Tomáš Verner: Eiskunstlauf muss guter Mix aus Sprüngen und Ausdruck sein
Eiskunstlauf gehört seit Anfang an zum Programm der Olympischen Winterspiele. Die Tschechoslowakei gewann in dieser Sportart fünf Medaillen, die letzte davon jedoch vor 26 Jahren.
Eiskunstlauf ist in Tschechien und der Slowakei ein populärer Sport. Auch deshalb, weil beide Länder mit Karol Divín, Ondrej Nepela, Hana Mašková, den Geschwistern Roman wie auch Ihrer Person eine ganze Reihe erfolgreicher Eiskunstläufer hervorgebracht haben. Warum aber hat man zuletzt etwas den Anschluss verloren?
„Ich denke, unser Problem liegt nicht bei den Läufern beziehungsweise den Kindern, die zum Eiskunstlauf kommen. Das Problem ist vielmehr die Ausbildung von geeigneten Trainern. Wir haben fast keine Trainerausbildung. Folglich müssen wir entweder mehr Experten nach Tschechien holen oder unsere Trainer in andere Länder schicken, damit sie erfahren, wie wir uns verbessern können. Bis heute hat sich nämlich nicht viel geändert. Bei uns wird weiter so gehandelt, wie wir es immer gemacht haben. Das ist jedoch nicht genug. Ich stehe noch am Anfang meiner Trainerkarriere, doch ich weiß jetzt schon, dass ich mich mit anderen Trainern austauschen muss. Mein Ex-Trainer Michael Huth wird einer davon sein. Aber ich werde auch andere Trainer zu Rate ziehen, denn man muss möglichst vielseitig informiert sein über die Entwicklungen im Eiskunstlauf.“
Um in der Trainerausbildung und Erkenntnisgewinnung voranzukommen, wollen Sie also auch Ihren Namen nutzen sowie die Kontakte, die Sie haben?
„Ja, sicher. Ich nenne nur ein Beispiel: Zusammen mit meinem ehemaligen Konkurrenten Jewgeni Pljuschtschenko habe ich bereits die Pläne für ein Trainingslagers im Sommer ausgearbeitet. Dazu werde ich mit Kindern aus meiner Trainingsgruppe nach Russland zu Pljuschtschenko und seiner Akademie reisen. Aus meinem Team kommen die Kinder mit, die das größte Engagement im Training zeigen. In Russland können sie dann mit eigenen Augen sehen, wie Pljuschtschenko seine eigenen Schützlinge aufbaut.“
Tschechien nimmt dieses Jahr mit fünf Teilnehmern an den Olympischen Winterspielen teil. Es sind Michal Březina bei den Herren, das Eistanzpaar Cortney Mansourová und Michal Češka sowie im Paarlaufen Anna Dušková und Martin Bidař. Wie schätzen Sie die Chancen der tschechischen Vertreter in den drei Wettbewerben ein? Wo liegen ihre Stärken und ihre Schwächen?
„Michal Březina ist der Älteste im tschechischen Eiskunstlauf-Team. Er wird aber froh sein, wenn er am Ende zumindest den zehnten Platz belegt. Denn die Elitegruppe in der Konkurrenz der Herren hat sich mit den Jahren vergrößert. Sie besteht nicht mehr aus nur fünf Läufern, wie bei Březinas Olympia-Einstand vor acht Jahren, sondern aus bestimmt 12 bis 15 Läufern. Das wird ein harter Kampf um die Platzierungen. Michal lief gut bei der Europameisterschaft, und wenn er so weitermacht, dann wäre Platz zehn sicher schon ein Traum. Für das tschechische Eistanzpaar Cortney Mansourová und Michal Češka wäre es schon ein Erfolg, wenn es unter den besten Zwanzig kommt. Anna Dušková und Martin Bidař sind die Nesthäkchen im Eiskunstlaufteam. Sie treten im Paarlauf an und geben in Pyeongchang ihr Olympiadebüt. Das steht allerdings nicht unter den besten Vorzeichen, da sie nach einer Verletzung erstmals wieder bei einer großen internationalen Konkurrenz dabei sind. Sie werden es also sehr schwer haben, sich bei den Senioren gleich wieder zurechtzufinden. Ich hoffe, sie werden zwischen Platz 10 und 15 einkommen. Ich glaube jedoch, dass ihre Chancen in vier Jahren ganz anders aussehen werden. Dann haben sie das Potenzial für die Top Sechs.“Wie schätzen Sie die Entwicklungen im Eiskunstlauf generell ein? Werden die Sprünge nicht zu stark akzentuiert? Wie stellen Sie sich selbst die Zukunft Ihres Sports vor?
„Die Entwicklung eines neuen Bewertungssystems war generell eine super Idee. Jedoch ist es nicht so gelaufen, wie es vorher geplant war. Denn es ist weiter so, dass die vierfachen Sprünge in diesem System außerordentliche Beachtung finden. Und zwar derart, dass Läufer, die diese Sprünge beherrschen, im künstlerischen Bereich nicht mehr allzu viel tun müssen, um dennoch auch eine hohe B-Note zu bekommen. Denn die Gefahr besteht, dass die Preisrichter einfach einknicken und meinen, wenn einer so gut springen kann, dann muss er neben den hohen A-Note auch eine sehr gute B-Note bekommen. Doch das ist falsch. Für mich wäre es die beste Lösung, wenn sich der Eiskunstlaufverband ein neues Modell ausdenkt. Es sollte am besten drei verschiedene Wettbewerbe geben: einen für das Springen, einen für die künstlerische Ausdrucksweise und eine Kombination aus beiden Elementen.“
Sie sind also ein Befürworter dessen, dass im Eiskunstlaufen auch wieder der Begriff „Kunst“ eine größere Rolle spielt, oder?
„Ich stimme zu, ich bin zu 100 Prozent für Eiskunstlaufen. Für mich ist der künstlerische Ausdruck ein wichtiges Element. Wenn ein Läufer also dieses Element vernachlässigt, weil er sich nur auf seine Drei- und Vierfachsprünge konzentriert, dann sollte dies auch durch hohe Abzüge in der B-Note geahndet werden. Am Ende sollte stets derjenige gewinnen, der beide Komponenten sehr gut beherrscht.“