Therapiezentrum „Paprsek“: 20 Jahre Betreuung von Kindern mit Behinderung

Foto: Archiv des Kinderzentrums „Paprsek“

Eine vielseitige Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung bietet das Prager Kinderzentrum „Paprsek“ (Sonnenstrahl). Was heutzutage selbstverständlich scheint, war vor der Wende in Tschechien kaum vorstellbar. Gegründet wurde das Kinderzentrum vor genau 20 Jahren. Aus diesem Anlass gab es vorige Woche eine kleine Feier.

Foto: Archiv des Kinderzentrums „Paprsek“
Die Märchenaufführung fesselte nicht nur die jüngsten Zuschauer im vollen Saal der Malostranská beseda, auch die Erwachsenen amüsierten sich gut. Im Publikum saßen Mitarbeiter und Förderer des Kinderzentrums „Paprsek“ sowie Eltern mit Kindern, die dort zur Therapie gehen. Nach der Theatervorstellung ergriff der Gründer und Leiter des Therapiezentrums, der Kinderpsychologe Jaroslav Šturma, das Wort. Er dankte allen, die vor 20 Jahren halfen, das Kinderzentrum in Prag ins Leben zu rufen.

„Da muss ich mit großer Dankbarkeit an den vor kurzem verstorbenen Professor Theodor Hellbrügge erinnern. Gleich nach der Wende hat er mehreren Sozialpädiatern und Kinderpsychologen, die sich um behinderte Kinder kümmerten, angeboten, in seinem berühmten Kinderzentrum in München zu hospitieren. Durch seine Unterstützung und von seiner Arbeit inspiriert, konnten wir auch in Prag eine damals völlig neue Institution gründen, die Kindern mit Behinderung eine wirklich komplexe Pflege bieten konnte. Vorher - unter dem kommunistischen Regime - wurden behinderte Personen bevorzugt in einer Anstalt untergebracht. Eine solche Einrichtung war damals die übliche Lösung. Mit den Erfahrungen aus dem Kinderzentrum in München wollten wir diese Praxis ändern. Die Rolle der Familie sollte bei der Fürsorge für ein behindertes Kind in den Mittelpunkt rücken. Das Kind muss dabei im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen und rund herum sind die Fachleute aus verschiedenen Bereichen und die Eltern als gleichwertige Partner versammelt. Notwendig ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Experten: Ärzten, Psychologen, Pädagogen sowie Physiotherapeuten. Allerdings steht die Familie immer im Vordergrund. Die Betreuung in der Familie ist die Grundlage, ergänzt wird sie durch die Möglichkeit, im Kinderzentrum bei Bedarf eine Tagesstätte zu nutzen.“

Jaroslav Šturma  (Foto: Martina Schneibergová)
Mit der Gründung des Kinderzentrums wollten Jaroslav Šturma und seine Mitarbeiter auch das zuvor offizielle Vorgehen bei Kindern oder Personen mit Behinderungen ändern. Denn vor allem Kinder mit Mehrfachbehinderungen wurden früher meistens in eine weit vom Wohnort der Eltern entfernte Anstalt abgeschoben. Jaroslav Šturma:

„Wir haben damals begonnen, uns auf Kinder mit Mehrfachbehinderungen zu konzentrieren. Denn vorher haben sich die Institutionen nur auf eine bestimmte Art der sensorischen oder mentalen Behinderung spezialisiert. Aber das ist eben am schwierigsten: die komplexe Förderung und Betreuung von Kindern mit Mehrfachbehinderung. Wichtig für uns war, dass die Unterstützung für Kinder und Eltern direkt in der Stadt angeboten wurde und dass die Kinder dabei jeden Tag in ihrer Familie übernachten konnten.“

Martin Dlouhý  (Foto: Martina Schneibergová)
Das Kinderzentrum „Paprsek“ hat seinen Hauptsitz im Prager Stadtteil Hloubětín. Inzwischen wurden aber auch in einigen weiteren Stadtteilen Tagesstätten für Kinder und Jugendliche mit Behinderung sowie einige Beratungsstellen eröffnet. Der Träger des Zentrums ist die Hauptstadt Prag. Martin Dlouhý ist im Stadtrat für Sozialdienste und Gesundheitswesen verantwortlich. Zu den Perspektiven von „Paprsek“ sagt er:

„Die Kinder werden erwachsen und es besteht der Bedarf, sich auch weiter um die Betroffenen zu kümmern. Dies ist momentan das Wichtigste für die weitere Entwicklung von ´Paprsek´.“

Die Stadt hat mittlerweile einige Gebäude um Tagesstätten für Personen mit Behinderung im Alter zwischen 18 und 35 Jahren erweitert. Zudem wurden beim Kinderzentrum die ersten betreuten Wohnungen eingerichtet.