Rallye Dakar 2022 steht im Zeichen von Legende Karel Loprais
In Saudi-Arabien wird noch bis zum Freitag die 44. Rallye Dakar ausgetragen. Mit dabei sind zahlreiche Teilnehmer aus Tschechien, doch einer wird schmerzlich vermisst: Karel Loprais. Der sechsfache Dakar-Gewinner in der Lkw-Wertung ist kurz vor dem Jahreswechsel gestorben.
Aufstieg in acht Jahren: Von Disqualifikation bis Monsieur Dakar
Zur diesjährigen Rallye Dakar gingen nicht weniger als 41 Tschechen und zwei Tschechinnen an den Start. Kurz vor Beginn der Fahrt ereilte sie indes eine Nachricht, die sehr traurig stimmte: Karel Loprais, der sechsfache Dakar-Gewinner im Klassement der Lastkraftwagen, ist am 30. Dezember 2021 im Alter von 72 Jahren gestorben. Einer der fünf tschechischen Lkw-Fahrer im Peloton ist Martin Macík. Der Pilot des Big-Shock-Racing-Teams weiß sehr wohl, wem der Boom, den diese Rallye mittlerweile in Tschechien ausgelöst hat, vor allem zu verdanken ist:
„Karel Loprais ist eine Legende. Ohne ihn wären wir nicht dort, wo wie wir es heute sind, und das insbesondere in der Kategorie der Lkw. Es war Loprais, der die große Popularität der Rallye Dakar in Tschechien auslöste. Er gehörte in den 1980er Jahren zu den ersten Tschechen, die an der Wüstenfahrt teilnahmen, und seitdem wurde der Staffelstab hierzulande immer weitergegeben.“
In seiner aktiven Zeit war Karel Loprais stets mit einem Lkw der Marke Tatra unterwegs. Ein Modell hatte es ihm aber besonders angetan, erzählte er während einer Reportage:
„Wir fahren gerade auf einem Tatra 815 mit Allradantrieb. Mit diesem Wagen sind wir viermal bei der Rallye Dakar gestartet, dreimal haben wir sie als Sieger der Lkw-Wertung beendet.“
Karel Loprais hat die Rallye Dakar sechs Mal gewonnen. Dazu hat der geborene Ostrauer noch viermal den zweiten Platz und einmal den dritten Platz belegt bei seinen insgesamt 19 Teilnahmen. Bei fünf Starts sah er die Zielflagge im senegalesischen Dakar jedoch nicht, weil er wegen technischer Defekte oder einer Verletzung das Rennen nicht beenden konnte. Für seinen Brötchengeber, den tschechischen Automobilhersteller Tatra, aber hat Loprais eigentlich immer gewonnen. Dazu erklärt der Direktor des Technikmuseums Tatra im mährischen Kopřivnice / Nesselsdorf, Radim Zátopek:
„Natürlich hat jede Teilnahme an der Rallye Dakar, egal ob sie siegreich war oder mit einem Misserfolg endete, dazu beigetragen, die Marke Tatra voranzubringen.“
Seine Premiere bei der Wüstenrallye erlebte Karel Loprais 1986. Sie endete mit der wohl größten Enttäuschung für ihn: Vor dem Start zur letzten Etappe wurde er, auf Platz zwei liegend, disqualifiziert. Er und seine Besatzung waren zu spät am Start erschienen, weil eine vorherige Reparatur am Fahrzeug zu lange dauerte. Dies brachte ihm damals einige Kritik ein. Doch sein ein Jahr älterer Landsmann und Konkurrent Jiří Moskal, der auf Liaz fuhr, glaubte an ihn:
„Karel ist ein Mensch, der für den Erfolg alles gibt. Er wird Ergebnisse erzielen, an die er selbst noch nicht glaubt. Doch niemand von uns traut ihm das wohl zu.“
Zwei Jahre später aber ist es dann so weit: Karel Loprais gewinnt die Lkw-Wertung der Rallye zum ersten Mal. Als ihm das sechs Jahre später zum zweiten Male gelingt, ist er mit seinem Tatra so schnell unterwegs, dass er und seine Besatzung sogar als Sechste der Gesamtwertung klassiert werden. Diese Leistung, die bisher noch von keinem weiteren Lkw-Fahrer unterboten wurde, bringt ihm damals den Beinamen „Monsieur Dakar“ ein. Einer seiner Bewunderer ist Ladislav Fajtl. Der Fahrer und Navigator aus Jablonec nad Nisou / Gablonz hat mehrfach selbst an der Rallye Dakar teilgenommen. Über den Fahrstil von Loprais sagt er:
„Karel besaß die Eigenschaft, dass er sich ans Lenkrad setzte und dann den ganzen Tag über konstant fuhr. Wie er morgens aufbrach, so kam er abends an. Dank dieser Gabe konnte er seine guten Platzierungen erreichen.“
Lehrmeister von Nachfolger Chagin und Wegbereiter in Tschechoslowakei
2001 fuhr Karel Loprais seinen letzten Sieg bei der Rallye Dakar ein. Spätestens ab da bezeichnete man ihn als Rallye-Legende. In einem weiteren Tatra-Team fuhr seinerzeit Bedřich Sklenovský. Auch er würdigte Loprais´ Fähigkeiten:
„Er wusste genau einzuschätzen, was er dem Auto abverlangen kann – also wann er bis zum Anschlag auf das Gaspedal treten musste und wann dies keinen Sinn hatte.“
Karel Loprais konnte aber nicht nur toll fahren, sondern er war auch ein guter Mechaniker. Und er wusste sich in schwierigen Situationen stets zu helfen:
„Als wir einmal einen Defekt am Kühler hatten, haben wir alles nachgefüllt, was wir an Flüssigkeit im Auto hatten, einschließlich Wasser und Bier. Denn das Wichtigste war, dass wir ins Ziel kamen. Und in der Wüste ist Wasser nur schwer zu finden, also waren wir froh über jeden Tropfen Flüssigkeit in unserem Auto.“
Diese Episode erzählte Loprais vor etwa zwei Jahren, als er anlässlich seines 70. Geburtstages im Tschechischen Rundfunk ein längeres Interview gab. Die diesjährige Rallye, die zum dritten Mal in Folge in Saudi-Arabien ausgetragen wird, erlebt Monsieur Dakar aber leider nicht mehr. Sein Tod hat auch einen der langjährigen Mitstreiter, seinen ewigen Beifahrer und Navigator Jiří Kalina, hart getroffen:
„Mir ist mein Stiefbruder verstorben, das ist schon an sich eine Tragödie. Und jetzt sind wir hier, weit weg von zu Hause… Aber es ist einfach so: Er sieht uns.“
Kalina selbst ist bei der diesjährigen Rallye erneut dabei, und zwar in der schon zur Tradition gewordenen Konkurrenz Dakar Classic, an der frühere Rennautos und andere Oldtimer am Start sind.
Ein anderer, der den Tod von Karel Loprais sehr betrauert, ist der Russe Vladimir Chagin. Für ihn war der Tscheche nicht nur ein Vorbild, dem er nacheiferte, sondern auch wie ein Vater. Schließlich hat ihm Loprais viel geholfen, er stand Chagin bei dessen Einstieg in die Rallye Dakar quasi mit Rat und Tat zur Seite. Der Russe profitierte von seinem Lehrmeister, und jetzt führt er mit sieben Dakar-Triumphen sogar selbst die ewige Siegerliste in der Kategorie Lkw an. Über sein Verhältnis zu Loprais sagt er heute:
„Nur auf der Strecke waren wir Gegner, genau wie alle anderen Teilnehmer dieses Rennens. Doch eigentlich haben wir uns nach jeder Etappenankunft umarmt und hatten uns viel zu erzählen. Wir hatten auch Spaß miteinander, und einige aus den Teams von Kamaz und Tatra waren miteinander befreundet. So war das auch zwischen mir und Karel.“
Mehr Dakar-Siege als Karel Loprais haben lediglich der Franzose Stéphane Peterhansel, der die Rallye 14 Mal in der Pkw-Wertung gewann, und eben Chagin vorzuweisen. Auch deswegen sind Loprais in seiner Heimat viele Ehrungen zuteil geworden. Gemeinsam mit der Motorrad-Legende František Šťastný wurde er im Jahr 2000 vom Autoclub des Landes zum tschechischen Rennfahrer des Jahrhunderts gekürt. Loprais wurde mehrere Male mit dem Jahrespreis „Zlatý volant“ (Goldenes Lenkrad) geehrt, und 2007 erhielt er die gleiche Auszeichnung für sein sportliches Lebenswerk. Im Oktober 2017 verlieh ihm Staatspräsident Miloš Zeman die tschechische Verdienstmedaille. Der ehemalige Rallyefahrer Jiří Moskal hebt die Leistungen von Loprais noch einmal hervor:
„Karel Loprais hat sich für immer und ewig in die Geschichte des tschechoslowakischen Automobilsports eingeschrieben. Er hat darin einen festen Platz, den ihm keiner nehmen kann. Er gehört in die erste Reihe mit solchen Größen wie Eliška Junková oder František Šťastný. An diese Legenden sollte man stets mit Würde erinnern.“
Neffe Aleš will auf das Podest – für seinen Onkel Karel
Karel Loprais hat seine letzte Rallye Dakar im Jahr 2006 bestritten. Wegen Rückenschmerzen, die von einem früheren Unfall herrührten, gab er das Rennen nach der elften Etappe auf. Während dieser Tour gehörte auch sein Neffe Aleš Loprais das erste Mal zum Team. Ein Jahr später ging Aleš selbst als Fahrer an den Start. Damit hat er den Staffelstab direkt von Karel übernommen. Auch ihn traf der Tod seines Onkels schwer. Vor dem Start der diesjährigen Rallye in Dschidda nahm sich der 42-Jährige daher einiges vor:
„Ich denke, unsere Besatzung harmoniert gut zusammen. Und wir wollen auch für Karel fahren. Am Ende soll ein Resultat herauskommen, wie wir es uns alle wünschen.“
Nach sieben der insgesamt zwölf Etappen ist Aleš Loprais auf dem besten Weg dazu. Hinter den drei Kamaz-Teams, die nicht zuletzt dank ihrer materiellen Möglichkeiten schon fast als unschlagbar gelten, liegt der Tscheche auf Platz vier. Er ist quasi „The Best of the Rest“. Doch wer den ehrgeizigen Aleš kennt, weiß: Er will auf das Podest – für seinen Onkel Karel.