Theresienstadt plant Uni-Campus

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Mit einer Universität wollen die Bürger des böhmischen Theresienstadt die Zukunft ihres Ortes sichern. Die ehemalige KZ-Stadt droht nämlich auszusterben, weil die meisten jungen Bewohner wegziehen. Für die Uni-Pläne fehlt noch das Geld. Hoffnung hatten sich die Bürger auf die Haushaltsverhandlungen des tschechischen Parlaments und der EU gemacht - bislang allerdings kam auch von dort noch kein positives Signal. Ihre Planung haben die Theresienstädter indes schon bis in die Details ausgefeilt. Kilian Kirchgeßner mit den Einzelheiten.

Geplant ist ein groß angelegter Tauschhandel: Die jungen Leute lernen etwas über die europäische Geschichte und schenken der Stadt im Gegenzug ein wenig von ihrer Energie und von ihrer Neugier. Der Mann, der sich das Projekt ausgedacht hat, heißt Radek Vrany. Er ist eine Art kommunaler Entwicklungsminister und residiert im Theresienstädter Rathaus gleich neben dem Bürgermeister:

"Unsere Stadt ist optimal geeignet für internationale Studiengänge, weil wir in der ganzen Welt einmalig sind. Es gibt weltweit nur eine einzige Stadt mit dieser Baugeschichte, mit Zeugnissen aus der Zeit Maria Theresias und auch aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs."

Tatsächlich mutet Theresienstadt ein wenig an wie ein großes Freilichtmuseum. 1780 wurde hier eine mächtige Festung aus dem Boden gestampft als österreichisch-ungarische Bastion gegen den befürchteten Angriff der Preußen. Innerhalb der Mauem lag ein Dorf mit nur 2500 Einwohnern und noch einmal so vielen Soldaten. Heute ist der Name Theresienstadt ein Synonym für die Gräuel der Nazis - eine Gedenkstätte erinnert an die KZ-Vergangenheit.

Nach dem Krieg kamen tschechische Soldaten in den Kasernen der Festungsstadt unter. Erst zum Ende der neunziger Jahre zogen sie ab - und hinterließen in der Stadt ein Vakuum. Heute ziehen die jungen Leute zum Arbeiten ins 60 Kilometer entfernte Prag, in Theresienstadt ist außer einer Kneipe, zwei Kiosken und einem Tante-Emma-Laden nicht mehr viel geblieben.

Das größte Kapital sind die Besucher: Etwa 220.000 kommen Jahr für Jahr in die Gedenkstätte. Die meisten von ihnen sind junge Leute - genau die Generation also, die im Ort so spürbar fehlt. Das brachte den kommunalen Entwicklungsminister Radek Vrany auf seine Idee: Die verlassenen Kasernen sollen saniert und in Studentenwohnheime umgebaut werden, die ehemaligen Mannschaftsräume zu Hörsaal, Bibliothek und Mensa. Die Prager Karlsuniversität hat schon Interesse bekundet, hier einen kleinen externen Campus einzurichten. Nur eine entscheidende Kleinigkeit fehlt noch - das Geld. Radek Vrany:

"Wir haben alles genau ausgerechnet. Der Umbau der Kasernen und die Sanierung der Festung kosten 260 Millionen Euro. Da ist dann alles drin bis hin zum Gehalt der letzten Putzfrau."

An dieser Viertelmilliarde Euro könnte der ehrgeizige Plan der Theresienstädter noch scheitern. Die Europäische Union hat zwar schon Hilfe signalisiert, allerdings unter einer Bedingung: Ein Viertel des Gesamtbetrags muss vom tschechischen Staat kommen. Die Regierung in Prag lässt sich mit der endgültigen Entscheidung allerdings noch Zeit - viel zu viel Zeit, sagt der Leiter der Gedenkstätte, Jan Munk, denn die Stadt muss dringend jünger werden:

"Ohne die Stadt kann auch die Gedenkstätte nicht existieren. Allein schon, weil wir technisch angebunden sind und außerdem einige unserer Ausstellungen direkt in der heutigen Stadt liegen. Natürlich berührt es uns deswegen, wie es mit der Stadt weitergeht - am wichtigsten ist erstmal, dass sie überhaupt überlebt."