Tschechien und Bayern wollen ihre Kooperationen ausbauen und für den Weltmarkt fit machen

Erwin Huber (Foto: www.erwin-huber.de)

Der Freistaat Bayern ist mit seinen 12 Millionen Einwohnern nicht nur ein für die Tschechische Republik in etwa gleich großer Nachbar, sondern mit seinem im Vorjahr erzielten Bruttoinlandsprodukt von 400 Milliarden Kronen auch ein wirtschaftlich starker dazu. Diese und weitere imposante Zahlen verkündete kein Geringerer als der bayerische Staatsminister für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie, Erwin Huber, als er Ende Februar in Begleitung einer Delegation bayerischer Unternehmer zu Besuch in Prag weilte.

Ups and downs in der tschechischen Wirtschaft

Das Konsortium Toyota-Peugeot-Citroen-Automobile (kurz: TPCA), das im vergangenen Jahr im mittelböhmischen Kolin die Kleinwagen-Produktion des Toyota Aygo, des Peugoet 107 und des Citroen C1 aufgenommen hat, will wie geplant schon in diesem Jahr auf vollen Touren laufen und bis zum Jahresende insgesamt 300.000 Fahrzeuge herstellen. Von dieser Stückzahl sollen nicht weniger als 99 Prozent exportiert werden. Für den Chefökonom der Gesellschaft Next Finance, Vladimir Pikora, ist das eine gute Nachricht, wird doch die tschechische Wirtschaft nicht unerheblich vom Aufschwung des japanisch-französischen Unternehmens profitieren.

"Schon im vergangenen Jahr konnten wir anhand der makroökonomischen Statistiken bereits die Auswirkungen des Produktionsanlaufs im TPCA-Autowerk in Kolin nachvollziehen. In der tschechischen Außenhandelsbilanz wurde anstatt eines Defizits ein Export-Überschuss registriert, und das gleich mit dem historischen Rekord von mehreren Zig-Milliarden Kronen. Die heimische Wirtschaft konnte so ihr Wachstum beschleunigen, wobei das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal 2005 um mehr als fünf Prozent angestiegen ist. Das war der höchste Wert seit dem Jahr 1996. Aufgrund dessen, dass die Autobauer in Kolin in diesem Jahr noch mehr Fahrzeuge produzieren werden, kann man davon ausgehen, dass sich ihr positiver Einfluss auf die Volkswirtschaft fortsetzen wird. Sie wird ihr schnelles Wachstum beibehalten."

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
Einen hohen Zuwachs an Gewinnen konnten im zurückliegenden Jahr auch die tschechischen Banken verzeichnen. Das Bankhaus Ceska sporitelna (Tschechische Sparkasse) hat ihren Gewinn gleich um mehr als 12 Prozent gesteigert. Er wurde mit neun Milliarden und 130 Millionen Kronen (ca. 315 Millionen Euro) ausgewiesen. In einer ähnlichen Höhe bewegte sich auch das Jahrsabschlussergebnis des Kreditinstituts Komercni banka. Ausschlaggebend für die hohe Gewinnerzielung seien, so der Analytiker der Gesellschaft Wood and Company Jiri Stanik, gleich mehrere Faktoren:

"Da ist zum einem das starke Wachstum der tschechischen Wirtschaft, das sich auch positiv auf die Banken niederschlägt. Das sind zum zweiten die niedrigen Leitzinsen, die die große Nachfrage nach Verbraucher- und Hypothekenkrediten unterstützen, und drittens sorgt dafür die gute Kontrolle der Ausgaben bei allen Großbanken."

Das ein dickes Guthaben jedoch auch negative Folgen haben kann, müssen in diesem Jahr unter anderem die tschechischen Landwirte erfahren. Wegen des Überflusses an Zucker auf den europäischen Märkten hat die EU nämlich die Produktionsquoten für die bevorstehende Saison gekürzt. In Tschechien hat sich die Quote auf 411.000 Tonnen verringert. Welche Auswirkungen das für die hiesigen Zuckerfabriken hat, dazu sagte der Vorsitzende des Agrarverbandes, Miroslav Jirovsky:

"Für dieses Jahr muss die Tschechische Republik ihre Zuckerproduktion um 9,7 Prozent reduzieren. Das entspricht einer Menge von 41.000 Tonnen. Die Reduzierung wird alle Zuckerfabriken in nahezu gleichem Maße treffen."

Hinter die Fassade geschaut

Der Freistaat Bayern ist mit seinen 12 Millionen Einwohnern nicht nur ein für die Tschechische Republik in etwa gleich großer Nachbar, sondern mit seinem im Vorjahr erzielten Bruttoinlandsprodukt von 400 Milliarden Euro auch ein wirtschaftlich starker dazu. Diese und weitere imposante Zahlen verkündete kein Geringerer als der bayerische Staatsminister für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie, Erwin Huber, als er Ende Februar in Begleitung einer Delegation bayerischer Unternehmer zu Besuch in Prag weilte. Des Weiteren sagte Huber:

"Wenn wir auf die aktuellen Beziehungen in wirtschaftlicher Hinsicht zwischen Bayern und der Tschechischen Republik sehen, dann können wir mit Freude feststellen, dass wir inzwischen ein Handelsvolumen von etwa acht Milliarden Euro pro Jahr haben, dass es sehr viele deutsche Unternehmen gibt, die hier in der Tschechischen Republik investieren und produzieren, und dass wir eine sehr stürmische Entwicklung dieser wirtschaftlichen Zusammenarbeit in den letzten 15 Jahren zu verzeichnen haben."

Stürmisch war diese Entwicklung in der Tat, denn in Tschechien investieren und produzieren mittlerweile mehr als 300 bayerische Firmen und drei Viertel der hierzulande tätigen deutschen Großunternehmen kommt ebenfalls aus Bayern. Aber auch wenn Tschechien für den Freistaat der größte Wirtschafts- und Handelspartner unter den neuen EU-Ländern aus Mittel- und Osteuropa ist, so seien noch längst nicht alle Reserven ausgeschöpft, meinte Huber. Deshalb machte er in Prag unter anderem dieses Angebot:

"Ich habe heute in Gesprächen mit dem tschechischen Ministerium für Industrie und Handel auch eine Kooperation ins Auge gefasst, die eine Zusammenarbeit im Bereich des Exports und des Außenhandels beinhaltet. Das heißt, beide Ministerien sehen die Möglichkeit, dass die Wirtschaften aus Bayern und der Tschechischen Republik gemeinsam Chancen auf dem Weltmarkt erkunden und diese Marktchancen dann im kooperativen Miteinander auf dem Weltmarkt auch realisieren."

Wie diese bayerisch-tschechische Zusammenarbeit auf den Weltmärkten konkret aussehen könnte, dazu sagte der Exekutiv-Direktor von Invest in Bavaria - einer dem bayerischen Wirtschaftsministerium zugeordneten Stabstelle für Ansiedlungspolitik und Standortmarketing - Dr. Markus Wittmann:

"Ich glaube sowohl Bayern als auch Tschechien sind international aufgestellt, sowohl die Volkswirtschaften als auch die Unternehmen. Die Idee ist, so denke ich, dass sich die Unternehmen aus Bayern und aus Tschechien in ihren Produkten ergänzen könnten. Vorstellbar wäre für mich beispielsweise, dass man in den arabischen Ländern sowie in asiatischen Ländern wie Indien oder China bei großen Projekten gemeinsam auftritt und die gemeinsamen Vorteile nutzt. Dazu hat Minister Huber heute vereinbart, dass wir eine Arbeitsgruppe bilden, die sich damit beschäftigt. Wir wollen das nicht auf die lange Bank schieben, sondern diese Zielvorgabe angehen: In den nächsten drei Monaten konkrete Verhandlungen auf Arbeitsebene führen und möglichst einen konkreten politischen Abschluss bis zum Oktoberfest in München erreichen!"

Trotz der bereits guten Kooperationen zwischen tschechischen und bayerischen Unternehmen seien aber noch zu wenige darunter, die man als Musterbeispiele bezeichnen könnte, wirft Wittmann ein und ergänzt:

"Wir haben davon bisher noch viel zu wenige Beispiele. Die, die wir haben, sind mit deutscher Hilfe in Tschechien auf den Weg gebracht worden, muss man ehrlicherweise sagen. Wir haben aber noch ganz wenige in Bayern. Wir haben unseren Erkenntnissen zufolge bisher in Deutschland nur insgesamt 70 tschechische Firmen, die hier investiert haben. Wir haben in Bayern zum Beispiel im Raum Regensburg Software-Unternehmen, die dort tätig sind und auch Kooperationen haben. Also im Softwarebereich gibt es schon einiges und auch im Automobilbereich ist das der Fall."

Dem Ausbau der tschechisch-bayerischen Wirtschaftsbeziehungen etwas im Wege steht nach wie vor die für tschechische Arbeitnehmer eingeschränkte Freizügigkeit auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Dabei seien die Ergebnisse, die man bei der unmittelbaren Kooperation beider Seiten bisher erzielen konnte, durchaus ein Ansporn für neue und größere Aufgaben, betont Wittmann:

"Gerade heute erst hat der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer in Bayreuth, Herr Hunger, das Beispiel genannt, dass jedes siebte Unternehmen in Oberfranken eine Kooperation mit einem tschechischen Unternehmen hat. Und alle diese Kooperationen sind erfolgreich. Das spricht schon einmal für sich und dafür, dass die Partnerschaft an der unmittelbaren Grenze funktioniert. Die ganzen Ängste, die man hatte, sind nicht eingetreten, weder auf der tschechischen noch auf der bayerischen Seite. Jetzt aber muss der nächste Schritt getan werden, dass man wirklich sagt: Daraus muss noch viel mehr werden! Die Globalisierung muss letztendlich auch dazu genutzt werden, dass man gemeinsam auf den Weltmärkten erfolgreich ist. Denn wir sind ein gemeinsamer Wirtschaftsraum, wir sind gemeinsam in der Europäischen Union, das heißt wir sind Partner, die ihre Stärken jeweils koppeln müssen. Ich glaube, da sind wir mental schon auf einem guten Weg. Aber eben noch nicht in jeder Hinsicht in der Unternehmensrealität, und da müssen wir noch hinkommen."