Tschechische Firma Agrofert hat sich auf deutschem Markt etabliert
Die 1993 gegründete Agrofert-Holding gehört zu den größten tschechischen Konzernen. Das vornehmlich in der Agrarwirtschaft tätige Unternehmen ist aber nicht nur im eigenen Land erfolgreich, sondern fasst immer besser auch auf den internationalen Märkten Fuß - inklusive dem deutschen Markt. Dort besteht die Agrofert Deutschland GmbH bereits seit einigen Jahren. Geschäftsführer von Agrofert Deutschland ist Wolfgang Weiss. Gegenüber Radio Prag erläutert er die marktwirtschaftliche Philosophie der GmbH, die Düngemittel vertreibt sowie mit Betriebsmitteln wie auch klassischen Agrarprodukten handelt.
„Der Fokus von Agrofert liegt im Wesentlichen auf Europa. Deutschland ist einer der wichtigsten Handelspartner Tschechiens und umgekehrt. Deswegen hat man sich dazu entschieden, auch in Deutschland wirtschaftlich aktiv zu werden. Die Agrofert Deutschland ist eine Tochtergesellschaft der tschechischen Agrofert Holding. Rechtlich gesehen ist die Agrofert Deutschland ein selbstständiges Unternehmen, das zudem noch andere Unterbeteiligungen hat. Diese Beteiligungen sind auf ganz Sachsen verteilt.“
Wie lange gibt es die Agrofert Deutschland GmbH schon?„Die Geschichte der Agrofert Deutschland GmbH geht – wenn Sie so wollen – bis auf die 1970er Jahre zurück. Ein volkseigener Betrieb auf DDR-Zeiten wurde nach der Wende in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt, und dieses Unternehmen wurde dann 2006 von Agrofert übernommen.“
Ihr Firmensitz ist im sächsischen Bischofswerda. Wie viele Mitarbeiter haben Sie, und müssen ihre Arbeitnehmer nun auch Tschechisch sprechen können?
„Bei uns gilt der Grundsatz: Die Sprache und die Kultur richten sich immer nach den Örtlichkeiten. Das heißt, in Deutschland ist die Unternehmenssprache nur Deutsch und in Tschechien nur Tschechisch. Wenn wir Beteiligungen in anderen Ländern haben, dann ist die dort geläufige Sprache die Unternehmenssprache. Es ist also nicht so, dass die Kollegen bei uns vor Ort Tschechisch lernen müssen. Es ist selbstverständlich, dass sie bei der Arbeit Deutsch sprechen und ebenso mit der Zentrale kommunizieren können.“Wie ist Ihre Firma strukturiert?
„Wir sind ein rechtlich eigenständiges Unternehmen und stehen eigenverantwortlich auf dem Markt. Wie viel und in was wir investieren wollen, wen wir einstellen möchten und all die anderen Dinge, die wir finanzieren müssen – das alles muss sich vor Ort rechnen lassen. Es ist nicht so, dass wir von unserer Unternehmensmutter in irgendeiner Form gefördert werden, sondern wir müssen uns selbst auf dem Markt behaupten.“Die Risiken in Deutschland aber scheinen Sie gut im Griff zu haben, denn Ihre Firma wirtschaftet offenbar mit Erfolg. Es war auch zu lesen, dass die Agrofert Deutschland gleich mehrere Firmen übernommen hat. Ist Agrofert jetzt in dem Stadium, um weiter expandieren zu können? Wie gut ist Ihre Firma dabei aufgestellt?
„Ich denke, von Expansion zu sprechen, ist immer kritisch. Schon der Begriff Expansion hört sich an wie Krieg. Zudem bekommt man die Vorstellung, wie Leute eine Landkarte aufschlagen und sagen, wo expandiert werden soll. Ich möchte daher zu Ihrer Frage noch einmal auf die Firmengeschichte zurückkommen und erläutern, was gemacht worden ist. Es ist richtig, dass wir das SKW Piesteritz in Sachsen-Anhalt als erste deutsche Beteiligung gekauft haben. Des Weiteren ist die damalige DreHa dazugekommen, aus der jetzt die Agrofert Deutschland entstanden ist. Hinzugekommen sind noch weitere Gesellschaften, das aktuellste Beispiel ist die Bachwarenkette Lieken aus Düsseldorf.“Wie sind diese Käufe einzuordnen? Welches Prinzip steckt dahinter?„Das Prinzip von Agrofert beruht darin, eine horizontale und vertikale Wertschöpfungskette zu bilden. Ich will das kurz erklären. Die Agrofert Holding wie auch Agrofert Deutschland sind Partner der Landwirtschaft. Um Partner der Landwirtschaft sein zu können, bieten wir neben Beratungsleistungen auch Produkte an. Ein Teil dieser Produkte sind Düngemittel, mit denen unter anderem die Ammoniakproduktion und damit das Stickstoffwerk in Piesteritz zusammenhängen. Andererseits produziert die Landwirtschaft Endprodukte wie beispielweise Getreide und Ölsaaten. Agrofert kauft diese landwirtschaftlichen Produkte von den Landwirten. Eine weitere Wertschöpfungskette besteht darin, diese landwirtschaftlichen Produkte zu verarbeiten. Das geschieht beispielweise durch die Rapsmühle der Firma Preol, wo Biodiesel hergestellt wird. Oder nehmen wir die Bäckereien, die in Tschechien für uns arbeiten und aus Getreide dann Brot herstellen. Je nachdem wie gut die Saat ist und wie die jährliche Getreideernte ausfällt, kann auch die Qualität des Getreides unterschiedlich sein. Aus dem Getreide, das mindere Qualität hat, wird Futtermittel produziert. Diesem Futtermittel wird zum Beispiel auch ein überschüssiges Produkt aus der Rapsproduktion, der Rapsschrot beigemischt. Die Futtermittel werden an Tiere verfüttert, durch die Fleischproduktion entsteht. Bei der Fleischproduktion unterscheiden wir dann weißes und rotes Fleisch. Das also sind die Wertschöpfungsketten, die Agrofert ausnutzt. Oder noch ein Beispiel: Wenn Sie ins Geschäft gehen und eine Semmel kaufen, dann ist für Agrofert nicht nur die Produktion dieser Semmel wichtig, sondern auch die vorgelagerten Schritte. Es sind Schritte, durch die unsere Handelspartner unterstützt werden.“
Kann man es so zusammenfassen, dass Agrofert bewusst Firmen mit ins Boot nimmt, um diese Ketten zu optimieren?„Ganz genau. Das ist auch der Grund, warum ich zu Beginn nicht von Expansion sprechen wollte. Und da schließt sich auch der Kreis zu dem, was ich am Anfang zu den Aktivitäten von Agrofert gesagt habe. So und nicht anders sind die Akquisitionen und die Zusammenarbeit von Agrofert Deutschland mit der Düngemittelfabrik in Piesteritz, mit anderen Partnern der Landwirtschaft und hoffentlich auch bald mit Lieken zu verstehen.“
Welche Perspektiven verfolgt Agrofert? Und welchen Stellenwert wird Ihr Engagement in Deutschland weiterhin haben?
„Da bin ich wahrscheinlich nicht der kompetente Ansprechpartner. Ich kann nur so viel sagen, dass Deutschland sicherlich immer einen wichtigen Stellenwert haben wird.“