Tschechiens Bierproduzenten sind den neuen Trends gewachsen
144 Liter Bier – das war im vergangenen Jahr die Menge, die der Tscheche im Schnitt getrunken hat. Damit ist Tschechien nach wie vor die Nummer eins in Europa beim Konsum dieses meist alkoholischen Getränks, auch wenn die Rekordzahlen der vorangegangenen Jahre mittlerweile der Vergangenheit angehören. Noch im Jahr 2003 zum Beispiel trank der Tscheche im Schnitt 160 Liter Bier, und das meist in einer der zahlreichen Gaststätten.
„Der Hauptgrund für diese Entwicklung sind die Preise. Für ein Schankbier in der Gaststätte zahlt man nämlich deutlich mehr als für ein Flaschenbier im Super- oder Hypermarkt.“
Die Bierproduktion in Tschechien wurde demgegenüber aber nicht gedrosselt. Im Gegenteil, der Schwund bei der Nachfrage in den Kneipen und Restaurants wurde durch den gesteigerten Export des Bieres sogar noch übertroffen. Im vergangenen Jahr wurden 3,5 Millionen Hektoliter des tschechischen Top-Getränks in alle Welt ausgeführt – das sind neun Prozent mehr als im Jahr zuvor. Auch die berühmte Prager Brauerei Staropramen hat zu dieser Entwicklung beigetragen, sagt deren Sprecher Pavel Barvík:
„Wir haben neue Absatzmärkte hinzugewonnen wie beispielsweise Finnland, Weißrussland oder die Vereinigten Arabischen Emirate.“Zur Freude der hiesigen Brauer ist zudem der Bierimport zurückgegangen. Der Bierkonsum im Inland ist es aber auch, und zwar im Schnitt um zwei Liter pro Person im Vergleich zum Vorjahr. In Europa sind die Tschechen zwar weiter Spitze, doch dies muss in Zukunft nicht so bleiben, meint der Vorsitzende des Tschechischen Verbandes der Brauereien und Mälzereien, František Šámal:
„Ich gehe davon aus, dass der Verbrauch im Inland nicht mehr wachsen wird. Langfristig zeigt der Trend eher nach unten. Das ist auch eine Folge des sich wandelnden Lebensstils.“Dieser Wandel zeigt sich unter anderem darin, dass immer mehr Tschechen ihr Bier inzwischen selbst kochen. Zu den Hof- und Hobbybrauern gehört auch Petr Měrka. Er hat binnen sieben Jahren schon Dutzende verschiedene Sorten Bier gebraut.
„Wer anhand eines Kochbuchs in der Lage ist, eine Krautsuppe zu kochen, der kann meiner Meinung nach auch gutes Bier brauen“, findet Měrka.
Hopfen, Malz und Hefe kann man heutzutage auch im Internet kaufen. Ansonsten braucht man noch Wasser und viel Geduld. Denn das Kochen des Bieres dauert fast einen ganzen Tag. Für viele Tschechen ist dies jedoch kein Hindernis. Groben Schätzungen zufolge brauen bereits mehrere tausend Menschen hierzulande ihr Bier zu Hause. Und ihre Zahl wäre vermutlich noch größer, wenn die Steuergesetze das Selbstbrauen nicht beschränken würden. In jedem Haushalt darf nämlich maximal nur 200 Liter Bier im Jahr selbst produziert werden.
In punkto Menge und Qualität haben die Minibrauereien zuletzt den größten Sprung nach vorn gemacht. In ganz Tschechien gibt es schon 215 von ihnen, und jeden Monat kommen zwei bis drei weitere hinzu. Das Interesse an dieser Form der tschechischen Braukunst und der damit verknüpften Vielfalt der hiesigen Bierproduktion ist in jüngster Zeit enorm gestiegen. Das Jahr 2013 sei für sein Unternehmen sehr erfolgreiches gewesen, bestätigt so auch Jan Göttel, der Chef der Prager Minibrauerei „U Medvídku“. Laut Göttel gibt es dafür einleuchtende Gründe:„Wir stellen keine Massenware her, sondern liefern Bier für eine spezielle Kundschaft beziehungsweise für Menschen, die nach Abwechslung oder einem Genusserlebnis suchen. Ich bin zudem überzeugt davon, dass die Zahl der über 200 Minibrauereien nicht zu groß ist, sondern dass der Markt für alle diese Brauereien vorhanden ist und sie somit keine Absatzprobleme haben.“
Zu einer Minibrauerei gehört in der Regel ein angeschlossenes Restaurant, in dem die Gäste den mannigfaltigen Gerstensaft vor Ort genießen können. Wegen der Konkurrenz der großen Brauereien wie auch der Handelsketten müsse der Bierpreis aber weitgehend niedrig gehalten werden. Das eigentliche Geschäft werde daher über die angeboten Speisen oder aber durch organisierte Begleitprogramme, Brauerei-Führungen und innovative Bierspezialitäten gemacht, sagt Göttel:„Wir bieten beispielsweise Bierschokolade oder Bier-Eis an. Oder wir räumen unseren Gästen die Möglichkeit ein, sich ihr Bier selbst zu brauen. Das sind alles Dinge, die den Kunden ein Erlebnis bescheren, das sie auch gern genießen wollen.“
Es scheint, als hätten die tschechischen Brauereien und Bierfreunde die Zeichen der modernen Zeit erkannt und ihre Produktions- wie auch Absatzmethoden dementsprechend angepasst. Bleibt nur noch zu ergänzen: An der direkten Bierproduktion Tschechiens sind rund 7000 Personen beteiligt. Insgesamt bietet die Herstellung des Flüssigbrots der Nation jedoch mehr als 63.000 Menschen Arbeit. Denn neben den Beschäftigten in den Brauereien gehören zu ihnen auch die Lieferanten, Gastronomen oder Kleinhändler.