Babiš in Erklärungsnot: Vorwürfe aus Brüssel und im Fall Storchennest werden lauter
Andrej Babiš ist seit Dezember 2017 Regierungschef von Tschechien. Fast genauso lange hält sich der Vorwurf gegen ihn, er habe seine politische Karriere nicht resolut von seinen wirtschaftlichen Interessen entkoppelt. Seine Firmen Agrofert und SinBiol übergab er zwar an zwei Treuhandfonds, doch wie Untersuchungen aus Brüssel zu EU-Subventionen ergaben, übt Babiš immer noch einen entscheidenden Einfluss auf das von ihm aufgebaute Firmenimperium aus. Wiederholt wurde er daher bezichtigt, in einem Interessenskonflikt zu stehen. Bisher hat der Premier aber alle Vorwürfe stets von sich gewiesen. Nun macht die EU-Kommission Druck, und Babiš gerät in Erklärungsnot.
Als die EU-Kommission Ende August einen umfassenden Bericht zur Zuteilung von europäischen Fördergeldern veröffentlichte, warnte sie unter anderem davor, dass die Auszahlung von Zuwendungen an Tschechien gestoppt werden könnte, sollte sich dort die Kontrolle möglicher Interessenskonflikte nicht verbessern. Wie das Nachrichtenportal des Tschechischen Rundfunks später berichtete, sollte Tschechien ursprünglich bis zum 8. September seine Pläne für eine bessere Kontrolle darlegen. Das Ministerium für Regionalentwicklung, das hierzulande für die Antragstellung und Zuteilung von EU-Fördergeldern zuständig ist, bat daraufhin um eine Verlängerung der Frist um 60 Tage für die entsprechende Erklärung. Über die Gründe dazu informierte die Vizechefin des Ministeriums, Daniela Grabmüllerová:
„Den Aufschub haben wir beantragt, um die dazu notwendigen Schritte einzuleiten und um auf alle Fragen, die uns von der Europäischen Kommission gestellt wurden, entsprechend antworten zu können. Dazu ist die Zusammenarbeit mehrerer Ressorts erforderlich einschließlich der nationalen Audit-Organe.“
Über diese Erklärung schüttelte die Opposition hierzulande einmal mehr nur den Kopf. Lukáš Wagenknecht ist Senator der Piraten im Oberhaus des Parlaments. Er hielt dem entgegen:
„Geprüft werden muss, wer wahrer Eigner von Agrofert ist. Dazu sind die jeweiligen Dokumente wie die Urkunde zur Firmengründung und die namentliche Auflistung aller Aktionäre zu kontrollieren. Das ist eine Arbeit von vielleicht einer Woche. Wenn Ministerin Dostálová nun erklärt, das sei kompliziert, dann fällt mir auch nichts mehr dazu ein.“
In ähnlicher Weise dürfte nun wohl auch der EU-Kommission der Kragen geplatzt sein. Denn bei allen Verfahren, die dem abschließenden Audit-Bericht einer von ihr beauftragten Expertengruppe zur Überprüfung der Nutzung von europäischen Subventionen vorausgingen, hatten sich die zuständigen Ministerien in Tschechien wiederholt einen Aufschub erbeten bei den Antworten auf entsprechende Nachfragen. Daher hat Brüssel den Antrag Tschechiens zurückgewiesen und die endgültige Frist auf den 22. September festgelegt. Das heißt, Tschechien muss sich noch vor den Wahlen dazu äußern, wie man Interessenskonflikte künftig ausschließen kann. Andernfalls droht der Auszahlungstopp für weitere Fördermittel. Angesichts des neuen Termins ist für Premier Babiš klar, wer für ihn hinter dieser Entscheidung steckt:
„Wir sind ein souveräner Staat, der kurz vor den Wahlen steht. Das Europäische Parlament versucht diese Wahlen zu beeinflussen. Und die Initiative dazu kommt selbstverständlich von der Opposition, die mit Lügen und Verleumdungen den tschechischen Staat in Misskredit bringt.“
Die tschechischen Europaparlamentarier, die nach Meinung von Babiš eine solche Initiative „angezettelt“ haben, hat der Regierungschef früher auch schon einmal als „Landesverräter“ bezeichnet. Jiří Pospíšil ist Europa-Abgeordneter der Partei Top 09. Er zeigte sich von solchen Äußerungen unberührt und warnte vielmehr:
„Die tschechische Regierung erfüllt nicht die Forderungen der Europäischen Kommission. Daher kann es zu dem Krisenszenario kommen, dass die tschechischen Antragsteller leer ausgehen, nur weil Andrej Babiš selbst Geld aus dem europäischen Haushalt haben will.“
Der Druck aus Brüssel aber hat offenbar gewirkt. Denn aus dem Ministerium für Regionalentwicklung war inzwischen zu vernehmen, dass man den Termin zur Beantwortung der Frage aus Brüssel einhalten werde. Für Premier Babiš aber wird es noch von einer anderen Seite her ungemütlich. Denn wie die Prager Kriminalpolizei am Montag mitteilte, hat sie ergänzte Ermittlungsakten im Fall „Storchennest“ der Staatsanwaltschaft in Prag übergeben. Und in diesem Fall spielt der ehemalige Unternehmer und Konzernbesitzer eine tragende Rolle. Die Staatsanwaltschaft will nun in nächster Zeit entscheiden, ob sie gegen Babiš Anklage erhebt.