Tschechien fordert die Freilassung von Nawalny
Der russische Kreml-Kritiker Alexej Nawalny ist am Dienstag von einem Moskauer Gericht zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Die Strafe soll er den Richtern zufolge in einer Strafkolonie ableisten. Zugleich hat die Polizei in mehreren Städten Russlands erneut mit Gewalt gegen Pro-Nawalny-Demonstranten durchgegriffen. Wir fassen die Reaktionen in Tschechien zusammen.
Das Urteil gegen Nawalny sowie das brutale Vorgehen der russischen Polizisten gegen die Demonstranten hat weltweit zu Empörung geführt. Unter anderem riefen Deutschland, Frankreich, Großbritannien sowie die USA den Kreml zur Freilassung des Kritikers auf. Litauen und Lettland wollen, dass die EU weitere Sanktionen gegen Russland verhängt. Auch Tschechien fordert eine unverzügliche Freilassung von Nawalny. Außenminister Tomáš Petříček bezeichnete das Gerichtsverfahren gegen den russischen Oppositionspolitiker als konstruiert. Das Ziel sei, die russische Opposition mundtot zu machen, so der Sozialdemokrat:
„In den vergangenen Wochen haben wir vor allem darüber diskutiert, ob sich jene Personen auf Sanktionslisten setzen ließen, die hinter den politischen Gerichtsverfahren stehen. In Russland ist mittlerweile der Rechtsstaat stark gefährdet. Und dies könnte eine Reaktion auf die Festnahme und den unfairen Prozess gegen Alexej Nawalny sein sowie auf die Art, wie die Demonstrationen unterdrückt wurden, und auf die vielen Verhafteten.“
Die Zahl der festgenommenen Demonstranten lag am Dienstag nach Schätzungen bei 1400. Insgesamt sind bei Protesten bereits rund 10.000 Nawalny-Anhänger in Gewahrsam genommen worden.
Der in Moskau lebende tschechische Publizist Jiří Just findet, dass der Fall Nawalny in den Beziehungen der EU zu Russland eine Rolle spielen sollte. Am Mittwoch sagte Just in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Die Menschenrechte sind das wichtigste Fundament der europäischen und damit auch der tschechischen Politik. Darum sollte der Fall von Alexej Nawalny mit unseren Beziehungen zu Russland verknüpft werden.“
Am Donnerstag reist der EU-Außenbeauftragte Josep Borell nach Moskau. Er nannte das Urteil gegen Nawalny einen Verstoß Russlands gegen seine Verpflichtungen. Jiří Just meint, von Borells Visite dürfe man nichts Grundlegendes erwarten.
„Denn die gegenseitigen Beziehungen zwischen der EU und Russland sind am Nullpunkt. Führende EU-Politiker reisen nicht oft nach Moskau. Wichtig ist, dass Brüssel auf seiner Haltung besteht und sein Missfallen darüber ausdrückt, was in Russland passiert. Denn Russland gehört zu unserem Kulturraum und hat eine Reihe von Abkommen über die Einhaltung der Menschenrechte unterzeichnet. Darauf muss die EU aufmerksam machen. Wenn Russland an besseren gemeinsamen Beziehungen interessiert wäre, würde dies auch die dortige Menschenrechtslage verbessern.“
Jaroslav Bašta war tschechischer Botschafter in Russland und der Ukraine. Der frühere Sozialdemokrat zeigte sich skeptisch, was den Druck der EU auf Russland anbelangt.
„Ich befürchte, dass das Resultat trotz des Appells der EU an Russland nicht sehr überzeugend sein wird. Brüssel wartet auf das Ergebnis von Borells Besuch in Moskau, darum wurde bisher noch nicht über Sanktionen gesprochen. Ich beobachte das Geschehen in Russland schon lange. Der Fall von Nawalny erinnert mich an jenen Fall Chodorkowski. Bei ihm wurde neun Jahre lang an den Kreml appelliert.“
Bei den möglichen Sanktionen gegen Russland glaubt der Journalist Just, dass diese eher eine psychologische Wirkung hätten.
„Russland gefällt nicht, dass es international zu einem Abtrünnigen wird, das niemand mit ihm sprechen will. Russland sieht sich selbst als eine Großmacht, die ernst genommen werden sollte und eine entscheidende Stimme hat. Mit den Sanktionen wird es an den Rand des internationalen Geschehens gedrängt. Darum haben diese eher einen psychologischen Einfluss.“
Dem Ex-Diplomaten Jaroslav Bašta zufolge wird in Russland die Atmosphäre einer belagerten Festung geschaffen, um das Regime aufrechtzuerhalten.
„Die Sanktionen werden in der russischen Innenpolitik so gedeutet, dass gesagt wird: ‚Schaut, was die mit uns machen!‘ Und außenpolitisch haben sich in den letzten Jahren Russland und China einander angenähert. Das halte ich für verheerend für Europa, für die Beziehungen mit den USA und schließlich auch für Russland.“