Tschechien stellt nur einen Olympiasieger in Athen

Zehnkämpfer Roman Sebrle, links (Foto: CTK)

Im heutigen Sportreport unternimmt Lothar Martin eine Nachbetrachtung zu den Olympischen Spielen in Athen, und zwar ganz aus tschechischer Sicht.

Zehnkämpfer Roman Sebrle,  links  (Foto: CTK)
Die XXVIII. Olympischen Sommerspiele von Athen sind bereits schon wieder Geschichte. Es waren tolle Spiele, die allen Unkenrufen zum Trotz von den gastgebenden Griechen sehr gut vorbereitet und durchorganisiert waren. Die aufwändigsten und mit 1,2 Milliarden Euro teuersten Sicherheitsmaßnahmen in der Sport-Geschichte sorgten überdies für gewohnt friedliche Spiele. Sie wurden geprägt von bemerkenswerten Leistungen, aber auch überschattet von mehr als zwei Dutzend Dopingfällen. Alles in allem aber überwog das Positive bei den Wettkämpfen in den 301 Disziplinen, aus denen die Vereinigten Staaten mit 35 x Gold, 39 x Silber und 29 x Bronze als erfolgreichste Sportnation hervorgingen. Unter den 202 Teilnehmerländern war auch die Tschechische Republik vertreten, und zwar mit der Rekordanzahl von 142 Sportlerinnen und Sportlern. Heraus sprang am Ende jedoch kein ebenso positives Rekordergebnis, sondern eher das Gegenteil. Nach viermal Gold 1996 in Atlanta und zwei Olympiasiegen vor vier Jahren in Sydney war es diesmal allein dem Leichtathleten Roman Sebrle vorbehalten, dass nach seinem Triumph im Zehnkampf der Männer zumindest einmal die tschechische Hymne gespielt und die rot-blau-weiße Flagge gehisst wurde. Lenka Hyková im Pistolenschießen, Lenka Smídová im Segeln und der Doppelvierer der Männer im Rudern holten Silber, während Katerina Kurková im Luftgewehrschießen, Jaroslav Bába im Hochsprung, Libor Capalini im Modernen Fünfkampf und das Zweier-Canadier-Duo Ondrej Stepánek/Jaroslav Volf im Kanuslalom insgesamt viermal Bronze beisteuerten. Mit dieser Bilanz landete Tschechien in der Medaillenwertung am Ende jedoch nur auf dem ernüchternden 42. Platz. Angesichts der Tatsache, dass Athen für einstige Erfolgsgaranten wie Kanuspezialistin Stepánka Hilgertová, Speerwerfer Jan Zelezný oder Zehnkämpfer Tomás Dvorák die wohl letzte Olympiade gewesen ist, sehen auch die Zukunftsaussichten des tschechischen Spitzensports derzeit nicht besonders rosig aus. Aber hinterfragen wir vielmehr noch einmal die eben erst abgeschlossene olympische Gegenwart.

Der moderne Fünfkämpfer Libor Capalini  (Foto: CTK)
Der achte und abschließende Medaillengewinner der tschechischen Equipe war der moderne Fünfkämpfer Libor Capalini. Lange hatte er trotz mehrfach guter Leistungen bei Welt- und Europameisterschaften auf einen Erfolg bei Olympia warten müssen, und auch in Athen sah es nach den ersten beiden Disziplinen - Schießen und Fechten - alles andere als hoffnungsvoll für ihn aus:

"Ich war mit dem Schießen nicht ganz so unzufrieden, wie der erste Blick auf das Ergebnis vermuten ließe. Das Problem war vor allem das Fechten. Nach dem Schießen hätte ich nämlich in dieser Disziplin ein besseres Ergebnis gebraucht, und um ehrlich zu sein, nach dem Fechten dachte ich schon, alles ist verloren."

War es aber nicht. Nach vier Disziplinen hatte sich Capalini schon auf Rang fünf vorgearbeitet und im abschließenden Geländelauf noch die Bronzemedaille gesichert. Mit dieser Plakette hätte sich liebend gern auch der zweifache Olympiasieger von Atlanta, der Rennkanute Martin Doktor geschmückt. Doch das Edelmetall hing ein kleines Stück zu hoch für den ehrgeizigen Stechpaddler im Einer-Canadier. Über die 1000- bzw. 500-m-Strecke kam Doktor diesmal nicht über die Plätze vier und fünf hinaus. Resultate, die er so kommentierte:

"Ich muss sagen, dass ich nicht vollkommen unzufrieden bin. Auf der anderen Seite bin ich aber auch nicht überaus glücklich. Das ist Sport, das lässt sich halt nicht ändern. Ich habe gegeben, was ich konnte und ich denke, dass ich heute keine großen Fehler gemacht habe. Das war halt alles, was ich drauf hatte."

Ja, vierte und fünfte Plätze belegten tschechische Athleten in Athen gleich vier bzw. sieben Mal. Das seien Platzierungen, die in der Gesamtbewertung auch ihren Niederschlag finden müssten, sagte der Chef des Tschechischen Olympischen Komitees (COV), Milan Jirásek. Einen solch guten fünften Rang erkämpften auch die Basketball-Spielerinnen, die als einziges Kollektiv die Tschechische Republik in den Mannschaftssportarten vertraten. Diese Platzierung wird daher von der Ältesten im Team, der 34-jährigen Romana Hamzová, auch ziemlich hoch eingestuft:

Speerwerfer Jan Zelezny  (Foto: CTK)
"Ich denke, das ist ein großer Erfolg. Es wird schwer werden, ihn zu wiederholen. Denn dieser fünfte Platz ist realistisch gesehen das Maximum, da wir gegenwärtig an das Leistungsvermögen der ersten Vier nicht heranreichen. Wir haben momentan einfach nicht die Basis dafür, um ganz vorn mitmischen zu können. Vielleicht hilft das Ergebnis aber, dass zukünftig mehr Mädchen bei uns Basketball spielen werden und die Basis dadurch größer wird, so dass man daraus auch viel besser schöpfen kann."

Trotz seines Misserfolgs, des nur neunten Platzes in "seiner" Disziplin, dem Speerwerfen der Männer, hat Jan Zelezný nahezu seine gesamte Sportlerkarriere lang ebenso geschöpft - nämlich vom Ruhm des mehrfachen Olympiasiegers. Deshalb nahm der 38-Jährige seinen Abgang von der olympischen Bühne nicht nur zum Anlass, seine Leistung kritisch zu beurteilen, sondern auch den Griechen für vieles Dank zu sagen:

"Das Ergebnis von Athen ist ganz einfach mein Problem, denn für meine fehlerhafte Leistung bin ich selbst verantwortlich. Mein Dank aber gilt den Griechen, und eigentlich dank Athen bin ich so populär geworden. Bei den Spielen ist es mir gelungen, drei Olympiasiege zu erringen, also kann ich mich nicht beschweren. Im Gegenteil, ich werde die Spiele niemals vergessen."

Das Gefühl, ein frischgebackener Olympiasieger zu sein, konnte aus tschechischer Sicht wie bereits erwähnt nur einer genießen: der Zehnkämpfer Roman Sebrle. Daher gebührt dem 29-jährigen Sportsoldaten des Prager Sportclubs Dukla an dieser Stelle auch unser olympisches Schlusswort. Auf die Frage, ob dieses Glücksgefühl sich mit dem bei seinen vorangegangenen Erfolgen vergleichen lasse, antwortete Sebrle:

"Also selbstverständlich lässt sich das mit nichts von all dem zuvor Erreichten vergleichen. Der Olympiasieg ist das absolut Größte und ich denke, was die Gefühle eines Zehnkämpfers betrifft, so gibt es nichts, was noch darüber stünde!"

Olympische Spiele,  die Abschlußzeremonie  (Foto: CTK)
Während der Olympischen Spiele von Athen, die uns 17 Tage lang in ihren Bann gefesselt haben, sind jedoch auch andere sportliche Wettkämpfe ausgetragen worden. Zum Beispiel die Fußball-Qualifikationsspiele für das Erreichen der begehrtesten europäischen Wettbewerbe - der Champions League und des UEFA-Cups. Von den fünf bis zuletzt noch im Rennen befindlichen tschechischen Teams konnten sich drei für eine der beiden Konkurrenzen qualifizieren: Sparta Prag für die Champions League sowie Baník Ostrava und Sigma Olomouc für den UEFA-Cup. Kläglich gescheitert ist dagegen der Traditionsclub Slavia Prag, der im georgischen Tbilissi/Tiflis die Segel streichen musste. Team Nummer fünf war der FC Slovan Liberec, der innerhalb eines Jahres schon zum zweiten Male dem FC Schalke 04 im so genannten UI-Cup gegenüberstand. Diesmal allerdings in einem der drei Finalduelle dieses Wettbewerbs. Wie im Vorjahr zogen die Nordböhmen jedoch erneut den Kürzeren gegen die "Knappen", auch wenn sie wieder ritterlich dagegen hielten. Schalke-Trainer Jupp Heynckes wusste jedenfalls nicht nur die Leistung seiner Mannschaft hervorzuheben:

"Ja, das ist richtig, dass wir unter Druck geraten sind. Aber wenn man so ein bisschen von der Psychologie des Fußballs versteht, dann weiß man ganz genau, dass eine Mannschaft, die nur einen Treffer erzielen muss, natürlich alles daransetzt, um diesen Treffer zu erzielen. Diese Mannschaft wächst oft über sich hinaus, und das hat Liberec heute in der zweiten Halbzeit auch gemacht. Slovan Liberec hat eine gute Moral bewiesen und sie haben ja auch eine gute Mannschaft. Wir hingegen haben es versäumt, in der ersten Halbzeit mehr die Tiefe zu suchen und auf das wichtige Auswärtstor hinzuarbeiten. Das wäre dann in der zweiten Halbzeit beinahe ins Auge gegangen. Aber durch die hervorragende Leistung unseres Torhüters Frank Rost und natürlich auch durch das Tor von Ailton sind wir, so glaube ich, zu Recht in den UEFA-Cup eingezogen. Denn wir haben in dieser Saison sechs Spiele im UI-Cup absolviert und dabei sechs Siege errungen. Damit haben wir uns zum zweiten Male hintereinander - im Vorjahr und jetzt - für diesen Wettbewerb qualifiziert. Und das ist schon bemerkenswert."