Betrug am Verbraucher? Tschechien diskutiert über die Rekordgewinne einiger Lebensmittelhersteller
Lebensmittel sind in Tschechien im vergangenen Jahr im EU-Vergleich überdurchschnittlich teuer geworden. Dahinter standen auch die Energiekrise und die Entwicklung bei den Produktionskosten. Jetzt ist herausgekommen, dass eine Reihe von Lebensmittelherstellern und landwirtschaftlichen Firmen ihre Gewinne für 2022 deutlich erhöhen konnte. In Tschechien fragt man sich daher, wie es dazu kommen konnte.
Brot ist im vergangenen Jahr in Tschechien durchschnittlich um ein Drittel teurer geworden. Bei Butter gab es sogar eine Preiserhöhung um zwei Drittel. Nun haben die Lebensmittelhersteller und landwirtschaftlichen Großfirmen ihre Bilanzen für 2022 veröffentlicht. Und die tschechische Öffentlichkeit staunt über die hohen Gewinne zahlreicher Unternehmen.
Das extremste Beispiel ist der Käse- und Butterproduzent Alimpex Food. Sein Gewinn stieg von 3 auf 54 Millionen Kronen (2,24 Millionen Euro). Das war der höchste Wert für den Hersteller aus Prag in den vergangenen zehn Jahren. Mehr als verdoppelt hat sich der Gewinn zum Beispiel beim Süßwarenanbieter Mondelez Tschechien. Erfolge wiesen zudem die Großmolkerei Kunín, ihre Konkurrentin Olma aus dem Agrofert-Konzern oder der Hähnchenfleisch-Produzent Voňanské kuře aus. Dies seien alle Großanbieter, sagt der Agrar-Analytiker Petr Havel:
„Diese großen Firmen haben eine starke Verhandlungsposition auf dem Markt. Sie können daher erfolgreicher solche Preise fordern, die für sie günstig sind.“
Und im Vergleich zu Deutschland oder etwa Österreich ist der tschechische Markt für landwirtschaftliche Produkte viel stärker von Großanbietern geprägt. Das heißt andersherum: Es fehlt die Konkurrenz, die die Preise drücken oder den Preisanstieg einschränken könnte. Und die Einzelhandelskonzerne müssen dies zunächst einmal akzeptieren.
Hinter den höheren Gewinnen stehen aber auch schlicht die gestiegenen Umsätze. Die Gewinnmarge hat sich also bei vielen Firmen gar nicht erhöht. Und dort, wo dies doch der Fall ist, kann es auch eine Momentaufnahme sein. Dazu erläuterte Radim Dohnal, Analytiker beim Unternehmensberater Capitallinked, in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Bei den Umsätzen vieler Hersteller zeigen die Weltpreise ihre Wirkung. Und diese waren im vergangenen Jahr wirklich hoch – wegen des Ukraine-Kriegs, der entsprechenden Panik und dem Beginn der Energiekrise. Hingegen lagen die Preise für Betriebsmittel bei den landwirtschaftlichen Unternehmen in Tschechien im Vergleich eher niedrig. Das ergab sich aus vorherigen Preisabsprachen. Deswegen erwarte ich für 2023 eher eine Trendwende.“
So profitierten die Bauern hierzulande zum Beispiel noch von den niedrigeren Preisen für Düngemittel. Die Teuerung bei diesem Betriebsmittel würden erst im aktuellen Jahr in die Bilanzen einfließen, so Dohnal.
Allerdings haben 2022 längst nicht alle Sparten der Lebensmittelindustrie Gewinne verzeichnet. Einen Aufschluss darüber bietet etwa die Bilanz des Mischkonzerns Agrofert, der einst vom heutigen Ano-Parteichef und ehemaligen Premier Andrej Babiš gegründet wurde. Insgesamt erhöhte Agrofert seinen Gewinn um 124 Prozent auf fast 13 Milliarden Kronen (540 Millionen Euro). Pavel Heřmanský ist Sprecher des Konzerns:
„Insgesamt 56 Prozent unseres Betriebsgewinns entstand im Ausland. Von dort kommt auch mehr als die Hälfte des Umsatzes von Agrofert. Der Verkauf von Lebensmitteln macht rund ein Viertel unserer Umsätze aus. In diesem Segment hat der Konzern aber im vergangenen Jahr keinen Gewinn gemacht. Unsere Lebensmittelfirmen in Tschechien und im Ausland wiesen beim Betriebsergebnis Verluste aus.“
Schlecht lief das Jahr 2022 vor allem für die Bäckereien. Sie sind eine besonders energieintensive Branche. Außerdem ist da laut Agraranalytiker Havel die Konkurrenz in Tschechien groß, und die Bäckereien haben ihre Preise folglich nicht übermäßig erhöhen können.
Bei einigen Firmen wiederum, die Gewinne verzeichnen, schlagen aber auch frühere Investitionen durch. Diese haben sich besonders ausgezahlt, wenn damit zum Beispiel der Energieaufwand reduziert wurde.
Bei genauerer Betrachtung ergibt sich also für die Lebensmittelindustrie und die Landwirtschaft in Tschechien ein sehr differenziertes Bild bei den Betriebsergebnissen.