Deutsche Geschichte im Prager Theater „Divadlo Komedie“

„Schwarze Jungfrauen“ (Foto: www.prakomdiv.cz)

Auf dem Spielplan des Prager Kammertheaters „Divadlo Komedie“ stehen in dieser Woche ausschließlich Stücke, die sich mit der deutschen Geschichte auseinandersetzen. Damit geht eine ganze Spielzeit zu Ende, die als deutsches Jahr im Rahmen des dreiteiligen Projekts „Mitteleuropa“ geplant war. In drei Jahren verarbeitet das Theater die Geschichte von Tschechien, Deutschland und Österreich.

Mittags sind die Sitzreihen im Divadlo Komedie noch leer. Die Schauspieler stehen auf der Bühne und proben für die Abendvorstellung. In dieser Woche spielt das Theaterensemble jeden Abend eine von sechs Inszenierungen, die während des deutschen Spieljahres entstanden sind. 2008 hat das Projekt Mitteleuropa mit der szenischen Aufarbeitung der tschechischen Geschichte begonnen. Ein Jahr später folgte die deutsche, erklärt der Direktor des Theaters, Dušan Pařízek:

„Wir haben versucht uns an allen wichtigen Phasen der Politik, Geschichte und gesellschaftlichen Entwicklung des 20. Jahrhunderts bis hin zur Gegenwart entlangzuarbeiten und dazu Stellung zu beziehen. Diese Woche, hier in unserem Theater, ist ein Festival, das dem Publikum das ganze neue Repertoire geballt vorstellt. So haben die Zuschauer die Möglichkeit, sich mit dem ganzen Komplex noch einmal auseinanderzusetzen.“

Inszeniert wurden Frank Wedekinds „Lulu“, Johannes Urzidils „Weissenstein“, Thomas Brussigs „Helden wie wir“ und Oliver Bukowskis „Gäste“. In „Goebbels/Baarová“ geht es unter anderem um die Affaire zwischen Joseph Goebbels und Lída Baarová, eine der bekanntesten tschechischen Schauspielerinnen der NS-Filmindustrie. Außerdem fließen in „Schwarze Jungfrauen“ aktuelle Strömungen mit ein: Das Stück thematisiert die Kluft zwischen der westlichen Kultur und dem Islam. Geschichtlich betrachtet, verarbeiten die Stücke den literarischen und künstlerischen Expressionismus Anfang des 20. Jahrhunderts, die Kriegszeiten, den Sozialismus und den Kapitalismus. Dazu Dušan Pařízek.

Martin Finger und Tereza Voříšková in „Lulu“  (Foto: www.prakomdiv.cz)
„Ich glaube, dass wir in dieser Spielzeit zwei grundsätzliche Positionen bezogen haben. David Jařabs Inszenierungen Weissenstein und Lulu setzen sich mit dem Individuum auseinander, das an einer Phase, einer Ära und einer Gesellschaft scheitert. Das ist der existenziellere Teil des neuen Repertoires. Auf der anderen Seite haben wir einen politisch und gesellschaftlich sehr engagierten, kritischen Teil. Inszenierungen wie Helden wie wir und Goebbels/Baarová gehen sehr bewusst mit geschichtlichem Erbe um, mit dem man sich auseinandersetzen muss, wenn man Europäer ist.“

Nach der deutschen folgt als nächstes die österreichische Spielzeit. Pařízek ist stolz auf den Ablauf des Projekts „Mitteleuropa“ und die Inszenierungen, die bisher entstanden sind.

Jiří Štrébl im Theaterspiel „Helden wie wir“  (Foto: www.prakomdiv.cz)
„Ich bin sehr zufrieden, dass diese schwere Aufgabe von unserem Ensemble auf so hohem Niveau bewältigt wurde. Außerdem freue ich mich, dass wir uns dieses kleine Festival zum wiederholten Male leisten können. Das ist ein Geschenk. Das wäre ein Geschenk für jeden Theaterleiter“, so Pařízek.

Die österreichische Saison beginnt im September und läuft bis zum Sommer nächsten Jahres. Mit dem letzten Teil von „Mitteleuropa“ endet dann 2011 das szenische Projekt im Divadlo Komedie.

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