Extremismus in Tschechien: Corona-Politik war 2021 zentrales Thema in Hasskommentaren

Die Zielrichtung extremistischer Äußerungen in der tschechischen Gesellschaft verändert sich. Im vergangenen Jahr betrafen diese nicht mehr so häufig Minderheiten oder Migranten wie zuvor. Dies geht aus dem neuen Extremismusbericht hervor, den das Innenministerium in der vergangenen Woche vorgelegt hat.

Illustrationsfoto: René Volfík,  Tschechischer Rundfunk

2021 gab es in Tschechien etwa 20 Prozent weniger Straftaten mit extremistischem Hintergrund als noch im Jahr zuvor. Insgesamt 108 solcher Fälle beschäftigten die Polizei. Die meisten davon, nämlich 37, waren antisemitisch motiviert. An zweiter Stelle lagen Angriffe auf Roma, ihre Zahl stieg im Jahresvergleich von 19 auf 33 an.

Bei Hassäußerungen und Protestaktivitäten stand im vergangenen Jahr aber ein neues Thema im Mittelpunkt, und das war die Corona-Politik. Laut Innenministerium haben sich patriotisch orientierte Gruppierungen durchweg kritisch zu den Pandemiemaßnahmen positioniert und sich nicht selten auch der Protestbewegung angeschlossen. Bei einigen Vertretern sei eine deutliche Radikalisierung zu beobachten gewesen, die sich nicht nur gegen Politiker, sondern neu auch gegen impfende Ärzte richtete, so der aktuelle Extremismusbericht.

Miroslav Mareš | Foto:  Archiv von Miroslav Mareš

Miroslav Mareš glaubt aber nicht, dass die Pandemie traditionelle Extremisten hierzulande in den Hintergrund gedrängt habe. Der Politologe an der Masaryk-Universität Brno / Brünn sagte dazu in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

„Vielmehr haben diese Leute begonnen, sich mit dem Thema Pandemie zu beschäftigen. Einige Hassäußerungen oder Straftaten, die gegen Polizei und Staat gerichtet waren, geschahen aus dem Protest gegen die Corona-Maßnahmen heraus. Beteiligt waren sowohl traditionelle Extremisten als auch Vertreter neu gegründeter Gruppierungen.“

Die Mehrheit der Hassäußerungen geschah im virtuellen Raum. Einige strafrelevante Fälle konnten auch 2021 geahndet werden. Extremismusexperte Mareš schränkt aber ein:

Illustrationsfoto: Gerd Altmann,  Pixabay,  Pixabay License

„Die Zahl solcher Äußerungen ist allerdings sehr hoch, und manchmal sind sie nicht sofort als Straftat erkennbar. Ein Problem ist zudem, dass die Seitenbetreiber nicht immer kooperieren. Immerhin hat sich in den vergangenen Jahren aber die Zusammenarbeit mit Facebook verbessert.“

Die Corona-Pandemie ist inzwischen aus der öffentlichen Diskussion in Tschechien fast verschwunden. Für Populisten und Extremisten ist nun der Krieg in der Ukraine zu einem zentralen Thema geworden. Dies hat sich laut Mareš im vergangenen Jahr bereits angedeutet…

Illustrationsfoto: Shea Huening,  Flickr,  CC BY-ND 2.0 DEED

„Ein Teil der extremistischen Szene ging damals bereits dazu über, seine Sympathie für Putin-Russland auszudrücken. Es gab aber auch andere Tendenzen, in denen sich einige Szenevertreter etwa gegen einen Krieg positionierten oder sich auf die Seite der Ukraine stellten. Der große Teil der Gruppierungen, die sich durch einen deutlichen Widerstand gegen die Corona-Maßnahmen hervorgetan haben, hat sich jedoch sehr schnell in das Lager der Kreml-Unterstützer eingefügt.“

Als „sehr unkritisch“ gegenüber dem Regime in Russland bezeichnet der aktuelle Extremismusbericht zudem sogenannte orthodoxe Kommunisten. Ihr Einfluss auf das öffentliche Leben im Land wurde aber als gering eingeschätzt – zumal nach dem Misserfolg der Kommunistischen Partei bei den Parlamentswahlen im Oktober. Das gleiche gilt für die extreme Linke und Anarchisten. Auf der anderen Seite des Spektrums würden auch die Neonazis nur eine relativ isolierte Gruppe bilden, so der Bericht weiter.

Flüchtlinge aus der Ukraine | Foto: Vít Šimánek,  ČTK

Politologe Mareš führt an, dass derzeit die Hassäußerungen gegenüber ukrainischen Geflüchteten zunehmen. Dies ließe sich allerdings nicht mit der Diskussion um muslimische Migranten 2015 vergleichen. Die Mehrheit der tschechischen Gesellschaft sei aktuell immer noch bereit, den Geflüchteten zu helfen, betont Mareš und ergänzt:

„Gleichzeitig ist aber eine klar negative Einstellung gegenüber den ukrainischen Roma erkennbar. Diesbezügliche Ausfälle sind bisher jedoch nicht so scharf, wie es die massenhafte und pauschalisierende Ablehnung von Migranten in den sozialen Netzwerken während der Krise 2015 und 2016 war.“

SPD | Foto: ČT24

Was extremistische Tendenzen in den parlamentarischen Kräften Tschechiens angeht, führt der Bericht des Innenministeriums die Oppositions- und Rechtsaußenpartei Freiheit und direkte Demokratie (Svoboda a přímá demokracie, SPD) von Tomio Okamura auf. Im vergangenen Jahr habe sie allerdings auf eine gemäßigtere Kampagnenführung gesetzt, so die Einschätzung der Experten.