Freispruch für Andrej Babiš im Korruptionsprozess „Storchennest“
Am Montag wurde das Urteil in dem derzeit meistverfolgten Prozess Tschechiens verkündet. Ex-Premier und Präsidentschaftskandidat Andrej Babiš (Ano) ist von den Korruptionsvorwürfen im Fall „Storchennest“ freigesprochen worden.
Die Nachricht des Tages wurde am Montagmorgen kurz nach neun Uhr öffentlich: Das Stadtgericht Prag hat den Ano-Parteivorsitzenden, Ex-Premier und Präsidentschaftskandidaten Andrej Babiš im Korruptionsprozess um das Wellness-Ressort „Čapí hnízdo“ (Storchennest) freigesprochen. Das gleiche Urteil wurde für Babišs ehemalige Beraterin Jana Nagyová gefällt. Beide waren der Urteilsverkündung ferngeblieben.
Die Staatsanwaltschaft hatte ursprünglich für beide Angeklagte eine dreijährige Haftstrafe mit fünfjähriger Bewährungszeit gefordert. Hinzukommen sollten Geldstrafen von zehn Millionen Kronen (420.000 Euro) für Babiš und von 500.000 Kronen (knapp 21.000 Euro) für Nagyová. Dem Gesetz nach könnten in einem Fall wie diesem, bei dem es um die Vergabe von 50 Millionen Kronen (zwei Millionen Euro) EU-Subventionen ging, sogar bis zu zehn Jahre Haft verhängt werden. Schon vor der Urteilsverkündung erläuterte Gerichtssprecher Aleš Cimbala, warum das Plädoyer geringer ausgefallen war:
„Die Staatsanwaltschaft hat zum einen die lange Prozessdauer berücksichtigt, zum anderen das Verhalten der Angeklagten bei den Verhandlungen. Zudem gilt als mildernder Umstand die Tatsache, dass die Subventionen von 50 Millionen Kronen zurückgezahlt wurden.“
Die Anklageschrift hatte Jana Nagyová als Antragstellerin Subventionsbetrug vorgeworfen. Babiš war der Hilfestellung beschuldigt worden, weil er als Eigentümer des Konzerns Agrofert durch Aktienüberschreibungen dafür gesorgt haben soll, dass das Projekt „Storchennest“ in die Subventionskategorie kleine und mittlere Unternehmen fällt. Petr Hartman, Kommentator beim Tschechischen Rundfunk, äußerte in den Inlandssendungen seine Überraschung über die Gerichtsentscheidung:
„Angesichts der gesamten Prozessführung sowie der Äußerungen verschiedener erfahrener Anwälte, die die Verhandlungen verfolgt haben, war eher ein gegenteiliges Urteil erwartet worden. Die vorgelegten Beweise und die Zeugenaussagen wiesen nicht auf einen Freispruch hin. Es hat sich aber gezeigt, dass wir in einem Rechtsstaat leben, in dem die Gerichte unabhängig sind und ihre Urteile auf der Grundlage eigener Erwägungen fällen.“
Dies betont auch Andrej Babiš selbst. Am Montagmittag trat er vor die Presse und äußerte seine „große Freude“ über das Urteil. Es sei eine gute Nachricht für Tschechien und die Bevölkerung, dass die Justiz unabhängig sei, betonte der Politiker und schilderte:
„Für meine Familie und mich war dies ein großes Trauma. Sechs Jahre lang mussten wir gegen Unwahrheiten und falsche Informationen ankämpfen. Darum bin ich froh, dass das Gericht die Argumente meiner Verteidigung anerkannt hat.“
Die Causa sei immer wieder vor Wahlen gegen ihn genutzt worden, fuhr Babiš fort. Auch in der Vergangenheit hatte der Ex-Premier den Fall wiederholt als konstruiert und politisch motiviert bezeichnet. Darauf angesprochen, räumte Babiš am Montag ein:
„Es stimmt, dass ich mich einmal schlecht geäußert und in einer bestimmten emotionalen Lage über den Prozess gesprochen habe. Dafür entschuldige ich mich, das habe ich nicht so gemeint. Ich bleibe aber dabei, dass es sich um eine politische Strafverfolgung gehandelt hat. Denn 2019 wurde sie vom Staatsanwalt eingestellt, dann aber wieder aufgenommen auf Grundlage erdachter Argumente des Obersten Staatsanwaltes. Und dieser ist ein politischer Abgesandter der Regierung.“
Der tschechische Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) reagierte schon am Montagvormittag auf den Freispruch. In einer Stellungnahme für die Presseagentur ČTK schrieb er, dass das Urteil eines unabhängigen Gerichts respektiert werden müsse. Der wirkliche politische Wettbewerb spiele sich in einer Demokratie allerdings bei Wahlen und nicht in Gerichtssälen ab, fügte der Premier hinzu.
Tatsächlich steigt mit dem Urteil vom Montag die Spannung vor der Präsidentschaftswahl, die am Freitag und Samstag stattfindet. Babiš ist einer von drei Favoriten, aktuelle Umfragen sehen ihn im ersten Wahlgang an erster oder knapp an zweiter Stelle. Ein Sieg in der Stichwahl 14 Tage später ist für Babiš den tschechischen Meinungsforschungsinstituten zufolge aber unwahrscheinlich.
Der „Storchennest“-Prozess hatte Mitte September vergangenen Jahres begonnen. Die reine Verhandlungszeit betrug etwa fünf Wochen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Staatsanwaltschaft kann Einspruch einlegen.