Tschechiens Landwirte leiden unter niedrigen Preisen und Subventionsabbau
In Tschechien sind die Lebensmittelpreise derzeit so niedrig wie schon lange nicht mehr. Sehr zur Freude der Verbraucher. Händler und Landwirte hingegen sind darüber nicht begeistert. Vor allem die Landwirte haben mit dieser und anderen Folgen der Wirtschaftskrise stark zu kämpfen.
„Wir haben hochgerechnet, dass wir bei den gegenwärtigen Aufkaufpreisen unserer Produkte und mit Hilfe der staatlichen Subventionen in diesem Jahr noch einen Gewinn von zwei Milliarden Kronen (etwa 80 Millionen Euro) erzielen können. Das jedoch ist schrecklich wenig.“
In der Tat: Das wäre nur ein Fünftel der knapp 400 Millionen Euro, die die tschechischen Landwirte noch im Jahr 2008 erwirtschaftet haben. Und das in einem Wirtschaftszweig, der sich von selbst reproduzieren müsse, so Veleba.
Schuld an dieser Misere sind die in diesem Jahr sehr geringen Aufkaufpreise, moniert Veleba: „Unsere Preise liegen im ersten Halbjahr dieses Jahres um 29 Prozent unter denen des Vergleichszeitraums vom letzten Jahr.“
Der Preisverfall wird besonders deutlich bei zwei Produkten – bei Milch und Getreide. „Der Aufkaufpreis für Milch liegt gegenwärtig schon unter sechs Kronen pro Liter. Den uns vorliegenden Informationen zufolge aber liegen die Kosten zur Erzeugung von einem Liter Milch bei durchschnittlich 7,90 bis 8,20 Kronen“, sagt Jan Veleba.
Die Landwirte zahlen also bei der Milchproduktion drauf. Beim Getreide ist der Preisverfall noch deutlicher. Hier ist der Aufkaufpreis auf 2700 Kronen (rund 105 Euro) je Tonne gesunken. „Das ist ein Preis, mit dem wir uns zuletzt noch vor der Wende zufrieden geben mussten.“
Verantwortlich für den Preisverfall bei landwirtschaftlichen Produkten ist vor allem die Wirtschaftskrise. Denn auch die Handelsketten mussten wiederum die Preise für den Einzelhandel heruntersetzen. Petr Vyhnálek, Geschäftsführer der Handelsgesellschaft Globus:
„Für die Senkungen der Lebensmittelpreise gibt es mehrere Gründe. Zum einen schränken sich die Verbraucher in ihrem Konsumverhalten derzeit deutlich ein, und zum anderen sorgt dafür der harte Konkurrenzkampf, der auf dem tschechischen Markt herrscht. Hinzu kommt ein gewisser Rückgang der Einkaufspreise.“
Unter den niedrigen Einkaufspreisen leiden aber, wie bereits erwähnt, die Landwirte. Sie können ihre Lebensmittel kaum noch kostendeckend produzieren und bedrängen deshalb immer wieder die Händler, auf einen Teil der Gewinnspanne zu verzichten. Petr Vyhnálek lehnt das ab: „Wenn wir die Preise noch weiter senken würden, dann landen wir in den roten Zahlen.“Mit dieser Darstellung kann sich Agrarkammerchef Veleba nicht anfreunden und rechnet vor: „Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Die Gewinnspanne der Handelsketten ist von 20 Prozent im Jahr 2003 auf 35 Prozent im Jahr 2008 gestiegen.“
Aber Business ist Business, und so werden die Händler den Teufel tun, sich den Ast, auf dem sie sitzen, selbst abzusägen. Von daher müssen die tschechischen Landwirte noch mehr als bisher auf die zweite große Einnahmenquelle setzen – auf die Subventionen der Europäischen Union und des eigenen Staates. Da die Landwirte aus Tschechien und den anderen neuen EU-Ländern wesentlich weniger Geld aus Brüssel erhalten als ihre Kollegen aus den westeuropäischen Ländern, hat die Prager Regierung bisher stets einen gewissen Ausgleich gezahlt. In diesem Jahr liegt die staatliche Zuzahlung bei umgerechnet 260 Millionen Euro, so dass die tschechischen Bauern zusammen mit den EU-Geldern auf etwas mehr als 1,2 Milliarden Euro an Subventionen zurückgreifen können. Der damit prognostizierte Gewinn von zirka 80 Millionen Euro könnte aber vorerst der letzte sein, den die Landwirte erzielen. Aufgrund der sehr angespannten Haushaltslage hat Landwirtschaftsminister Jakub Šebesta nämlich bereits angekündigt:
„Es ist sehr gut möglich, dass wir im nächsten Jahr die Subventionen zum ersten Mal nicht in voller Höhe auszahlen können. Im Staatshaushalt wird dafür einfach kein Geld vorhanden sein.“
Das wiederum hätte zur Folge, dass die wegen der niedrigen Preise bereits fast stagnierende Inflation noch weiter zurückgehen würde. Einige Finanzexperten befürchten in diesem Zusammenhang sogar eine Deflation der Verbraucherpreise, was dem Wirtschaftswachstum alles andere als dienlich wäre. Auch Landwirtschaftsminister Šebesta weiß um die Verquickung der anstehenden Entscheidungen:
„Wenn wir den Subventionsausgleich im nächsten Jahr nicht zahlen und somit eine Nullrunde durchführen werden, dann werden sich die Verluste, die die Landwirtschaft hinnehmen muss, bei mehr als drei Milliarden Kronen bewegen.“
Sollten all diese Szenarien eintreten, dann würden die tschechischen Landwirte im europäischen Vergleich noch weiter zurückgeworfen, als sie es jetzt schon sind, sagt Veleba und verdeutlicht:
„Wir müssen uns mit dem Ausland messen. Da aber sind wir derzeit weit schlechter gestellt als unsere Kollegen in den Nachbarländern. An Subventionen, sowohl aus Brüssel als auch vom eigenen Staat, erhält der tschechische Landwirt je Hektar nur etwa 55 Prozent der Summe, die ein österreichischer Landwirt erhält, und zirka 65 Prozent der Zuwendungen eines Bauern aus Deutschland. Darin liegt auch das Problem, warum nach Tschechien so viele Lebensmittel eingeführt werden – weil die Kollegen aus Österreich und Deutschland diese Waren billiger produzieren können.“
Doch damit nicht genug. Bei einer Fortsetzung der derzeitigen Entwicklung sieht Veleba schon das Schreckgespenst der „slowakischen Dörfer“ nahen:„Wegen der geringen und weiter sinkenden Einnahmen stehen wir bereits am Anfang des slowakischen Weges. Dieser Weg sieht so aus: Die Landwirtschaft ist nicht mehr in der Lage, ihre Produktion zu finanzieren. Und jetzt kommen immer mehr Käufer aus dem Ausland. In der Slowakei gibt es heute schon ganze Landstriche, die dänischen Besitzern gehören. Der Schriftsteller Vaculík sagt dazu: Die Slowaken sind Knechte auf dem eigenen Grund und Boden.“
Wie steinig der Weg der tschechischen Landwirtschaft sein wird, das werden die kommenden Wochen und Monate zeigen.