Traum Bundesliga: Dresden und Ústí kooperieren im Jugendfußball

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20 Jahre Deutsch-Tschechische Erklärung bedeuten auch fast ebenso viele Jahre Deutsch-Tschechischer Zukunftsfonds. Der Fonds fördert gezielt Projekte, die die Menschen beider Länder zusammenführen. Auch durch Sport. Ein solches Projekt ist beispielsweise die Deutsch-Tschechische Fußballschule – eine knapp 15 Jahre erfolgreiche Kooperation im Raum Oberfranken und Nordwestböhmen. Etwas Ähnliches wächst jetzt auch zwischen Dresden und Ústí nad Labem – das Projekt „Zwei Städte, zwei Sprachen – durch Fußball verbunden“. Im Gegensatz zur Fußballschule aber wird es aus anderen Quellen finanziert.

Es ist wohl der Traum eines jeden Jungen, der gern Fußball spielt: Eines Tages möchte er auf dem Rasen eines großen Stadions stehen, auf den Rängen Zehntausende Zuschauer, die ihm zujubeln. Auch im nordböhmischen Ústí nad Labem / Aussig, ist das nicht anders. Einige der dort beim ortsansässigen Fußballklub ausgebildeten Jungen hoffen derzeit, ihrem Traum einen Schritt näher zu kommen. So wie der 15-jährige Ondřej Kolařík, der in dieser Saison regelmäßig in der U16-Mannschaft von Dynamo Dresden mittrainiert und auch bei Punktspielen der Sachsen im Kader steht. Er ist einer von rund 300 jungen Kickern, die integriert sind in das Projekt „Zwei Städte, zwei Sprachen – durch Fußball verbunden“. Und er ist mit Feuereifer dabei:

Foto: John Hartley,  Free Images
„Das Projekt ist super, schon allein weil wir Deutsch lernen und mit gleichaltrigen deutschen Jungen ins Gespräch kommen können. Darüber hinaus haben wir die Möglichkeit, vielleicht eines Tages in der deutschen Bundesliga zu spielen.“

Die Bundesliga – das ist jedoch nur das Sahnestück, das den jungen Nachwuchskickern der SG Dynamo Dresden und des FK Ústí nad Labem im Rahmen des Projekts serviert wird. Es bedeutet weit mehr. Sie können ihrem Hobby mit einer großen Fülle von Programminhalten, dem wechselseitigen Austausch ihrer Kulturen und Mentalitäten und auf einem optimierten sportlichen Niveau nachgehen.

Ondřej Kolařík: „Das Projekt ist super, schon allein weil wir Deutsch lernen und mit gleichaltrigen deutschen Jungen ins Gespräch kommen können. Darüber hinaus haben wir die Möglichkeit, vielleicht eines Tages in der Bundesliga zu spielen.“

„Es ist Hobby auf Leistungssportniveau“, bringt es Daniel Holke, der U15-Trainer von Dynamo Dresden, auf den Punkt. Derjenige, der es auf dem Weg in Richtung Leistungssport bisher am weitesten gebracht hat, ist der tschechische U17-Nationalspieler Vasil Kušej. Er ist ein Riesentalent und darf deshalb auch schon am Training der ersten Männermannschaft von Dynamo teilnehmen. Der Leiter der Nachwuchs-Akademie des Traditionsvereins, Jan Seifert, aber betont:

„Da muss man wieder beides sehen. Sportlich gesehen ist Vasil eine erste Frucht. Was das Projekt betrifft, ist das nicht die Intension. Da geht es wirklich darum, dass die Vereine zweier Städte sich trotz unterschiedlicher Sprachen untereinander verständigen.“

Für das Projekt auf Seiten der Dresdner verantwortlich ist Christian Knoll von der Nachwuchs-Akademie. Ohne Mühe weiß er zu belegen, dass dieses Projekt tatsächlich von vielen Begegnungen geprägt ist:

Christian Knoll  (Foto: Archiv von Christian Knoll)
„Wir hatten im Dezember eine Weihnachtsfeier der U15-Mannschaft, bei der auch tschechische Spieler dabei waren. Dann hatten wir eine Teambuilding-Maßnahme. Daran nahmen das gesamte Internat des Vereins und die tschechischen Spieler teil, die regelmäßig zum Training nach Dresden kommen. Die Tschechen sind bereits gut integriert, zusammen mit ihren deutschen Teamkollegen haben sie einen Bowlingabend veranstaltet. Die U10 war jüngst bei einem Turnier in Ústí. Zum Programm des Turniers gehörten auch eine Stadtführung und ein Lasertag-Spiel. Das Lasergame haben sie zusammen mit der U10 von Ústí durchgeführt, es hat allen viel Spaß gemacht.“

Vor diesem regen Austausch gab es jedoch eine längere Anlaufphase. Daniel Holke:

Nachwuchs-Fußballspieler des FK Ústí in Dresden  (Foto: Archiv FK Ústí nad Labem)
„Es begann vor drei Jahren, als ich hier in Dresden die Jungen des Jahrgangs 1999 betreut habe. Damals habe ich vom einem Spielervater die Kontaktadresse zu einem Spielervater in Ústí nad Labem bekommen. In jener Saison haben wir ein paar Testspiele gegeneinander bestritten, neben meiner U15-Mannschaft haben auch die Teams U14 und U16 gegen die Tschechen gespielt. Der Kontakt wurde immer enger, und eines Tages kamen die Verantwortlichen des FK Ústí mit einer konkreten Idee auf uns zu. Sie hatten Kontakt aufgenommen zu den Basketballern von Sluneta Ústí, die gute Erfahrungen bei der Kooperation mit den Basketballern der Dresden Titans gemacht hatten. Diese Partnerschaft wird durch ein europäisches Förderprojekt unterstützt. Der Basketballtrainer aus Ústí kam zu einem Treffen hinzu und hat uns dieses Projekt erläutert.“

Jan Seifert  (Foto: X-Weinzar,  CC BY-SA 2.5)
Noch bevor dieses Projekt auch bei den Fußballern spruchreif wurde, habe man die Kooperation mit dem FK Ústí aber bereits gelebt. Nahezu alle Kinder- und Jugendmannschaften von Dynamo Dresden absolvierten 2015 Testspiele und ein Trainingslager in der nordböhmischen Industriestadt, informiert Akademie-Leiter Jan Seifert. Im Herbst 2015 ist das Förderprojekt dann angelaufen, ergänzt sein Assistent Christian Knoll:

„Wir haben den Antrag am 30. Oktober eingereicht und haben im September 2016 den positiven Bescheid bekommen. Wir konnten aber rückwirkend bis 30. Oktober 2015 alles abrechnen, was wir bis dahin schon gemeinsam unternommen hatten. Mit Ústí hatten wir es so vereinbart: Wir beginnen das Projekt zwar auf Sparflamme, aber wir legen schon mal los, auch wenn die Genehmigung noch aussteht.“

Petr Jahnel: „Wenn es die Zusammenarbeit mit Dynamo nicht gäbe, dann hätten mehrere junge Spieler unseren Klub verlassen. Sie sind motiviert, es bis in den Kader von Dynamo zu schaffen oder wenigstens öfter bei den Dresdnern mitzutrainieren.“

Seit Herbst vergangenen Jahres läuft der sportliche und interkulturelle Austausch zwischen den Nachwuchskickern aus Dresden und Ústí nad Labem auf vollen Touren. Und das heißt für Petr Jahnel, den tschechischen Koordinator für die Zusammenarbeit beider Klubs, dass er nun fast täglich auf der Autobahn zwischen den beiden Elbestädten anzutreffen ist. An den Nachmittagen jedes Wochentages chauffiert er in seinem Mini-Van die größten Talente seines Vereins in das rund 50 Kilometer entfernte Dresden. Über alle Tage verteilt sind es exakt ein Dutzend Spieler, die mit ihren deutschen Altersgenossen in der Nachwuchs-Akademie zusammen trainieren. Und ginge es nach den Eltern weiterer Jugendspieler aus Ústí, dann müsste er sogar noch mehr mitnehmen. Für Jahnel, der die Kooperation mitinitiiert hat, ist das Projekt schon jetzt ein Erfolg:

„Wenn es die Zusammenarbeit mit Dynamo nicht gäbe, dann hätten mehrere junge Spieler unseren Klub verlassen. Aufgrund unserer grenzüberschreitenden Kooperation aber bleiben sie. Sie sind motiviert, es bis in den Kader von Dynamo zu schaffen oder wenigstens öfter bei den Dresdnern mitzutrainieren.“

Filip Trojan  (links) und Vasil Kušej  (ganz rechts). Foto: Archiv Dynamo Dresden
Fünf Talente aus Ústí haben den Sprung in ein Nachwuchsteam der Schwarz-Gelben bereits geschafft. An den Wochenenden fahren sie folglich zu Punktspielen quer durch Deutschland. Ondřej Kolařík erlebt daher hautnah, was den deutschen Fußball vom tschechischen unterscheidet:

„Die Trainingseinheiten in Dresden sind intensiver, und der Fußball in Deutschland ist aggressiver und schneller.“

Um sich mit den deutschen Mitspielern auf und neben dem Platz besser verständigen zu können, erhalten die fünf Tschechen einmal die Woche Deutschunterricht. Ihr Lehrer ist zudem ein gestandener Bundesligaprofi: Filip Trojan, der von 2002 bis 2014 unter anderem für Schalke, Bochum, St. Pauli und Dresden spielte. Seit Beginn dieser Saison arbeitet er als Jugendtrainer bei Dynamo, wo er die U14 betreut. Zu den Sprachkenntnissen seiner jungen Landsleute, sagt der 33-Jährige:

FK-Ústí-Geschäftsführer Petr Heidenreich,  Dresdens Bürgermeister Dr. Peter Lames,  Ústís Oberbürgermeisterin Věra Nechybová und SGD-Sportgeschäftsführer Ralf Minge besuchten eine Trainingseinheit von Talenten beider Vereine. Foto: Archiv Dynamo Dresden
„Es wird immer besser. Das Problem bei denen ist, dass sie sich nicht trauen, zu sprechen. Das ist eigentlich das Wichtigste. Doch ich denke, es geht voran, und es macht auf jeden Fall Spaß, mit den Jungen zu arbeiten.“

Das sieht Christian Knoll genauso. Der Projektleiter bei den Dresdnern hat zudem einen erwünschten Nebenaspekt im Miteinander der deutschen und tschechischen Jugendlichen ausgemacht:

„Dadurch erreichen wir auch einen Austausch der Persönlichkeiten. Weil es ja doch eine andere Mentalität gibt in Tschechien, die unseren deutschen Spielern, denke ich, ganz gut tut. Die Entwicklung, die man erkennt, jetzt schon nach der kurzen Zeit, wird damit noch ein wenig gefördert und geprägt.“

Illustrationsfoto: twicepix via Foter.com / CC BY-SA
Die jungen Tschechen erfahren, wie selbstbewusst ihre deutschen Teamkollegen bereits auftreten. Die wiederum sehen bei jedem Training, mit wieviel Hingabe und Demut die Spieler aus Ústí bei der Sache sind. Laut Jan Seifert zeigen sie ihren deutschen Mitspielern somit auf, dass man nichts geschenkt bekommt, sondern sich alles hart erarbeiten muss. Eine wichtige Erkenntnis, sagt der Akademie-Leiter. Er sieht aber auch Dynamo in einer gewissen Verantwortung:

„Dresden ist so ein Mittelpunkt, was Pegida und die ganze Ausländergeschichte betrifft. Da ist es natürlich sinnvoll, dass Dynamo Dresden als Verein, der sehr oft in der Öffentlichkeit steht – positiv wie negativ –, auch ein Zeichen setzt. Ein solches Zeichen ist unser Projekt im Jugendfußball, bei dem wir zeigen: Wir sind Willens, den Austausch und das Miteinander über Grenzen hinweg zu fördern.“

Jan Seifert: „Es ist sinnvoll, dass Dynamo Dresden als Verein, der sehr oft in der Öffentlichkeit steht, auch ein Zeichen setzt. Ein solches Zeichen ist unser Projekt im Jugendfußball, bei dem wir zeigen: Wir sind Willens, den Austausch und das Miteinander über Grenzen hinweg zu fördern.“

Dynamo Dresden und der FK Ústí nad Labem sind sich gewiss, dass sie den richtigen Weg eingeschlagen haben. Deshalb wollen sie ihr gemeinsames Projekt auch über den bisherigen Förderzeitraum fortsetzen. Der läuft noch bis 2018. Der Antrag dazu ist schon in der Schublade. Das Projekt wird aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung finanziert. Die jeweils zuständigen Ministerien in Tschechien und Sachsen helfen bei der Koordinierung, die Gelder werden von entsprechenden Banken wie der Sächsischen Aufbaubank ausbezahlt. Es ist gut investiertes Geld. Das bestätigen nicht zuletzt auch die Eltern der Jugendlichen aus Dresden und Ústí, sagt Daniel Holke:

„Die deutschen Eltern sehen das Projekt sehr positiv, vor allem weil es einen Kontakt zu anderen Nationen herstellt. Und die tschechischen Eltern finden es perfekt. Sie haben mehrfach geäußert, ihre Kinder seien bestens aufgehoben beim Training in Dresden und würden gut betreut. Zudem hätten sie Kontakt zu Gleichaltrigen in Deutschland und lernten Deutsch von Grund auf beziehungsweise noch besser als nur im Schulunterricht.“

Und sie hätten noch eine Motivation mehr, die Kultur- und Sportstadt Dresden öfter zu besuchen, schließt Jan Seifert.

Autor: Lothar Martin
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