Tourismus als Wirtschaftsfaktor in Tschechien und Prag

Touristen in Prag

Der Monat August ist der klassische Ferienmonat. Daher wollen wir das heutige Wirtschaftsmagazin auch dem Tourismus widmen. Nur wenige Menschen, die im Urlaub Entspannung, Anregung oder Erholung suchen, ahnen, daß der Tourismus weltweit der größte Arbeitgeber ist. Vom Umsatz her liegt er an dritter Stelle aller Branchen. Die wirtschaftliche Bedeutung des Fremdenverkehrs in der Tschechischen Republik und besonders in Prag steht in den folgenden Minuten im Mittelpunkt. Am Mikrofon begrüßt Sie, verehrte Hörerinnen und Hörer, aus Prag Jürgen Siebeck.

Der Bereich des Tourismus ist sehr vielschichtig. Dazu gehören im direkten Sinne neben Hotels, Pensionen und allen anderen Anbietern von Übernachtungsmöglichkeiten auch Transportunternehmen, Restaurants, Reisebüros, Reiseveranstalter, Fremdenführer, Fremdenverkehrsbüros oder Andenkenläden. Aber der Tourismus wirkt indirekt auf eine noch weitaus größere Zahl von Branchen. Als Beispiel seien hier nur der Einzelhandel, Banken, Museen, kulturelle und sportliche Veranstaltungen genannt.

In der Tschechischen Republik ist die Zahl der ausländischen Besucher von nur etwa 30 Millionen im Jahre 1989 deutlich angestiegen auf über 103 Millionen im vergangenen Jahr. Die ersten Zahlen dieses Jahres deuten auf einen weiteren kleinen Anstieg hin. Daß aus dem Nachbarland Deutschland etwa ein Drittel der Touristen kommt, ist nicht überraschend. Dann folgen als Herkunftsländer Polen, Italien, Großbritannien, die Niederlande, die USA, die Slowakei, Frankreich, Israel und Österreich.

Die Deviseneinnahmen durch den Tourismus betrugen nach Daten der Tschechischen Nationalbank im vergangenen Jahr 3 Billionen US-Dollar. Das ist um 6 mal höher als 1989. Nach Schätzungen liegt der Beitrag des Tourismus zum Bruttoinlandsprodukt in Tschechien zwischen 9-11 %. Rund eine halbe Million Arbeitsplätze sind direkt oder indirekt vom Tourismus abhängig.

Wenden wir uns nun der Stadt Prag zu. Die Hauptstadt ist mit etwa 40% der am meisten besuchteste Zielort der tschechischen Republik, auch wenn sein Anteil am Gesamttourismus nach Tschechien rückläufig ist.

Frau Dr. Jaroslava Nováková ist die Direktorin der Abteilung Pragotur im Prager Informationsdienst PIS, welcher in seinen Tätigkeiten in etwa einem Fremdenverkehrsamt entspricht.

"An internationalen Touristen haben wir über 2, 5 Millionen und aus der Tschechischen Republik kamen etwa 450 000. In der Stadt Prag bleiben die Besucher im Durchschnitt 3 Nächte und 4 Tage."

Bei diesen rund drei Millionen Touristen werden nur solche gezählt, die in den in Prag registrierten Hotelbetrieben, Pensionen etc. mindestens eine Nacht übernachtet haben. Die Gäste aus Deutschland machen circa 20% der Übernachtungstouristen in Prag aus. Seit 1997 sind die Übernachtungszahlen in etwa konstant geblieben. Für das laufende Jahr könnten erste Trends aus den Hotels auf einen möglichen leichten Rückgang hindeuten. Ob die Ereignisse am 11. September 2001 in New York hier allein als Erklärung ausreichen, wollte Frau Dr. Nováková nicht mit Sicherheit bestätigen. Der Rückgang sei aber in den Monaten Oktober und November 2001 deutlich spürbar gewesen.

"Das war ein Schock im Tourismus überall in der Tschechischen Republik und nicht nur bei uns, sicher auch in Deutschland und in anderen Ländern."

Deutlich werde dabei, wie sensitiv und anhaltend internationale Touristenströme auf Veränderungen der politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen reagieren.

Die Monate Mai und September sind die Spitzen des Zustroms im Tourismus nach Prag. Ein gewisses Problem in der Hotelstruktur sei, daß in der Innenstadt die luxuriösen und damit teureren Hotels überwiegen und die Mittelklassehotels und einfacheren Häuser mehr am Rande der Stadt zu finden seien.

"Jetzt ist die Hotelkapazität der Stadt Prag dieselbe oder besser als in den Städten Westeuropas. Prag ist heute an der siebten Position im Welttourismus."

Frau Dr. Nováková vom Prager Informationsdienst schätzt, ohne das statistisch genau aufschlüsseln zu können, daß derzeit etwa 30 % aller Arbeitsplätze in Prag vom Tourismus abhängen.

Die Sehenswürdigkeiten der historischen Altstadt und der sich anbietende Anschauungsunterricht in der "Schule der Architekturen" und die besondere Atmosphäre der Stadt Prag seien ein originäres Ziel von Städtetourismus an sich. Aber es gäbe über den Kulturtourismus hinaus noch ein Potential zu entwickeln. Zum Beispiel im Eventtourismus oder im Bereich des Tagungs- und Konferenztourismus. Prag hat seine Möglichkeiten hier mit der Weltbanktagung im Kongresszentrum mit mehr als 15 000 Gästen unter Beweis gestellt und auch die bevorstehende Nato-Tagung im November wird Prag als Ort internationaler Kongresse und Konferenzen weiter bekannt machen.

In der Vermarktung der Stadt Prag als touristisches Ziel müsse man aber auch noch die unbekannteren Seiten der Stadt außerhalb des Zentrums, zum Beispiel den Zoo, die beiden botanischen Gärten oder auch Prag als Zielort für den Familientourismus herausstellen. Dabei sei die Teilnahme an Tourismusmessen, aber auch die neuen elektronischen Kommunikationskanäle und auch die Zusammenarbeit im internationalen Bereich wichtig, wie zum Beispiel im European Cities Tourism Network. Daneben gelte es auch im Zusammenwirken mit anderen Stellen an den Schwachpunkten des Tourismus in Prag zu arbeiten, zum Beispiel im Service von manchen Restaurants, im Taxidienst und in der Bekämpfung der Kleindiebstähle.

Werfen wir abschließend noch einen Blick auf die Prager Burg, wo uns Frau Dr. Jana Kucerová, die Direktorin der Tourismusabteilung der Burgverwaltung, Informationen über die fremdenverkehrswirtschaftliche Bedeutung vermittelt.

"Der Tourismus und die Besucher, einheimische und ausländische Besucher, sind enorm wichtig für die Prager Burg, da der Tourismussektor die Haupteinnahmequelle für die sehr teueren Unterhaltungs- und Reparaturarbeiten der Gebäude und Gärten des Burgbereiches bildet. Ein Besuch der Burg ist für jeden Touristen in Prag ein Muss und wir haben im letzten Jahr über eine Millionen zahlende Besucher gezählt. Die tatsächliche Zahl der Besucher dürfte etwa 4-5 mal größer sein. Aber allein die zahlenden Besucher brachten uns Einnahmen in Höhe von 102 Millionen Kronen oder rund 3,4 Millionen Euro."

Der Trend der zahlenden Besucher für das laufende Jahr weist nach oben - vielleicht auch wegen der anfangs sehr umstrittenen Entscheidung, das Goldmachergässchen nur noch zahlenden Besuchern zu öffnen.

Der Tourismus schafft natürlich auch Jobs auf der Burg. Neben den Mitarbeitern der Burgverwaltung, gibt es zum Beispiel noch viele Läden, Restaurants und Cafés, die fast ausschließlich von Touristen genutzt werden. Die Zahl der vom Fremdenverkehr abhängigen Arbeitsplätze im Burgbereich ist vermutlich in der Größenordnung von 600 -1 000 anzusetzen. Dabei sind die "wilden" Touristenführer ohne Lizenz noch gar nicht mitgerechnet.

Auch die Verwaltung der Burg propagiert auf Tourismus-Messen im Ausland die Möglichkeit, daß man auf der Burg einen idealen Rahmen und hervorragende, zum Teil prunkvoll ausgestattete Räume hat, die für Konferenzen, Kongresse, Tagungen und Incentives angemietet werden können. Dabei sollte natürlich der Respekt vor der historischen Bedeutung und aktuellen Funktion der Gebäude beachtet werden.

Noch einmal Frau Direktorin Dr. Kucerova von der Verwaltung der Prager Burg:

"Die Prager Burg ist gewiß der größte Burgbereich nicht nur in Tschechien sondern in der ganzen Welt und es ist das meist besuchteste Touristenziel in Prag und der ganzen Republik."

Nach der Burg sind das Rathaus am Altstädter Ring und der Petrín/ Laurenziberg die bevorzugten Ziele der Touristen in Prag.

Damit naht, liebe Hörerinnen und Hörer, schon das Ende des heutigen Wirtschaftmagazins. Aus Prag ein freundliches, touristisch angehauchtes "Na shledanou".

Autor: Jürgen Siebeck
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