Tonbänder, Manuskripte, historische Fotos: Willkommen im Rundfunkarchiv

Sämtliche Produktionen des Tschechischen Rundfunks und seiner historischen Vorgänger werden im Rundfunkarchiv aufbewahrt. Dort eingelagert sind aber auch weitere Zeitdokumente.

Tomáš Dufka | Foto: Khalil Baalbaki,  Tschechischer Rundfunk

Am wichtigsten sind im Rundfunkarchiv die Tonaufnahmen, obwohl in dem Depot bei weitem nicht nur sie aufbewahrt werden. Es gebe in den Sammlungen verschiedenste Arten von Tonträgern, erzählt Tomáš Dufka. Er leitet das Rundfunkarchiv.

„Zu den historischen Tonträgern gehören etwa die Tonfolien. Man kann sie sich wie Schallplatten vorstellen, allerdings sind sie bedeutend schwerer. Auf jeder Seite der Folie sind nur wenige Minuten aufgezeichnet. Letztes Jahr haben wir beispielsweise die Aufzeichnungen vom Gerichtsprozess gegen den Nazi-Verbrecher K. H. Frank digitalisiert. Erhalten sind rund 80 Stunden Material. Mein Kollege musste darum 1300 Tonfolien digitalisieren. Weitere Typen von Tonträgern sind Tonbänder. In den 1990er Jahren wurden während einer kurzen Zeit verschiedene Speichermedien benutzt: Beta-Kassetten, VHS-Kassetten und Minidiscs. Heutzutage werden die Tonaufnahmen digital gespeichert.“

Dabei wird im Archiv nicht nur die Produktion des Tschechoslowakischen und des Tschechischen Rundfunks aufbewahrt. In den Sammlungen befindet sich auch der sogenannte „Beutefonds“, der Aufzeichnungen vom Reichsrundfunk aus den 1930er Jahren enthält. Zudem stammt ein Teil der Sammlungen Dufka zufolge aus unterschiedlichen Nachlässen.

„Wir bewahren hier auch den Nachlass von Persönlichkeiten auf, die mit dem Rundfunk zusammenarbeiteten, falls uns diese Materialien angeboten werden. Derzeit bearbeiten wir den Nachlass vom langjährigen Redakteur und Kommentator Jan Petránek, der Redakteurin und Übersetzerin Věra Šťovíčková und dem Musiker Pavel Jurkovič.“

Foto: Khalil Baalbaki,  Tschechischer Rundfunk

Das Archiv verfügt Dufka zufolge über drei Depositorien: in einem werden die Tonträger, in einem anderen die schriftlichen Dokumente und im dritten, dem sogenannten „Gramoarchiv“,  die Schallplatten aufbewahrt.

„Als Mitarbeiter des Rundfunkarchivs machen wir die verschiedenen Archivalien zugänglich und bemühen uns darum, sie in einem guten Zustand zu bewahren, damit sie Forschern und der Öffentlichkeit auch noch nach Jahrzehnten dienen können. Das Material aus dem Archiv wird natürlich auch in den Radiosendungen genutzt. Dazu dient hauptsächlich das Schallplattenarchiv. Noch vor kurzem wurde die Musik direkt von den Platten in den Sendungen abgespielt. Die LP’s stammen von verschiedenen Verlagen, der Rundfunk hat sie gekauft, nutzt sie in seinem Programm und bezahlt für die Urheberrechte. Die Sammlung umfasst rund 150.000 Schallplatten und ist im mitteleuropäischen Vergleich einmalig.“

Foto: Tomáš Dufka,  Tschechischer Rundfunk

In dem Archiv soll all das aufbewahrt werden, was einen historischen Wert hat. Dies betont Tomáš Dufka einige Mal während des Gesprächs. Und vor allem müsse alles beschrieben werden, damit es im Anschluss gut zu finden sei. Es passiere verhältnismäßig oft, dass Menschen dem Archiv Dokumente oder Aufnahmen anbieten, merkt der Experte an…

„Es kommt dann darauf an, ob wir diese Dokumente bereits in unseren Sammlungen haben. Wenn wir die Tonaufnahmen oder Dokumente übernehmen, müssen sie nachfolgend bearbeitet werden, damit sie künftig auch den Forschern zur Verfügung stehen können.“

Das Rundfunkarchiv umfasst auch eine umfangreiche Sammlung schriftlicher Dokumente und Fotografien. Der Archivdirektor beschreibt, wie groß sie ist:

„Das Depot mit den schriftlichen Dokumenten ist vier Kilometer lang. Es finden sich dort Texte der Hörspiele, die gesendet wurden, aber beispielsweise auch die Sendepläne, die im Rundfunk ,plachty‘ genannt wurden. Daraus kann man erfahren, was gesendet wurde oder zumindest was gesendet werden sollte. Da von den 1950er Jahren und vom Anfang der 1960er Jahre nur wenige Tonaufzeichnungen erhalten sind, weiß man dank diesen Sendeplänen, was damals auf dem Programm stand. In den 1930er Jahren wurden im Rundfunk oft Vorträge gesendet, auch ihre Texte finden sich im Archiv.“

Der Rundfunk feiert hundert Jahre – rozhlas slaví sto let | Foto: Tschechischer Rundfunk

Aus dem Archiv der Schriftdokumente stammen viele der Fotografien und historischen Texte für den Bildband, der anlässlich des 100. Jubiläums des Tschechischen Rundfunks erschien. Tomáš Dufka stellte das Buch gemeinsam mit seinen Kollegen zusammen.

„Das kann schon paradox klingen: Wir sind der Rundfunk und bringen einen Bildband heraus. Hier im Radio entstanden jedoch von Anfang an sehr viele Fotografien. Wir verfügen über wirklich einzigartige Negative. Das Buch beweist, dass der Rundfunk ein Medium war, das in der Zeit, als es noch kein Fernsehen gab, auch Bilder machte und verbreitete.“

Tomáš Dufka | Foto: Khalil Baalbaki,  Tschechischer Rundfunk

An dem tschechisch-englischen Bildband arbeitete ein größeres Team von Menschen, Dufka ist Mitherausgeber. Das Buch mit dem Titel „Rozhlasto“ wurde am vergangenen Samstag auf der Prager Buchmesse feierlich vorgestellt. Die Publikation hält Dufka für einen Höhepunkt dessen, worum er sich in den letzten fünf Jahren bemüht. Und er fügt hinzu:

„Anlässlich des 50. Jahrestags der Okkupation der Tschechoslowakei durch die Truppen des Warschauer Paktes entwarf ich das Projekt eines fiktiven Rundfunkreporters, der via Twitter jeden Tag das Geschehen im August 1968 kommentierte. Eigentlich habe ich Geschichtswissenschaften und Ethnologie studiert. Schon immer interessierte ich mich vor allem für Geschichte, Politik und Sozialwissenschaften. Es war dann eher ein Zufall, dass ich gerade im Rundfunkarchiv anfing. Nach zehn Jahren fühle ich mich hier nun wie zu Hause. Im Rundfunk begegnete ich Menschen, die wirklich Experten in ihrem Fach sind. Ich finde wichtig, dass sie ihre Kenntnisse nicht nur in den Rundfunksendungen, sondern auch in der Zusammenarbeit mit anderen Institutionen anwenden.“

Der Bildband „Rozhlasto“ | Foto: Khalil Baalbaki,  Tschechischer Rundfunk