SPORT-Jahresrückblick: Janda zweimal auf dem Gipfel - Fußballer enttäuschten bei WM

Jakub Janda

Das Jahr 2006 neigt sich dem Ende zu. Zeit zum Bilanzieren also. Und daher lassen wir im Folgenden noch einmal einige der Tops und Flops des tschechischen Sports in einem Jahresrückblick Revue passieren.

Jakub Janda
Das Sportjahr 2006 hielt wie kaum ein anderes in der letzten Zeit im stetigen Wechsel tolle Siege und bittere Niederlagen für die tschechischen Athleten bereit. Denn es war das Jahr zweier großer Topveranstaltungen - der Olympischen Winterspiele in Turin und der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland. Mit diesen beiden Events werden wir uns allerdings erst in unserem Jahresrückblick am 1. Januar 2007 befassen. Ganz einfach deshalb, weil auch darüber hinaus noch viele andere Schlagzeilen geschrieben worden. Zum Beispiel gleich zu Jahresbeginn von der 54. Vierschanzentournee im Skispringen, wo sich der 27-jährige Jakub Janda und der Finne Janne Ahonen ein wahres Herzschlagfinale um den Tourneesieg geliefert haben. Mit dem Ergebnis, dass beide ex aequo auf dem ersten Platz landeten, was Janda kaum fassen konnte:

"Bis zum letzten Augenblick habe ich mir gesagt, dass wird bestimmt ein tolles Springen für die Zuschauer, denn der Unterschied zwischen uns beiden war nur minimal. Dass wir letztlich beide gewinnen werden, habe ich wirklich nicht gedacht, aber es ist phantastisch. Auf jeden Fall habe ich an der Anzeigetafel gesehen, dass ich auf dem ersten Platz bin. Doch dann ist mir bewusst geworden, dass wir beide die gleiche Punktzahl haben."

Gut zwei Monate später gewann Janda auch noch den Skisprung-Weltpokal und hätte eigentlich auf eine riesige Saison zurückblicken können, wenn er nicht ausgerechnet bei den Winterspielen in Turin seinen Ansprüchen hinterher gesprungen wäre. So zog der Mann aus Frenstat schließlich dieses Fazit:

"Ich bin froh, dass in dieser Saison wenigstens etwas gelungen ist. Es ist wahrscheinlich der Traum jedes Skispringers, die Vierschanzentournee und den Gesamtweltcup zu gewinnen. Aber dann waren da natürlich noch die Olympischen Spiele, und dort hat es einfach nicht geklappt. Wir haben alles getan, was möglich war, aber ich bin dort einfach nicht richtig in Form gekommen."

Einen weiteren Weltcup-Gewinn für die tschechischen Farben erkämpfte Tomas Kraus im nichtolympischen Skicross. Nach 2005 holte er sich damit die begehrte Kristallkugel zum zweiten Mal in Folge, was ihm zu diesem Vergleich veranlasste:

"Ganz sicher war es in dieser Saison schwieriger für mich, weil ich von Anfang an führte und daher fast jeder den Weltcupsieg von mir erwartet hat. Im letzten Jahr hingegen bin ich schlecht gestartet und habe mich dann immer mehr nach vorn gearbeitet. Aber niemand hatte mit mir gerechnet."

Mehr erhofft hatte sich dagegen Karel Loprais, der beste tschechische Brummifahrer unter den Startern der Rallye Dakar. Bei seiner 19. Teilnahme an der extremen Wüstenrallye wollte der Rekordhalter im Lkw-Klassement seinen siebten Sieg einfahren, aber eine schmerzhafte Verletzung zwang den 56-Jährigen zur frühzeitigen Aufgabe. Einen Tag nach seinem Ausstieg erklärte er:

Petr Briza  (Foto: www.hcsparta.cz)
"Es handelt sich um eine immer schmerzhafter gewordene Rückenverletzung. Wie schwer sie genau ist, weiß ich noch nicht, aber meine Rippen sind auf jeden Fall stark geprellt. Je länger ich damit gefahren bin, umso größere Schmerzen hatte ich. Seitdem die Verletzung aufgetreten ist, habe ich Tabletten genommen, doch gestern hat mir selbst eine erhöhte Dosis nicht mehr gegen die Schmerzen geholfen."

Einer, der in seiner langjährigen Eishockeykarriere niemals aufgegeben hat, ist der heutige Generalmanager des Eishockeyclubs HC Sparta Prag, Petr Briza. Weil dem so ist, konnte er zum Abschluss seiner Laufbahn noch einmal die nationale Meisterschaft gewinnen. Und das nach einer Saison, in der Sparta Prag zunächst bis zum letzten Spieltag kämpfen musste, um die Play offs überhaupt zu erreichen. Umso losgelöster philosophierte Briza nach dem finalen Triumph:

"Ich meine, jede Sportart hat ihren Reiz, ob es eine individuelle ist oder es sich um Teamsport handelt. Es geht darum, dass man eine Gruppe von Leuten hat, dass man eigentlich jeden Tag die Probleme meistern muss, d. h. Niederlagen wegstecken muss, um die Siege feiern zu können. Das ist einfach super, weil man irgendwie immer ein Junge bleibt."

Das diesjährige Play-off-Finale war das Traumfinale schlechthin, denn in diesem standen sich erstmals die Prager Lokalrivalen Sparta und Slavia gegenüber. Die sechs Finalduelle wurden jeweils vor einer fünfstelligen Zuschauermenge verfolgt, so dass eine Riesenstimmung herrschte, in die wir sie jetzt noch einmal kurz entführen wollen:

Nach so vielen ereignisreichen Sporthöhepunkten im Winter hatte man hierzulande gehofft, dass die tschechischen Auswahlfußballer in den heißen Juni- und Julitagen bei der Weltmeisterschaft in Deutschland ein weiteres Highlight setzen werden. Doch sie enttäuschten und schieden als Gruppen-Dritter schon nach der Vorrunde aus. Daher mussten andere Akteure für die Sahnehäubchen sorgen. Zum Beispiel Roman Sebrle, der bei der Leichtathletik-Europameisterschaft in Göteborg seinen Titel im Zehnkampf erfolgreich verteidigen konnte. Seine goldene Medaille wurde flankiert durch eine silberne, die Barbora Spotakova im Speerwerfen der Damen erkämpfte, sowie durch zwei bronzene, die Hochspringer Tomas Janku und der unverwüstliche Jan Zelezny im Speerwerfen der Herren eroberten. Ausnahmeathlet Zelezny beendete danach seine Bilderbuchkarriere.

Wir wollen an dieser Stelle aber einmal auf zwei tschechische Sportler verweisen, die in diesem Jahr einen großen Sprung nach vorn gemacht haben. Da wäre zum ersten der Motorradrennfahrer Lukas Pesek, der in der Achtelliterklasse mehrere vordere Platzierungen einfuhr und dabei dreimal einen Podiumsplatz belegte. Wohl am nächsten kam er seinem ersten Grand-Prix-Sieg auf dem deutschen Sachsenring, wo er das Rennen von der Pole Position gestartet war, sich am Ende aber dem Italiener Pasini und dem Spanier Bautista knapp geschlagen geben musste. Warum es noch nicht zum Sieg reichte, dazu sagte Pesek:

"Mein Problem war es, dass ich die letzte Kurve nicht gut genommen habe. Und das zweite Problem ist, dass ich nicht so aggressiv fahre wie meine Kontrahenten, da muss ich noch zulegen. Aber ich arbeite daran und komme allmählich auch dahin, um den Sieg mitzukämpfen. Heute lag für mich das Problem darin, dass beide nebeneinander gefahren sind und mir so keinen Platz zum Überholen gelassen haben."

Die beiden besten Riemenruderer der Welt, den Neuseeländer Mahe Drysdale und den Deutschen Marcel Hacker, nicht überholen konnte auch Tschechiens bester Skuller Ondrej Synek. Dennoch war er mit seinem dritten Platz bei der Ruder-WM im britischen Eton durchaus zufrieden:

"Ich bin sehr zufrieden, denn nach meinen Ergebnissen in dieser Saison habe ich das überhaupt nicht erwartet. Ich hatte vielmehr darauf gehofft, zumindest in das Finalrennen zu gelangen. Aber dass es dann so gut gelaufen ist, das ist für mich ein toller Schlusspunkt unter diese Saison. Jeder Skuller, der heute an den Start gegangen ist, wollte gewinnen, so wie ich auch. Doch zwei von ihnen waren ganz einfach besser. Ich habe zwar meinen Semifinallauf gewinnen können, doch in diesem bin ich auf keinen der Beiden getroffen. Daher ist es so gekommen, wie es kommen musste."

Zum Abschluss unserer kleinen Rückblende lassen wir noch die Grande Dame des Tennissports, die im Oktober 50 Jahre alt gewordene Martina Navratilova zu Wort kommen. In ihrer grandiosen Karriere, die sie bei den diesjährigen US Open mit einem Sieg im Mixed glanzvoll beendete, gewann sie nicht weniger als 167 Mal ein WTA-Einzel- und 176 Mal ein WTA-Doppelturnier. 1975 ersuchte die gebürtige Pragerin in den Vereinigten Staaten um politisches Asyl, weil sie sich in der damals kommunistisch regierten Tschechoslowakei nicht frei entfalten konnte, wie sie immer wieder betonte. Doch den Kontakt zu ihrer ursprünglichen Heimat, zu ihrem Elternhaus und zum ehemaligen Freundeskreis hat sie nie verloren. Deshalb hat man hierzulande auch mit großer Vorfreude ihrer sportlichen Rückkehr nach genau 20 Jahren entgegen gefiebert, als sie im Mai beim ECM Prague Open Turnier der Damen an den Start ging. Auf einer dem Turnier vorangehenden Pressekonferenz versäumte sie es dann auch nicht, auf die Unterschiede in Tschechien hinzuweisen:

"In diesem Land weht jetzt ein ganz anderer Wind. Schon bei der Begrüßung auf dem Flughafen fühlte ich mich völlig anders als 1986. Als ich damals wieder abgeflogen bin, habe ich es am meisten bedauert, dass die Menschen, die hier lebten, nicht so wie ich auch ganz einfach wegfliegen können, zum Beispiel zu Besuch nach Deutschland, nach Österreich oder anderswo hin. Sie konnten es nicht."

Autor: Lothar Martin
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