Thomas Brussig las in Prag

Im Kulturspiegel wird Sie heute Markéta Maurová ins Prager Goethe-Institut begleiten. Am vergangen Montag wurde dort eine Lesung veranstaltet, bei der sich einer der erfolgreichsten gegenwärtigen Schriftsteller Deutschlands, Thomas Brussig, präsentierte. Nachdem sich die tschechischen Leser mit zwei Büchern von Brussig in tschechischer Übersetzung bekannt machen konnten, lernten sie nun auch den Autor persönlich kennen.

Wir haben als Bewohner zweier Nachbarstaaten, die vierzig Jahre lang in dem selben kommunistischen Regime gelebt haben, sehr ähnliche Erfahrungen und Erinnerungen, ähnliche absurde Erlebnisse, die uns verbinden. Mit diesem Eindruck konnten die Besucher die Lesung verlassen, die in der letzten Woche im Prager Goethe-Institut veranstaltet wurde. Vorgestellt wurde dabei einer der erfolgreichsten deutschen Schriftsteller der Gegenwart, der junge Berliner Autor Thomas Brussig. Als Autor ist er jedoch in Tschechien nicht unbekannt. Wie es mit dem Herausgeben von Brussigs Werken in Tschechien aussieht, fragte ich Jindrich Juzl vom Buchverlag Odeon, in dem dieser Tage das neueste Buch Brussigs erschien.

"Im letzen Jahr erschien sein sehr populärer Roman "Helden wie wir", der einen relativ guten und großen Widerhall bei uns gefunden hat. Das Buch erschien im Verlag Labyrint in Zusammenarbeit mit dem Buchklub. Der Herausgabe folgten ungewöhnlich viele Rezensionen und Kritiken, die das Buch lobten. Vielleicht sollte man auch erwähnen, dass das Interesse bei den Lesern nicht so hoch wie bei der Kritik war. Aber trotzdem wurde die ganze Auflage von "Helden wie wir" verkauft. Auch deshalb, weil uns der Autor nicht unbekannt war, haben wir uns im Verlag "Odeon" entschieden, sein nächstes Buch herauszugeben. "Am Kürzeren Ende der Sonnenallee" ist ein Werk, das aufgrund eines Drehbuchs von Brussig entstand."

Wie würde Jindrich Juzl die Novelle über die Sonnenallee charakterisieren, warum ist sie eine Übersetzung und Verlegung wert?

"Diese Arbeit ist in Bezug auf ihren Umfang kleiner, ihre Bedeutung ist aber groß. Es gibt Unterschiede zwischen den beiden Büchern: "Helden wie wir" ist ein Roman, in dem der Politik, der kommunistischen oder ostdeutschen Stasi große Bedeutung beigemessen wird. Und diese Dimension fehlt in der Novelle. Desto mehr wird aber ein sehr spezifischer, brussigscher Typ des Humors akzentuiert, den einige Kritiker mit dem tschechischen Schriftsteller Michael Viehweg vergleichen. Was ich in den beiden Bücher für das wichtigste halte, ist das, dass die Erfahrungen, die dort beschrieben werden, uns als Tschechen sehr nahe sind. Wir haben sehr ähnliche Erfahrungen mit der Zeit der 80er Jahre und es scheint mir, dass Thomas Brussig ein Autor ist, dem es besser als allen Schriftstellern bei uns gelungen ist, diese Zeit zu erfassen."

Das Leben in einem sozialistischen Staat mit allen seinen Absurditäten ist auch bei uns ein beliebter literarischer Stoff. Würde man jemanden unter den tschechischen Autoren finden, der mit Thomas Brussig zu vergleichen ist?

"Ich befürchte gerade - und damit will ich keinen tschechischen Autor angreifen - dass, es hier einige Autoren gibt, die dieses Thema wählten und es in ihren Büchern bearbeiten. Meiner Meinung nach haben sie sich damit aber nicht so gut wie Thomas Brussig auseinandergesetzt. Im Gegenteil, ich glaube, dass Thomas Brussig - und jetzt übertreibe ich natürlich ein bisschen - dass er die Berliner Mauer auch für die tschechischen Schriftsteller zerstört hat."

Soweit der Herausgeber Jindrich Juzl. Die tschechischen Leser kennen die beiden Prosawerke dank der Übersetzerin Jana Zoubkova. Wie war die Arbeit an der Übersetzung, wie würde sie die Sprache Brussigs charakterisieren?


Es wurde schon sehr viel über den Schriftsteller gesprochen. Lassen wir nun Thomas Brussig selbst reden. Was meint er, gibt es gemeinsame Erlebnisse, gemeinsame Erfahrungen, die man in den beiden Ländern in der Vergangenheit sammeln konnte?

"Ganz gewiss. Denn der Roman "Helden wie wir" beginnt damit, dass der Hauptheld zur Welt kommt. Und er kommt zur Welt, als die sowjetischen Panzer in die Tschechoslowakei einrollten. Also da ist seine Mutter, die macht Urlaub an einer Straße und die Panzer rollen da vorbei, und aus Schock, dass da Panzer rollen, kommt das Kind zur Welt. Also es ist eine ultimative, politische Geburt. Und auf der anderen Seite, in dem großen Roman von Jachym Topol "Die Schwester" gibt es ja auch ausführliche Schilderungen dieser Botschaftsbesetzung. Also da ergibt sich das einfach durch die Nachbarschaft zwischen Deutschland und Tschechien bzw. der DDR und der Tschechoslowakei, da gibt es natürlich Berührungspunkte und es ist dann auch immer interessant zu lesen, wie es die anderen wahrgenommen haben, also das, was eigentlich zur eigenen Geschichte gehört."

Obwohl der Schriftsteller beim Beantworten der gestellten Fragen eher scheu wirkte, zeigte er bei der Lesung, dass er nicht nur ein Schriftsteller, sondern auch ein Schauspieler ist, der seinen Text sehr lebendig und unterhaltsam interpretieren kann und das Publikum oft zum Lachen bringt.

Nach einer kurzen Pause bekam das Publikum die Gelegenheit, Brussigs Vortragskunst mit einer tschechischen Interpretation zu vergleichen. Das Prager Theater M.U.T zeigte seine kleine Vorstellung, einen etwa 20-minütigen Monolog des Haupthelden Klaus Uhltzscht aus dem Roman "Helden wie wir". Der Regisseur Thomas Zielinsky dazu:

Das was Thomas Zielinsky empfiehlt, sich beim Lesen ein eigenes Bild zu machen, liegt aber schon an jedem Einzelnen selbst.