In Tschechien ist das erste Buch über die RAF erschienen
In Deutschland ist die RAF wegen der Haftentlassung ehemaliger Mitglieder zur Zeit ein Thema, das durch die Medien geht. In Tschechien ist diese Gruppe hingegen nur wenig bekannt. Die Journalistin und Publizistin Sarka Dankova hat über die RAF ein Buch geschrieben, das gerade veröffentlicht wurde. Sarka Dankova hat jahrelang für den Tschechischen Rundfunk gearbeitet und ist heute Redakteurin der Tageszeitung "Lidove noviny", bei der sie sich auf Deutschland spezialisiert hat. Mit Sarka Dankova sprach Andreas Wiedemann
Wie kommt jemand in Tschechien auf die Idee, sich mit der RAF zu beschäftigen?
"Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich von der RAF gehört, als ich zwanzig Jahre alt war und an der Universität in Prag studiert habe. Ich war total paff und habe mich gefragt: Wie kann es sein, dass ich erst jetzt mit zwanzig Jahren zum ersten Mal von so einer Gruppe höre? Dann habe ich angefangen, mich ein bisschen mit dem Thema zu beschäftigen. Auf Tschechisch gab es natürlich keine Quellen und kein Buch dazu und auch nicht viele Artikel. Dann kam die zweite Frage für mich: Wie kann es sein, dass es in Deutschland Menschen gab, die so zwischen 20, 30 und 35 Jahre alt waren und gegen Amerika, gegen Kapitalismus und Imperialismus gekämpft haben und für Sozialismus und Kommunismus waren, während nur ein paar Hundert Kilometer östlich, hinter dem Eisernen Vorhang, Leute in demselben Alter eigentlich fast das Gegenteil wollten: Amerika war ein Vorbild und sie waren sicherlich eher gegen den Kommunismus. Diese Diskrepanz hat mich fasziniert."
Wie war eigentlich der Blick der tschechoslowakischen Kommunisten auf die RAF, wenn man das mit der DDR vergleicht?
"Die RAF war für die tschechischen Kommunisten sehr problematisch, das war ein heikles Thema. Die ostdeutschen Kommunisten haben die RAF ideologisch, logistisch und finanziell unterstützt, das wissen wir alles, aber die Tschechen und die Slowaken wollten damit eigentlich gar nichts zu tun haben. Eine Gruppe von Terroristen wurde in Prag verhaftet und die wurde sofort an die ostdeutschen Genossen ausgeliefert. Man kann sagen, dass die Tschechen das gar nicht begrüßt haben. Die haben die RAF eher angeprangert. Ich habe das offizielle kommunistische Blatt, das "Rude Pravo", aus dem Herbst 1977 gelesen. Dort ist sehr wenig über die RAF zu erfahren. Und wenn etwas über die RAF geschrieben wurde, dann war von anarchistischen Terroristen die Rede. Diese würden angeblich die Idee des Kommunismus missbrauchen."
Wie ist das eigentlich heute in der Tschechischen Republik? Ist die RAF ein Begriff, ist bekannt, was die RAF war und was sie getan hat?
"Ich denke, dass sie immer noch ziemlich unbekannt ist. Viele Leute, die den Begriff RAF hören, denken eher an die Royal Air Force, auch Historiker. Und mein Buch ist das erste tschechische Buch überhaupt zu der Thematik. Deswegen, denke ich, ist es so wichtig und ich hoffe, es kommen andere tschechische Historiker, die das Thema vielleicht besser und gründlicher bearbeiten. Das Buch ist jetzt erstmal eine Grundlage, einfach eine Chronologie dieser Bewegung, dieser Gruppe, weil man in Tschechien heutzutage eigentlich immer noch sehr wenig darüber weiß."