Tschechien auf dem Weg zur Homo-Ehe

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Nach jahrelangem Tauziehen hat das tschechische Abgeordnetenhaus Mitte Dezember grünes Licht für die so genannte Homo-Ehe gegeben. Für die vier Prozent Homosexuellen in Tschechien ist die Legalisierung ihrer Lebenspartnerschaften damit erstmals in greifbare Nähe gerückt. Silja Schultheis hat sich in der Gay- und Lesbenszene nach Reaktionen auf den Gesetzentwurf umgehört.

Nicht nur prominente Gays wie der Sänger Pavel Vitek, den Sie gerade gehört haben, sind sich einig: die jüngste Abstimmung im Abgeordnetenhaus ist trotz einiger Kritik an dem Gesetzentwurf zur "Homo-Ehe" ein Schritt nach vorn. Nach jahrelangem Tauziehen haben die Parlamentarier endlich grünes Licht für ein Anliegen gegeben, für das man bereits seit mehr als 15 Jahre kämpfe, sagte im Gespräch mit Radio Prag Tereza Kodickova von der Gay- und Lesbenliga. In dem Gesetz werden vor allem praktische Aspekte des Zusammenlebens gleichgeschlechtlicher Paare definiert, wie etwa die gegenseitige Unterhaltspflicht und das Recht, den Partner zu beerben oder Informationen über seinen Gesundheitszustand zu erhalten. Zweifellos ein Fortschritt im Vergleich zur gegenwärtigen Gesetzeslage, dennoch hat der Entwurf aber auch eine Reihe von Schwachpunkten, erklärt Tereza Kodickova:

"Vor allem fehlt in dem Gesetz eine ganz praktische Festlegung, und zwar die über gemeinsames Vermögen der Partner. Und eine zweite Sache: Wenn einer der beiden Partner Ausländer ist, erleichtert ihm das Gesetz nicht das Procedere, eine Arbeits- oder Aufenthalts-genehmigung oder die tschechische Staatsbürgerschaft zu bekommen. Gemischten Paaren leistet das Gesetz also keine Hilfestellung dabei, sich in Tschechien niederzulassen. Weiter ist für uns natürlich problematisch, dass das Gesetz das rechtliche Verhältnis homosexueller Paare zu Kindern nicht definiert. Kinder in solchen Beziehungen haben im Vergleich zu Kindern aus gleichgeschlechtlichen Ehen nur sehr geringe Sicherheiten."

Eben der letzte Punkt, die Kinder-Frage, war für viele Kritiker des Gesetzes der casus knaxus. Tereza Kodickova:

"Das wissen wir mit absoluter Sicherheit. Viele Abgeordnete haben gesagt: Gut, wir stimmen für das Gesetz, aber nur unter der Bedingung, dass es homosexuellen Paaren nicht die Adoption von Kindern gestattet. Sonst wäre das Gesetz im Abgeordnetenhaus niemals durchgekommen. Außerdem ist auch die außerparlamentarische Öffentlichkeit auf diesen Schritt noch nicht vorbereitet. Die meisten Leute denken, dass hier von der Adoption irgendwelcher anonymer Kinder die Rede ist. Dabei geht es in allererster Linie um Kinder, die bereits von homosexuellen Paaren aufgezogen werden, weil sie etwa aus früheren Ehen mit in die Beziehung gebracht wurden."

Obwohl der Gesetzentwurf für viele Homosexuelle letztlich ein großer Kompromiss ist, dürfe man die psychologischen Auswirkungen des Gesetzes nicht unterschätzen, meint Tereza Kodickova:

"Ein Gesetz kann natürlich nicht die Einstellung der Menschen verändern. Aber die Tatsache, dass homosexuelle Ehen gesetzlich verankert werden, gibt denjenigen, die auf Hass und Intoleranz stoßen, ein starkes Argument in die Hand. Und es setzt ein klares Signal, dass sich die Gesellschaft gewandelt hat, was die Wahrnehmung von Homosexuellen anbelangt."

Sollte das Gesetz zur "Homo-Ehe" jetzt auch noch auch von der oberen Parlamentskammer und von Staatspräsident Klaus abgesegnet werden, wäre Tschechien das erste postkommunistische Land, in dem die Homo-Ehe gesetzlich verankert wäre. Zeichen für eine besondere Toleranz der Tschechen gegenüber Homosexuellen? Tereza Kodickova sieht die Ursachen eher darin, dass für die überwiegend atheistischen Tschechen - im Unterschied etwa zu den Polen - keine religiösen Argumente gegen das Gesetz sprechen.

Einer, den das Gesetz unmittelbar betreffen würde, ist Martin Krafl, Sprecher des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens und vormals Sprecher der Präsidialkanzlei von Vaclav Havel. Im Gespräch mit Radio Prag brachte er klar seine Freude darüber zum Ausdruck, dass das tschechische Abgeordnetenhaus eine Hürde auf dem Weg zur Homo-Ehe genommen hat.

"Für mich ist das eine wesentliche Entscheidung, die nicht nur wichtig für die Lesben und Gays bei uns ist, sondern für die ganze Gesellschaft. Ich persönlich habe die Besprechungen im Parlament seit vielen Jahren mitverfolgt und ich bin sehr froh über dieses Ergebnis."

Welches ist für Sie die wesentlichste Änderung, die das Gesetz mit sich bringt?

"Für mich ist einfach wichtig, dass das Gesetz klare Bedingungen für das Zusammenleben mit meinem Partner gibt."

Einer der Kritikpunkte, die seitens der Betroffenen oft zu hören waren, war die Tatsache, dass homosexuelle Paare keine Kinder adoptieren dürfen.

"Für mich ist das kein Problem. Ich verstehe natürlich die Stimmen, die dafür sind, aber für mich persönlich spielt das keine Rolle, ich habe keine entsprechenden Pläne."

Haben Sie andere Kritikpunkte, ist der Gesetzentwurf für Sie auch in gewisser Hinsicht ein Kompromiss, hätten Sie sich noch mehr erhofft?

"Es war sicher ein Kompromiss. Aber ich würde sagen, dass auch ein Kompromiss akzeptabel ist und da sehe ich einfach einen Schritt nach vorn."

Ist das Abstimmungsergebnis im Abgeordnetenhaus für Sie auch Ausdruck für eine veränderte Haltung der tschechischen Gesellschaft gegenüber Homosexuellen?

"Sicher. Und ich kann das auch beurteilen, weil ich das einfach in meinem Leben und auch in meiner Arbeit fühle. Ich habe über meine sexuelle Orientierung öffentlich im Jahr 2000 gesprochen und damals waren viele Leute noch schockiert, wenn man gesagt hat, dass man gay ist. Aber heute spielt das bei Kollegen und Freunden zwar nicht keine Rolle, aber sicherlich keine wesentliche."

Gibt es trotzdem Situationen, in denen Sie sich diskriminiert fühlen?

"Mir ist es schon ein paar Mal in meiner Karriere passiert, dass man mir sagte, ich sei professionell zwar begabt, aber meine sexuelle Orientierung könnte ein Problem sein."

Sollte das Gesetz verabschiedet werden, wäre Tschechien das erste postkommunistische Land, in dem die so genannte Homo-Ehe gesetzlich verankert wäre. Sind die Tschechen im Vergleich zu anderen Mittel- und Osteuropäern toleranter?

"Es sieht so aus."

Kann man eine tolerantere Einstellung per Gesetz erreichen?

"Sicher nicht. Aber das Gesetz ist schon eine Konfrontation für die Öffentlichkeit: Man muss über dieses Thema sprechen und darüber nachdenken und das finde ich wichtig."

Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass das Gesetz jetzt auch tatsächlich verabschiedet wird?

"Ich hoffe natürlich, dass alles gut geht und auch der Senat und der Präsident ihre Zustimmung zu dem Gesetz geben."

Sie hoffen einfach?

"Ich hoffe einfach."

Herr Krafl, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.