Tschechen größere Euroskeptiker als Slowaken

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Unter den Mitteleuropäern gelten die Tschechen als größte Euroskeptiker. Aus der EU würden sie deshalb aber nicht austreten, 54 Prozent von ihnen sprachen sich in einer Umfrage für einen Verbleib in der Union aus. Weitere Details der Studie nennt Ihnen Lothar Martin.

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Das Europeum Institute for European Policy erforscht und bewertet jegliche Konzepte und Strategien, die Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung haben. Nun hat es die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, die sich mit dem Verhältnis von Europäern zur EU befasste. Dazu wurden Menschen aus fünf mitteleuropäischen Ländern dieselben Fragen gestellt. Dies waren neben den Österreichern, Ungarn und Slowenen auch die sich nahe stehenden Nationen der Tschechen und Slowaken. Und der Unterschied in der Wahrnehmung der Union ist frappierend. Im Gegensatz zu ihren ehemaligen Mitbürgern stehen die Tschechen dem „Gebilde aus Brüssel“ viel kritischer gegenüber. Für diese EU-Skepsis habe vor allem ein tschechischer Politiker gesorgt, sagt der Leiter des Lehrstuhls für Europäische Studien an der Prager Karlsuniversität, Tomáš Weiss:

Václav Klaus  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Meiner Meinung nach hat damit Václav Klaus begonnen, als er Staatspräsident war. Er suchte ein Thema, mit dem er sich profilieren konnte. Eines davon war die ständige Kritik an der Europäischen Union. Und kein anderer tschechischer Politiker war bereit und fähig, sich dagegen zu stellen und mit Klaus darüber zu debattieren.“

Die Kritik an der Europäischen Union sei damit in Tschechien zur Normalität geworden, während die Slowaken viel mehr darüber diskutieren, wie man diese Union noch verbessern könne, sagt Weiss. Wegen dieser unterschiedlichen Sichtweisen habe sich in Tschechien mittlerweile auch eine Stimmung herauskristallisiert, die das Destruktive fördere. Dazu zieht Weiss einen interessanten Vergleich:

„Weil die Ablehnung der Union in Tschechien zur Norm geworden ist, sind die EU-Kritiker auch viel stärker zu hören als die Befürworter der Mitgliedschaft. Eine ähnliche Stimmungslage haben wir in Großbritannien vor dem Referendum der Briten zum EU-Austritt erlebt. Die Verfechter des Austritts waren viel lauter, denn ihnen ist es um etwas gegangen. Das Lager der EU-Befürworter war viel zurückhaltender, denn es wollte ‚nur‘ die Beibehaltung des Status quo.“

Tomáš Weiss  (Foto: ČT24)
Wegen fehlenden Informationen oder auch bewusst zurückgehaltener Aufklärung falle es den EU-Kritikern in Tschechien auch nicht schwer, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, sagt Weiss:

„Ein großer Teil der Bevölkerung versteht einfach nicht, wie Entscheidungen in der EU gefällt werden. Deshalb ist dieser Teil auch sehr empfänglich für Behauptungen wie jene, dass in Brüssel Entscheidungen auch über die Köpfe der Tschechen hinweg getroffen werden. Das entspricht aber nicht der Realität. Denn die Union kann überhaupt nichts machen, wenn ihr die Mitgliedsstaaten nicht wenigstens vorher ihre ausdrückliche Zustimmung zu einer bestimmten Angelegenheit gegeben haben.“

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Wie die Europäische Union wirklich funktioniert und welche Vorzüge sie bietet, wissen hierzulande in erster Linie überdurchschnittlich gebildete Menschen. Sie verstehen es auch dank ihrer Sprachkenntnisse, die Freizügigkeit und andere Vorteile zu nutzen. Deshalb ist es kein Wunder, dass sich vor allem junge Menschen für den Verbleib in der EU aussprechen. Aber nicht nur sie. Überraschenderweise finden sich ebenso viele EU-Befürworter unter den älteren Bürgern, während die meisten der tschechischen Euroskeptiker in der Altersgruppe zwischen 36 und 50 Jahren stecken. Laut Tomáš Weiss aber haben sich die Slowaken noch aus einem anderen Grund schon weit mehr mit der EU angefreundet als ihre tschechischen Nachbarn:

„Die Slowakei hat es geschafft, rechtzeitig der Eurozone beizutreten. Dafür hat sie auch einiges in Kauf genommen, wie zum Beispiel den Sturz der Regierung von Iveta Radičová. Damit hat die Slowakei auf Entscheidungen in der EU einen ziemlich großen Einfluss im Vergleich zur Tschechischen Republik.“