Eiskunstlauf-EM: Tschechien setzt auf Březina und Nachwuchstalente

Michal Březina (Foto: Robin Ritoss, CC BY-SA 3.0)

Das Jahr 2017 ist gerade erst drei Wochen alt, doch in zwei Tagen hält es schon den ersten internationalen Sporthöhepunkt in Tschechien parat: die Europameisterschaft im Eiskunstlauf. Sie wird von Mittwoch bis Sonntag im mährisch-schlesischen Ostrava / Ostrau ausgetragen.

Die Europameisterschaft im Eiskunstlauf kehrt nach 18 Jahren zurück nach Tschechien. Das vordem letzte Mal wurde sie 1999 in Prag ausgetragen. Eine ziemlich große Zeitspanne, doch der Eiskunstlauf-Experte des Tschechischen Fernsehens (ČT), Miroslav Langer, hat dafür eine simple Erklärung:

„In der Vergangenheit wäre das sicher eine sehr lange Pause gewesen, aber in der letzten Zeit hat sich auch im Eiskunstlauf so einiges getan. Es ist eine ganze Reihe von Ländern hinzugekommen, die in dieser Sportart jetzt ein Wörtchen mitreden. So wurde zum Beispiel das Finale der ISU-Grand-Prix-Serie die vergangenen zwei Jahre in Spanien ausgetragen. Das wäre früher unvorstellbar gewesen. Und diese neuen Länder wollen nun auch Europa- und Weltmeisterschaften ausrichten.“

Miroslav Langer  (Foto: ČT24)
Nun aber ist Tschechien dran. Für die Freunde dieses Schlittschuhsports ist es wohl nur überraschend, dass nicht wie gewohnt Prag, sondern erstmals die Stadt Ostrau der EM-Gastgeber ist. Einen Nachteil aber sieht Langer darin nicht:

„Ostrau ist meiner Meinung nach sehr gut vorbereitet. Das dortige Organisationsteam hat schon einige Erfahrungen gesammelt. Es hat mehrfach den Grand Prix der Junioren veranstaltet, letztmalig zu Saisonbeginn im September vergangenen Jahres. Es ist zugleich fast dasselbe Team, das auch eine Junioren-WM in Ostrau ausgerichtet hat. Das ist jedoch schon etwas her, es war zu Beginn von Tomáš Verners Karriere.“

Miroslav Langer: „Im Eiskunstlauf ist eine ganze Reihe von Ländern hinzugekommen, die in dieser Sportart jetzt ein Wörtchen mitreden. Und diese neuen Länder wollen nun auch Europa- und Weltmeisterschaften ausrichten.“

Wie gut Ostrau auf das Championat vorbereitet ist, davon zeugt auch der Kartenvorverkauf. Die Kürprogramme am Freitag und Samstag sowie das Schaulaufen am Sonntag sind ausverkauft. Für die Kurzprogramme am Mittwoch und die Paarlauf-Entscheidung am Donnerstag sind noch Restkarten erhältlich. Die Ostravar Arena bietet zur EM rund 7500 Besuchern Platz.

Die Unterstützung durch die Zuschauer wollen sieben Starter aus Tschechien auskosten. Es sind die Einzelläufer Michal Březina und Jiří Bělohradský bei den Herren, Michaela Lucie Hanzlíková bei den Damen, Anna Dušková und Martin Bidař im Paarlauf sowie das Eistanzpaar Cortney Mansour und Michal Češka. Cortney Mansour ist zwar Kanadierin, bei ihren Auftritten mit Češka aber werden die Zuschauer auch hinter ihr stehen.

Michal Březina  (Foto: Robin Ritoss,  CC BY-SA 3.0)
Von den tschechischen Aktiven setzt Miroslav Langer vor allem auf den 26-jährigen Březina:

„Michal Březina ist bei weitem der Erfahrenste im tschechischen Team. Ansonsten hat sich der Kader stark verändert im Vergleich zu den letzten Titelkämpfen. Das Charakteristische für die anderen in der Mannschaft ist, dass sie ziemlich unerfahren sind.“

Ob Březina, der Dritte der EM 2013, allerdings in der Lage sein wird, vor eigenem Publikum erneut in den Medaillenkampf einzugreifen, daran hat Langer so seine Zweifel:

„Die europäische Spitze hat einen großen Sprung nach vorn gemacht. Zu ihr zählen vor allem die Eiskunstläufer aus Russland und der spanische Titelverteidiger Javier Fernandez. Die Läufer anderer Nationen sind etwas ratlos, wie sie die Lücke wieder schließen können. Zu ihnen gehören die Franzosen, die Italiener, die Deutschen und in gewisser Weise auch Michal Březina.“

Michal Březina  (Foto: Luu,  CC BY-SA 3.0)
Zu allem Überfluss hat sich Březina im Dezember bei einem Wettbewerb im polnischen Katowice an der Schulter verletzt. Passiert ist das bei dem Versuch, den dreifachen Axel zu springen:

„Ich habe den Axel überdreht. Beim Sturz lag mein ganzes Körpergewicht auf dem Ellenbogen, mit dem ich das Eis zuerst berührte. Dadurch habe ich mir die Schulter ausgerenkt.“

Březina konnte daraufhin seine Kür in Katowice nicht beenden. An seine Fans aber gab er nur kurze Zeit nach der verkorksten Vorstellung Entwarnung:

Foto: ČTK
„In drei Tagen werde ich wieder auf dem Eis stehen. Aber ich bin ziemlich froh, dass mir das hier passiert ist und nicht in Ostrava.“

Mit ganz anderen Erwartungen geht die erst 16-jährige Michaela Lucie Hanzlíková in die Damenkonkurrenz von Ostrau. Sie hat sich den Startplatz durch ihren zweiten Rang bei den nationalen Meisterschaften erkämpft. Bei der Europameisterschaft erwartet sie nunmehr ihr internationales Debüt:

„Ich freue mich sehr darauf und besonders auf die Unterstützung durch das Publikum. Es ist nämlich eine tolle Hilfe, wenn dir jemand applaudiert.“

Michaela Lucie Hanzlíková  (Foto: Archiv von Michaela Lucie Hanzlíková)
In Ostrau ist sie die Erste im tschechischen Team, die auf das Eis muss. Denn am Mittwoch startet die EM mit dem Kurzprogramm der Damen. Die junge Karlsbaderin spürt da keinen allzu großen Druck, sondern will ihr Debüt einfach genießen:

„Ich laufe dort, um Erfahrungen zu sammeln. Doch ich will gut laufen, nur so werde ich zufrieden sein.“

Ihre Premiere bei einer Europameisterschaft der Senioren geben auch die Paarläufer Anna Dušková und Martin Bidař. Als Junioren haben sie indes schon einige Erfolge aufzuweisen. Die 17-jährige Dušková und ihr knapp ein Jahr älterer Partner gewannen Silber bei den Olympischen Jugendspielen und sie sind die amtierenden Junioren-Weltmeister. Ein Laie könnte denken, dass sie sich damit auch schon einen gewissen Namen gemacht haben. Anna Dušková stellt jedoch klar:

Anna Dušková und Martin Bidař  (Foto: Luu,  CC BY-SA 4.0)
„Bei den Senioren sind wir absolute Neulinge. Unsere Konkurrenz hat also einen großen Vorsprung an Erfahrung. Die anderen Paare haben hinlänglich Bekanntschaft mit den Preisrichtern gemacht und wissen, was diese von ihnen erwarten. Wir aber müssen uns erstmal durchsetzen.“

Welche große Rolle es im Eiskunstlauf spielt, sich bei der Jury Geltung zu verschaffen, weiß auch TV-Kommentar Miroslav Langer:

„Wenn ein Eiskunstläufer sich schon einen gewissen Namen gemacht hat, ist es für die Preisrichter einfacher, seinen Auftritt zu bewerten. Wenn aber ein neues Gesicht auftaucht, dann schauen sie nur aus der Perspektive dieser einen Kür auf den Newcomer. Wenn dessen erste Vorstellung nur etwas misslingt, kann das bei den Preisrichtern den Eindruck erwecken, der neue Eiskunstläufer hat keinen Ausdruck, kein Charisma und dergleichen. Das führt dann oft dazu, dass er nur eine niedrige Bewertung für die Programmbestandteile bekommt.“

Anna Dušková: „Bei den Senioren sind wir absolute Neulinge. Unsere Konkurrenz hat einen großen Vorsprung an Erfahrung. Die anderen Paare haben hinlänglich Bekanntschaft mit den Preisrichtern gemacht und wissen, was diese von ihnen erwarten. Wir aber müssen uns erstmal durchsetzen.“

Im Wettbewerb der Paarläufer sind Dušková und Bidař das jüngste Paar unter allen Teilnehmern. In einem europäischen Ranking der bisherigen Saisonergebnisse aber liegen die talentierten Tschechen auf dem achten Platz. Auf die Frage einer Journalistin, ob sie diese Platzierung auch in Ostrau anstreben, reagierte Anna Dušková ähnlich bescheiden und gelassen wie Teamkollegin Hanzlíková:

„Dieser Platz würde uns bestimmt gefallen. Unsere Priorität aber ist es, ein gutes Programm zu zeigen, damit unsere Trainerin glücklich ist.“

Die Aussagen der tschechischen Nachwuchshoffnungen verdeutlichen, dass eine vordere Platzierung oder gar der Kampf um eine Medaille für sie noch kein Thema ist. Sie wollen vielmehr ihre Chance beim Schopf packen und sich vor eigener Kulisse international ins Gespräch bringen. Denn ihnen gehört die Zukunft.

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Autor: Lothar Martin
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