Ex-Premier Andrej Babiš vor Gericht: Erste Prozesswoche im Fall „Storchennest“ geht zu Ende

Vor dem Stadtgericht in Prag hat die Hauptverhandlung im Fall der Subvention für den Bau des Komplexes Čapí hnízdo begonnen, in der Anklage gegen den ehemaligen Ministerpräsidenten Andrej Babiš erhoben wird

Seit Montag läuft in Prag der Prozess im Fall „Čapí hnízdo“ (Storchennest). Angeklagt ist unter anderem der ehemalige tschechische Premier und Vorsitzende der Partei Ano, Andrej Babiš.

Andrej Babiš  jr. | Foto: Roman Vondrouš,  ČTK

„Mein Vater wollte einen Irren aus mir machen, aber ich bin sichtbar in guter Verfassung. Der heutige Tag stellt für mich schon allein deswegen einen Sieg dar, weil ich vor Gericht aussagen kann."

So äußerte sich Andrej Babiš jr. am Freitagmorgen vor den zahlreichen Journalisten, die seine Ankunft im Prager Stadtgericht begleiteten. Babiš jr. wiederholte dabei einmal mehr, dass er von seinem Vater dafür missbraucht worden sei, die Verhältnisse im Projekt „Storchennest“ falsch darzustellen.

Andrej Babiš | Foto: Roman Vondrouš,  ČTK

Andrej Babiš – besagter Vater, derzeitiger Vorsitzender der Partei Ano, Ex-Premier und vermutlich auch baldiger Anwärter auf den Posten des tschechischen Staatspräsidenten – ist wohl der prominenteste Angeklagte im Fall „Storchennest“, aber nicht der einzige. Die zweite Hauptangeklagte heißt Jana Nagyová und war einst Babišs Beraterin – zu Zeiten nämlich, als das Wellnessressort „Čapí hnízdo“ (Storchennest) nahe dem mittelböhmischen Olbramovice gebaut wurde. Laut Anklage im jetzigen Prozess haben beide dafür gesorgt, dass das Projekt in die Kategorie kleiner oder mittlerer Unternehmen fällt und damit Anspruch auf EU-Subventionen anmeldete. Konkret wurden 50 Millionen Kronen (2 Millionen Euro) ausgeschöpft. Die Staatsanwaltschaft will aber beweisen, dass das „Storchennest“ damals zu dem Agrofert-Konzern gehörte, den Babiš einst gegründet hatte, und damit ein Subventionsbetrug vorliegt.

Jana Nagyová  (ehemals Mayerová),  ehemalige Beraterin von Andrej Babiš | Foto: Vít Šimánek,  ČTK

Als der Antrag 2008 von Nagyová, die damals noch Mayerová hieß, eingereicht wurde, segnete ihn der zuständige Regionalrat ab. Diesem saß der damalige Hauptmann des Kreises Mittelböhmen und heutige Abgeordnete Petr Bendl (Bürgerdemokraten) vor. Dem Gericht versicherte Bendl am Donnerstag, dass keine Fehler bei der Genehmigung der Subventionen gemacht worden seien. Und vor der Presse erläuterte er:

„Als regionales Gremium haben wir damals über den Antrag entschieden. Es gab keine Hinweise oder Informationen von den zuständigen Ämtern, dass damit etwas nicht in Ordnung sein könnte.“

Petr Bendl | Foto: Roman  Vondrouš,  ČTK

Dies war eine von mehreren Aussagen, die laut Ondřej Kundra in dieser Woche erwartungsgemäß ausfielen. Der Leiter der innenpolitischen Redaktion der Wochenzeitung „Respekt“ verwies am Freitagmorgen in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks zudem auf den ehemaligen Ano-Fraktionsvorsitzenden Jaroslav Faltýnek, der sich vor Gericht ebenfalls zugunsten Andrej Babišs geäußert habe. Interessanter sei aber die Einlassung der Zeugin Eva Filipová gewesen, der zuständigen Bearbeiterin des fraglichen Subventionsantrages, so Kundra:

Jaroslav Faltýnek | Foto: Alžběta Švarcová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks

„Vor Gericht sagte sie, es habe die Information gegeben, dass hinter dem Antrag Andrej Babiš stehen könnte. Es sind nach ihren Worten dann mehrere Experten konsultiert worden, wie sich das Amt dazu verhalten sollte. Diese Aussage ist wichtig für den Nachweis, dass Andrej Babiš mit dem ‚Storchennest‘-Projekt sehr eng verbunden war. Er selbst weist dies immer wieder zurück.“

An Filipovás Auftritt schließt sich nun die Aussage des Babiš-Sohnes an. Laut Anklage soll Agrofert-Gründer Andrej Babiš 2007 die Firma „Storchennest“ aus dem Konzern ausgelagert und die Aktien an seine Kinder und seine Ehefrau übertragen haben. Der Sohn ist der Presseagentur ČTK zufolge am Freitag vor Gericht wieder mit der Frage nach der Echtheit seiner Unterschrift bei diesem Vorgang konfrontiert worden. Er habe zwar ein Dokument unterzeichnet, mit dessen Inhalt sei er aber nicht vertraut gewesen, fiel die Aussage von Babiš jr. laut ČTK-Bericht aus.

Monika Babišová | Foto: Roman Vondrouš,  ČTK

Am Freitag war der Angeklagte Andrej Babiš, anders als noch am Donnerstag, im Gerichtssaal nicht zugegen. Einmal mehr hat sich bestätigt, dass das Verhältnis zwischen Vater und Sohn zerrüttet ist. In der Vergangenheit hat der Ex-Premier die Aussagen seines Sohnes wiederholt abgewertet durch die Behauptung, dieser sei psychisch krank. Und auch am Mittwoch hatte er beantragt, Babiš jr. vor dessen Aussage von einem Sachverständigen untersuchen zu lassen. Der Richter lehnte dies aber ab.

Und auch in seinen Stellungnahmen zum Verlauf des Prozesses bleibe der Angeklagte bei seinem bekannten Kommunikationsmuster, analysiert Ondřej Kundra:

„Wenig überraschend nimmt Andrej Babiš weiter die Opferrolle ein – also als jemand, dem geschadet werden solle. Er hat mehrfach wiederholt, dass dies ein politischer Prozess sei. Dabei spricht er von einem Postrevolutionskartell, das um politischen Einfluss strebe.“

Ondřej Kundra | Foto: Luboš Vedral,  Archiv des Tschechischen Rundfunks

Diese Worte habe Babiš schon in seiner ersten Einlassung am Montag genutzt, ergänzt Kundra. Demnach habe sich in Tschechien infolge der November-Revolution 1989 ein Kartell aus Politikern, Journalisten und auch Beamten gebildet, die ihn entmachten wollten. Babišs erste Aussage vor Gericht sei darum eher eine politische Rede gewesen, so die Einschätzung Kundras.

Nach der Verhandlung vom Freitag wird nun im Prozess eine Pause eingelegt, bevor er Ende September fortgesetzt wird. Kommende Woche wird Andrej Babiš Medienberichten zufolge seine Mitangeklagte und Parteigenossin Jana Nagyová in ihrem Wahlkampf unterstützen. Beim Urnengang am nächsten Wochenende will sie nämlich in den Senat einziehen. Sollte ihr dies gelingen, müsste erst eine Aufhebung der dadurch erlangten Immunität beantragt werden, um den „Storchennest“-Prozess gegen sie weiterführen zu können.

Wegen Subventionsbetrug und der Beschädigung der finanziellen Interessen der EU könnten laut tschechischem Strafgesetzbuch bis zu zehn Jahre Haft verhängt werden. Die bisherigen Forderungen der zuständigen Staatsanwaltschaft laufen auf Bewährung und Geldstrafen hinaus.

Storchennest | Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks