Fall „Storchennest“: Nach sechs Jahren Anklage gegen Ex-Premier Andrej Babiš
Die Prager Staatsanwaltschaft hat gegen Ex-Premier Andrej Babiš (Partei Ano) Anklage erhoben. Damit wird der Fall „Storchennest“ nach über sechs Jahren an Ermittlungen nun vor Gericht verhandelt.
Andrej Babiš und seine ehemalige Beraterin Jana Nagyová werden sich verteidigen müssen gegen den Verdacht, dass beim Bau des Luxusressorts „Čapí hnízdo“, zu Deutsch „Storchennest“, Subventionen in Höhe von 50 Millionen Kronen (zwei Millionen Euro) hinterzogen wurden. Dies entschied am Montag Staatsanwalt Jaroslav Šaroch. Dabei war es gerade Šaroch, der die Ermittlungen in dem Fall 2019 zunächst einstellen ließ. Es gebe inzwischen aber weitere Zeugenaussagen, durch die die Fakten neu bewertet werden müssten, sagt Aleš Cimbala, Sprecher der Prager Staatsanwaltschaft:
„Vereinfacht gesagt, heben die neuen Beweise die bisherigen rechtlichen Erwägungen auf, auf deren Grundlage die ursprüngliche Entscheidung getroffen wurde. Aus Medienberichten ist bekannt, dass sich zwei Zeugen zur Aussage gemeldet haben.“
Einer dieser beiden Zeugen ist Andrej Babiš junior. Der Sohn des Ex-Premiers hatte ursprünglich zu den elf Verdächtigen gezählt. In den vergangenen zwei Jahren wandte er sich aber wiederholt gegen seinen Vater und äußerte öffentlich den Vorwurf, er sei zum Sündenbock gemacht worden.
Die Polizei begann ihre Ermittlungsarbeiten im Fall „Storchennest“, nachdem im Herbst 2015 eine anonyme Anzeige wegen Subventionsbetrugs eingegangen war. Die fraglichen Zahlungen für den Umbau des Hotel- und Konferenzareals in Mittelböhmen stammen aus dem Jahr 2008. Andrej Babiš, damals Finanzminister und Vizepremier, wurde 2017 auf eigenen Wunsch erstmals seiner Immunität enthoben. Staatsanwalt Jaroslav Šaroch stellte die Nachforschungen gegen alle elf Beschuldigten allerdings nach und nach ein. Im Dezember 2019 ordnete der damalige oberste Staatsanwalt Pavel Zeman eine Wiederaufnahme an, diesmal aber nur gegen Babiš – inzwischen tschechischer Regierungschef – und dessen ehemalige Mitarbeiterin Jana Nagyová.
Beide Angeklagten beteuern seit Beginn der Causa ihre Unschuld. Babiš wiederholte am Montag seinen Vorwurf, dass es sich um einen konstruierten Fall handle:
„Anklage in einer 15 Jahre alten Pseudo-Causa zu erheben, halte ich für einen gänzlich offenkundigen Versuch, mich zu kriminalisieren. Wenn ich nicht in der Politik wäre, würde sich niemand damit beschäftigen, denn schließlich ist nichts passiert. In dem ‚Storchennest‘-Areal sind hingegen 90 Menschen angestellt, es dient der Öffentlichkeit und führt 400 Millionen Kronen an Abgaben und Lohnzahlungen ab.“
400 Millionen Kronen sind umgerechnet 16,2 Millionen Euro.
Babiš teilte weiter mit, er wolle weder sein Abgeordnetenmandat noch den Ano-Parteivorsitz abgeben. Die untere Parlamentskammer hat seine Immunität am 3. März bereits zum dritten Mal aufgehoben und die Strafverfolgung gegen Babiš ermöglicht. Trotzdem habe er die Unterstützung seiner Partei Ano, betonte der stellvertretende Vorsitzende Karel Havlíček gegenüber dem Tschechischen Rundfunk:
„So wie die ganze Causa schon seit mehreren Jahren abläuft, ist auf den ersten Blick zu erkennen, dass sie zu einem guten Maße konstruiert ist. Ano steht eindeutig und gestärkt hinter dem Vorsitzenden Babiš.“
Der Fall „Storchennest“ wird nun vor dem Prager Stadtgericht verhandelt. In etwa drei Monaten sollte die Entscheidung fallen, ob das Hauptverfahren eröffnet wird.