ansicht zu sein, bei diesem Problem liesse sich noch kurzfristig eine Trendwende herbeiführen.

So erklärte der stellvertretende Finanzminster Eduard Janota unlängst, die Situation sei so prekär, dass man bei der Gestaltung des Haushaltsvorschlags für das nächste Jahr wohl um Ausgabenkürzungen nicht herumkommen werde. Wie der neue Finanzminister Jiri Rusnok aber in einem Rundfunkinterview erklärte, sei die Zahl von 100 Milliarden Kronen allerdings etwas zu relativieren. Denn dabei handle es sich nicht im vollen Umfang um ausstehende Steuerschulden. Diese machten vielmehr nur einen Teil davon aus; der Rest gehe auf das Konto von Verzugszinsen für ausgebliebene Zahlungen. Rusnok scheint der Variante von Ausgabenkürzungen denn auch nicht allzu wohl gesonnen - kein Wunder, denn vor Wahlen ist eine Regierungspartei lieber generös. Eine seiner ersten Personalentscheidungen deutet darauf hin, dass bei der Steuereintreibung nochmals ein Anlauf zur Verbesserung genommen werden soll. Der für diesen Bereich zuständige Vizeminister musste seinen Posten räumen, und die Regierung drohte den Steuerschuldnern mit einem kompromisslosen Durchgreifen. Die Zeitung Lidove noviny stellte dem Bemühen, jetzt noch eine Wende herbeizuführen, aber eine Aussage von Vizeminister Janota von vor zwei Jahren entgegen. Damals hatte Janota in einem Gespräch für die Zeitung gesagt, die Vorstellung, ohne grundsätzliche legislative Veränderungen eine Verbesserung der Steuereinkünfte in der Grössenordnung von mehreren Milliarden Kronen zu erzielen, sei unrealistisch. Für Änderungen in der Legislative, die noch zu spürbaren Verbesserungen führen sollten, ist die Zeit bis zu den Wahlen allerdings zu knapp geworden.


Ein weiteres Feld zusätzlicher Einkünfte, in das die Sozialdemokraten grosse Hoffnungen setzten, war die Privatisierung. Noch vor einem Jahr hatte Regierungschef Milos Zeman gesagt, die Regierung schätze die Erträge aus den anstehenden Privatisierungen auf 500 Milliarden Kronen. In der Tat sind einige grosse Brocken dabei: Die letzte der halbstaatlichen Grossbanken, die Komercni banka, ferner die Energiegesellschaften für Strom und Gas samt ihrem Distributionsnetz und die Restprivatisierung der Telekommunikationsgesellschaften Cesky Telecom und Ceske Radiokomunikace. Ob die erwähnten 500 Milliarden zusammenkommen und ob sie für die Sozialdemokraten vor den Wahlen noch in politisches Kapital umgesetzt werden können, ist allerdings mehr als fraglich. Zwei Momente schüren solche Zweifel. Einmal ist bei den Sozialdemokraten nach anfänglichen Erfolgen mit der Privatisierung, die sich in der schnellen Entstaatlichung der zwei Grossbanken CSOB und Ceska Sporitelna - Sparkasse niederschlugen - Sand ins Privatisierungsgetriebe gekommen. Daran trugen nicht zuletzt Konzeptstreitigkeiten zwischen dem eher liberal ausgerichteten früheren Finanzminister Pavel Mertlik und dem staatsinterventionistisches Gedankengut bevorzugenden Industrie- und Handelsminister Miroslav Gregr bei. Mertlik kritisierte die Tendenz zu wenig transparenten Privatisierungsmethoden und wies darauf hin, dass dies seiner Meinung nach im Widerspruch zum Regierungsprogramm der Sozialdemokraten stehe. Die Verzögerungen hatten namentlich im Telekombereich negative Auswirkungen.

Noch vor zwei Jahren waren ostmitteleuropäische Telefongesellschaften bevorzugte Investitionsziele westlicher Telekomunternehmen, und vieles deutete darauf hin, dass die schon bei Cesky Telecom eingestiegene niederländische KPN ihr Engagement ausweiten würde. Dann aber kamen die Versteigerungen von Mobilfunklizenzen der dritten Generation, sogenannten UMTS-Lizenzen, in Grossbritannien und Deutschland. Die enormen Beträge, die in diesen Auktionen bezahlt wurden, bluteten auch Telekomriesen aus, so dass das Interesse für weitere Investitionen deutlich nachliess. Die KPN beschloss den Ausstieg aus dem ostmitteleuropäischen Festnetzgeschäft, und die tschechische Regierung sah sich plötzlich mit der Aufgabe konfrontiert, zu einem Zeitpunkt nachlassender Nachfrage einen neuen strategischen Investor suchen zu müssen. Alles deutet darauf hin, dass unter diesen Bedingungen Cesky Telekom einen tieferen Preis als erhofft wird erzielen können. Und damit nicht genug. Inzwischen hat auch die UMTS-Euphorie wieder einer realistischeren Betrachtungsweise platz gemacht, so dass die erhofften 20 Milliarden Kronen aus dem Verkauf der tschechischen Lizenzen inzwischen als unrealistisch angesehen werden. Bei den Energieprivatisierungen wiederum könnten die Unsicherheiten um das Kernkraftwerk Temelin und die Entwicklung des liberalisierten Strommarktes auf den Preis drücken. Damit könnten die Privatisierungseinnahmen empfindlich unter dem Niveau liegen, mit dem die Regierung gerechnet hat.


Unter dem Strich - für das, was die Sozialdemokraten gerne planen würden, bessere Löhne für Lehrer und Ärzte etwa, oder höhere Renten- und Sozialunterstützungszahlungen, ist wohl zu wenig Geld da. Da gäbe es drei grundsätzliche Möglichkeiten, auf diese Situation zu reagieren: Mit Steuererhöhungen, mit Sparen oder mit Verschuldung. Steuererhöhungen sind aber zumindest in dieser Legislaturperiode nicht mehr durchzusetzen, weil die in Minderheit regierenden Sozialdemokraten im Parlament dazu nicht die notwendige Mehrheit zusammen bringen. Sparen ist vor Wahlen eine schlechte Variante und wird vom neuen Finanzminister Rusnok laut der Meinung von Medienkommentatoren auch gar nicht ernsthaft in Betrachtung gezogen. Bleibt die Verschuldung, die im kurzfristigen Horizont nicht negativ ins Gewicht fällt, weil sie erst der nächsten Generation auf die Kasse schlägt. Ein weiteres Ansteigen der tschechischen Schulden könnte allerdings, so warnen die Experten internationaler Finanzinstitutionen, die tschechische Wirtschaft mittelfristig aus dem eben erst mühsam wieder gefundenen Gleichgewicht werfen.

Autor: Rudi Hermann
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