Renommierte Bühnen des deutschsprachigen Theaterraums bringen neueste Produktion nach Prag

brecht_secuan.jpg

William Shakespeare, Otto Taussig, Thomas Bernhard, Werner Schwab, Arthur Schnitzler, Botho Strauss - das sind nur einige klangvolle Autorennamen, deren Werke, gegspielt von renommierten Theaterensembles aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, auf dem Programm des diesjährigen Theaterfestivals deutscher Sprache in Prag stehen. Am 2. November wird sein 11. Jahrgang eröffnet. Jitka Mladkova hat sich das bevorstehende Kulturereignis zum Anlass genommen, um zwei Theaterschaffende anzusprechen. Was sie von ihnen wissen wollte, erfahren Sie in der nun folgenden neuen Ausgabe der Sendereihe Panorama CZ.

Ein Jahr ist um und der tschechischen Hauptstadt steht wieder ein besonderes Ereignis ins Haus: Ein Festival deutschsprachiger Spitzentheaterkunst. Welche Resonanz es diesmal finden wird, bleibt abzuwarten. Doch schon jetzt kann man beinahe mit Sicherheit behaupten, dass die Leistungsschau bekannter Bühnen des deutschsprachigen Theaterraums viele von denen, die dieses oder jenes Stück gesehen haben, zum Nachdenken bewegen wird. Doch nicht nur über die Inhalte allein. Sicherlich wird es auch diesmal nicht an Impulsen fehlen, deutsches Theater mit tschechischem zu vergleichen.

Ist übrigens nicht das, was auf tschechischen Theaterbühnen oft gespielt wird und wie das gespielt wird, zu konventionell und konservativ? Das waren meinerseits bewusst etwas provokative Fragen an Ondrej Cerny, einen der drei Dramaturgen des Theaterfestivals. Er widersprach, zumindest teilweise:

"Die tschechische Theaterszene sieht doch heute anders aus als vor zehn Jahren. Man kann an konkreten Theaterensembles und Inszenierungen dokumentieren, wie auch unser Festival tschechische Theaterschaffende im positiven Sinne beeinflusst hat. Zum Beispiel im Prager Theater "Komedie". Auf verschiedenen tschechischen Theaterbühnen werden ziemlich oft Stücke gespielt, die gerade im Rahmen des Prager Theaterfestivals zum ersten Mal hierzulande präsentiert wurden. Es geht aber natürlich nicht nur um die Stücke allein, sondern auch um den Mut, sie zu spielen. Das tschechische Theater ist immer noch zu brav. Für das deutschsprachige Theater gilt das nicht. Man darf aber nicht vergessen, dass wir nur etwa fünf Prozent der gesamten deutschsprachigen Theaterproduktion sehen. Der Rest ist eher konventionelles Theater."

Auf dem Festivalprogramm stehen nur außergewöhnliche dramatische Werke, betont Cerny und räumt ein, dass dies bei manchem Tschechen den Eindruck erwecken mag, dies sei das typische Bild des gesamten deutschsprachigen Theaterraums. Nun, sind aber tschechische Theater vielleicht deshalb so "brav", weil das tschechische Publikum so konservativ ist?

"Natürlich ist es so, aber man kann nicht sagen, das Publikum ist das Problem. Sowohl deutsche und als auch tschechische Theatermacher haben die Erfahrung gemacht, dass man das Publikum erziehen kann. Ein sehr gutes Beispiel ist bei uns das Theater in Hradec Kralove (Königgrätz).Noch vor zehn Jahren war es ein durchschnittliches regionales Theater. Nachdem dann starke Persönlichkeiten ins Theater kamen, u.a. der Regisseur Vladimir Moravek, oder der Intendant, der kontinuierlich offen für Experimente ist, kann man jetzt sehen, dass auch das Publikum, das im Prinzip bürgerlich ist, dem wirklich schlagfertigen Theater wie auch seiner experimentellen Darbietung offen gegenüber steht."

Ondrej Cerny glaubt, dass das Theaterpublikum in Tschechien im Prinzip schon erzogen ist. Auf der anderen Seite stimmt er der Behauptung zu, dass es tschechischen Theaterschaffenden in hohem Maße an Kontakten mit der internationalen Theaterwelt mangelt:

"Das ist natürlich ein Manko des tschechischen Theaterraumes. Hinzu kommt noch die tschechische Mentalität. Vergleicht man gute tschechische und deutsche Regisseure, dann kommt zum Vorschein, dass die Tschechen nicht so selbstbewusst sind. Es sind Menschen, jetzt sage ich es ein bisschen überspitzt, die große Kommunikationsprobleme haben und zumeist nur Tschechisch sprechen können. Und das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum tschechische Regisseure wenig im Ausland engagiert werden. Man muss doch imstande sein, sich und seine Arbeit zu verkaufen. Eigentlich bin ich überzeugt, dass die fünf, sechs besten tschechischen Regisseure im Ausland konkurrenzfähig wären. Sie sind es aber nicht, weil sie nicht die gefragten Eigenschaften besitzen."

Vielleicht kann man abschließend sagen, dass wir auf eine neue junge Generation von Theaterschaffenden warten, die die erforderlichen Eigenschaften haben wird.

"Ich finde, es ist ein Prozess, der eigentlich kontinuierlich ist. Man kann sagen, dass ein paar ausgeprägte Persönlichkeiten der jüngeren Generation bereits da sind. Ein Beispiel: Dusan Parizek, der eigentlich erfolgreicher in Deutschland ist als hierzulande, was übrigens auch für Tschechien typisch ist. Ich bin aber sicher, dass sich die Situation verbessern wird. Gleichzeitig aber bin ich mir sicher, dass wir Tschechen nie die Rasanz haben werden wie zum Beispiel die Ungarn. Die sind wirklich sehr stark in der Selbstpräsentation."

Als einen neuen Repräsentanten des tschechischen Theaters kann man bestimmt Petr Stedron bezeichnen. Vor zwei Jahren hat er sich dem bisherigen Dramaturgenduo des Prager Theaterfestivals deutscher Sprache angeschlossen. Wie kam es dazu?

"Ich habe Germanistik, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaften studiert, zum Teil auch in Deutschland. Ich bin auch als Dramaturg am Nationaltheater in Brno (Brünn) tätig und beschäftige mich vorwiegend mit dem zeitgenössischen deutschen und österreichischen Drama. Ich übersetze auch ins Tschechische. Der Weg war eigentlich ziemlich logisch und klar."

Vor dem Hintergrund des bevorstehenden Theaterfestivals habe ich auch den jungen Dramaturgen nach aktuellen Problemen des tschechischen Theaters gefragt. Seine Meinung war schon etwas kritischer:

"Im Grunde genommen sehe ich das Problem des tschechischen Theaters darin, dass die meisten Theaterhäuser nicht viel Mut haben, Stücke zeitgenössischer Autoren aufzuführen. Sie haben Angst vor leeren Sälen und wollen nichts riskieren."

Ist das nicht so, dass sie sich daher dem Geschmack des Publikums anpassen wollen?

"Leider ist es so. Das führt auch dazu, denke ich, dass das tschechische Gegenwartsdrama ziemlich an Qualität verloren hat."

Haben Sie dafür eine Erläuterung, warum das so ist und warum sich hierzulande der Einfluss des internationalen Theaters relativ so wenig bemerkbar macht?

"Die Antwort müsste ich wahrscheinlich viel länger formulieren, aber ganz bestimmt ist die Ursache auch in dem ganzen Subventionssystem zu suchen. In Deutschland gibt es verschiedene Preise zur Förderung junger Autoren. Davon gibt es bei uns sehr wenig. Natürlich gibt es auch bei uns Institutionen, die sozusagen junges Blut unterstützen, aber wiederum nicht in so hohem Maße wie in Deutschland oder Österreich. Und das ist schon schade."

Auf dem Programm des Prager Theaterfestivals steht u.a. auch dreimal Wiliam Shakespeare, darunter auch die Macbeth-Inszenierung, die 2005 am Düsseldorfer Schauspielhaus aufgrund ihrer blutigen und überaus brutalen Bilder für einen Skandal in Düsseldorf sorgte. Ob auch das Prager Publikum in großer Zahl das Theater verlassen wird, kann natürlich noch niemand sagen. Die Dramaturgie des Prager Festivals hat den Schritt bewusst gewagt. Ondrej Cerny:

"Es kann sein, dass es zu viel für die Zuschauer sein wird und dass es in Prag gar nicht gut ankommt. Das ist ein Risiko und man kann es vorher nicht wissen. Aber das ist eigentlich auch das Packende an dem Festival."

Wollen Sie das Publikum provozieren?

"Wir wollen eigentlich zeigen, welche Darbietungsweisen die Theaterkunst anbietet. Ich glaube, Macbeth ist eine gute Wahl. Das Stück geht an die Grenzen, bis es manchmal unerträglich ist, aber das gehört dazu, finde ich."