Gleiches Geschlecht, (noch) ungleiches Recht: Tschechien vor Gesetz zur registrierten Partnerschaft
"Das war 2005!" Die letzten Tage erfreuten uns die Medien wieder mit Jahresrückblicken. Ein Thema scheint allerdings nicht auf, obwohl es für hitzige Diskussionen gesorgt hat: die Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. In fünf europäischen Ländern wurde sie im Jahr 2005 gesetzlich legitimiert, in Tschechien hat ein entsprechender Gesetzesantrag knapp vor Weihnachten die erste Instanz durchlaufen. Sandra Dudek hat sich über die rechtliche Situation der Homosexuellen in Tschechien und anderen EU-Ländern informiert:
Vergangene Weihnachten konnten sich der britische Popstar Elton John und sein langjähriger Freund David Furnish etwas schenken, das sie noch nicht hatten, und zwar das gegenseitige "Ja-Wort". Wie rund 700 andere homosexuelle Paare in England und Wales, haben auch sie am 21. Dezember, dem ersten Geltungstag des neuen Rechts, den Bund fürs Leben geschlossen. Von "Hochzeit" ist im britischen Gesetzestext freilich nicht die Rede, doch die so genannte "zivile Partnerschaft" gibt homosexuellen Paaren praktisch den gleichen Status wie Eheleuten. Dies gilt unter anderem für Erbschaften, Steuern, die Rente oder die Kindeserziehung. Auch für die Homosexuellen in der Tschechischen Republik bedeutete die Vorweihnachtszeit nicht nur eine Rückbesinnung auf Traditionen, sondern gleichzeitig einen Schritt in die - möglicherweise schon bald gemeinsame - Zukunft: Am 16. Dezember 2005 hat das tschechische Abgeordnetenhaus den Gesetzesantrag zur registrierten Partnerschaft verabschiedet. Dazu Slavomir Goga, Sprecher der tschechischen Schwulen- und Lesbenvereinigung:
"Jetzt ist uns wirklich ein historischer Sieg gelungen, dass das Gesetz im Abgeordnetenhaus bis zur dritten Lesung gekommen ist, in der dritten Lesung auch angenommen worden ist und nun in den Senat kommt. Die vorangegangenen vier Anträge, die im Parlament verhandelt worden sind, sind entweder in der ersten, zweiten oder dritten Lesung gescheitert."
Nimmt der Senat den Gesetzesantrag an, muss er noch vom tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus unterschrieben werden. Sowohl der Senat als auch der Präsident haben jedoch das Recht auf ein Veto. Wird davon Gebrauch gemacht, geht der Antrag zurück ins Parlament, wo die Abgeordneten das Veto überstimmen können. Dafür allerdings würden die Pro-Stimmen vermutlich nicht ausreichen, meint Slavomir Goga. Die christdemokratische Partei KDU-CSL beispielsweise würde vermutlich auch bei einem wiederholten Gesetzesantrag geschlossen mit "Nein" votieren, denn, so der KDU-CSL-Abgeordnete Josef Janecek:
"Das Problem liegt nicht darin, dass wir dagegen sind, sondern dass wir den Gesetzesentwurf für überflüssig halten, da alle diese Dinge zum Beispiel auf Grund des Bürgerrechts geregelt werden können, auf Basis von Verträgen zwischen zwei Individuen."
Was Elton John und sein nun auch gesetzlich anerkannter Partner vermutlich nicht brauchen, ist für viele homosexuelle - wie auch für heterosexuelle - Paare oft ein guter Grund zur Eheschließung: der rechtliche Schutz ihrer Partnerschaft und die damit verbundene rechtliche Absicherung. Diese sei allerdings, so Slavomir Goga von der tschechischen Schwulen- und Lesbenvereinigung, nicht so einfach per Vertrag zu regeln:
"Sehr oft tauchen diese Argumente auf, dass gleichgeschlechtliche Paare das Zusammenleben ohne ein eigenes Gesetz regeln können, aber dem ist nicht so. Man könnte die Punkte regeln, die das Privatrecht betreffen, d.h., dass sich die Partner gegenseitig eine Vollmacht erteilen, dass sie sich in verschiedenen Angelegenheiten vertreten können. Dort, wo aber das öffentliche Recht in den Vordergrund tritt, wie zum Beispiel in der Frage der Erbschaft oder des Strafrechts, kann faktisch nichts vertraglich geregelt werden und dort ist eine Novellierung des Gesetzes notwendig."
In Bezug auf das Erbrecht könne zwar ein Testament verfasst werden, dass vor das Gesetz gehe, so Goga, aber die wenigsten würden dies machen. Im Todesfall des Partners müssten sie dann vor Gericht beweisen, dass sie mehr als ein Jahr im gemeinsamen Haushalt gelebt haben. Im Strafrecht gibt es eine Reihe von Punkten, die nicht vertraglich geregelt werden können und daher nicht registrierte gleichgeschlechtliche Partner deutlich benachteiligen. Dazu gehören beispielsweise die Ablehnung einer Aussage vor Gericht, sofern sie dem Partner schaden könnte oder die Wahl eines Verteidigers für den Partner, wenn dieser selbst nicht in der Lage dazu ist. Dasselbe gilt auch für Bestimmungen im Arbeitsrecht: Wenn zum Beispiel jemand ins Ausland versetzt werden soll, hat er nicht das Recht, dies aus dem Grund abzulehnen, weil er oder sie von seinem Partner oder ihrer Partnerin getrennt leben müsste, währenddessen Eheleute sehr wohl dazu berechtigt sind. Unter anderem diese Punkte stehen im Gesetzesantrag zur registrierten Partnerschaft, einige weitere wurden erst gar nicht aufgenommen, da sie aus politischen Gründen ohnehin nicht durchgehen würden, wie Slavomir Goga weiter ausführt:
"Das sind viele Dinge, die das Eigentum betreffen, wie beispielsweise ein gemeinsames Vermögen, das per Gesetz zwar Eheleuten, aber nicht gleichgeschlechtlichen Partnern ermöglicht wird, die Witwen- und Witwerpension, wenn ein Partner stirbt, erhält der andere vom Staat kein Geld, Begünstigungen bei gemeinsamer Versteuerung werden bisher genauso wenig berücksichtigt wie eine Vereinfachung im Prozess der Erlangung einer Staatsbürgerschaft. Bei einer Heirat hat ein Ehepartner aus dem Ausland von Gesetzes wegen Vorteile beim Ansuchen um die tschechische Staatsbürgerschaft. Das Gesetz zur registrierten Partnerschaft ermöglicht dies aber nicht."
Gerade die Staatsbürgerschaft sei ein großes Problem und diesen Punkt, wie auch andere, hätte die tschechische Schwulen- und Lesbenvereinigung gerne im Gesetz verankert gesehen. Im Vergleich zu den alten EU-Ländern nämlich ist der tschechische Gesetzesantrag relativ dünn, was die Rechte von heiratswilligen Homosexuellen betrifft. In den meisten alten EU-Ländern wurden bereits seit Ende der 80er Jahre registrierte Partnerschaften per Gesetz möglich gemacht. Vorreiter waren in dieser Frage die Dänen, die 1989 als ester EU-Staat ein entsprechendes Gesetz erlassen haben. Am fortschrittlichsten sind heute die Niederlande, Spanien und Belgien, wo gleichgeschlechtliche Paare eine Zivilehe eingehen können, in den Niederlanden und in Spanien ist damit auch das Recht auf Adoption eingeschlossen. In manchen Ländern, wie beispielsweise in Österreich, Portugal oder Ungarn, gibt es zwar keine Registrierung, aber wenn Homosexuelle eine bestimmte Zeit im gemeinsamen Haushalt leben, bekommen sie gewisse Rechte. Keine Regelungen haben Irland und Griechenland. Von den neuen EU-Mitgliedsländern hat bisher lediglich Slowenien ein eigenes Gesetz zur registrierten Partnerschaft, das mit jenem der Tschechischen Republik vergleichbar sei, meint Slavomir Goga:
"Wenn wir uns nicht mit Westeuropa, sondern mit Osteuropa vergleichen, das 45 Jahre unter kommunistischem Regime war und wo man über diese Problematik entweder gar nicht und wenn, dann ziemlich schlecht gesprochen hat, dann liegen wir gemeinsam mit Slowenien an erster Stelle. Die anderen Länder sind noch schlechter dran, zum Beispiel Lettland. Dort bemüht man sich jetzt um eine Reform der Verfassung, in der ausdrücklich festgeschrieben ist, dass eine Ehe ausschließlich zwischen Mann und Frau geschlossen werden kann."
Diesbezüglich sind die Tschechinnen und Tschechen allerdings ganz anderer Meinung: Laut einer im Oktober durchgeführten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts CVVM haben sich mehr als 40 Prozent der tschechischen Befragten für eine Eheschließung zwischen Homosexuellen - und damit rund doppelt so viele wie in Polen, Ungarn und der Slowakei - ausgesprochen. Dazu Marketa Skodova vom CVVM:
"Aus der Analyse geht hervor, dass die tschechischen Befragten dem Recht der Homosexuellen auf eine Eheschließung gegenüber eher aufgeschlossen sind als die Befragten aus den anderen Staaten. 42 Prozent der Tschechen sagten, dass Homosexuelle dieses Recht haben sollten. Einer registrierten Partnerschaft haben sogar 62 Prozent der Tschechen zugestimmt. In Polen waren es 42, in Ungarn 36 und in der Slowakei 39 Prozent der Befragten."
Nicht nur aufgrund dieser Daten ist Slavomir Goga zuversichtlich, dass das Gesetz zur registrierten Partnerschaft in der Tschechischen Republik verabschiedet werden wird, wenn vorerst sicherlich mit Abstrichen. Doch auch das, so Goga, ließe sich dann beizeiten ändern:
"Es ist natürlich schwierig, aber jedes Gesetz kann in Zukunft novelliert werden und die Praxis zeigt, dass das Gesetz hier seinen Platz hat und dass, wenn einige Punkte veraltet sind oder nicht funktionieren, eben geändert werden müssen. Und letzten Endes, in den Ländern, in denen die Partnerschaft durch Gesetze geregelt ist, die mehr Rechte und Pflichten umfassen, sind alle diese Punkte vorhanden und es funktioniert."
Bis es aber so weit ist, muss das Gesetz zur registrierten Partnerschaft zuerst einmal verabschiedet werden. Und dann blebt noch die Frage offen, ob sich auch tschechische Homosexuelle schon kommende Weihnachten das "Ja-Wort" schenken können.
Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union:
www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union
www.euroskop.cz
www.evropska-unie.cz/eng/
www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online
www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt