Tschechiens Stahlproduktion auch 2012 weiter rückläufig

Foto: ČT24

Die tschechische Hüttenindustrie musste im vergangenen Jahr Einbußen hinnehmen. Um sechs Prozent gingen die Erträge der Stahlunternehmen zurück, sie beliefen sich insgesamt auf zirka 100 Milliarden Kronen (4 Milliarden Euro). In diesem Jahr sei jedoch wieder eine geringfügige Verbesserung zu erwarten, teilte der Vorsitzende des Verbandes der Eisenhütten, Jaroslav Raab, am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Prag mit.

Foto: ČT24
Die Zeiten, in denen in Tschechien beziehungsweise der ehemaligen Tschechoslowakei Stahl weit über den Bedarf des eigenen Landes hinaus produziert wurde, sind längst vorbei. Dennoch verwies Branchenchef Jaroslav Raab auf die Unmengen an Stahl, die in der sozialistischen Tschechoslowakei vor etwa 30 Jahren noch produziert wurden:

„Die jährliche Stahlproduktion betrug damals zirka 15 Millionen Tonnen. Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass die Tschechoslowakei damals 15 Millionen Einwohner hatte, dann ist klar: Es wurden 1000 Kilogramm Stahl pro Kopf produziert, der Bedarf lag allerdings nur bei 700 Kilogramm pro Kopf.“

Foto: ČT24
Eine solche Überproduktion können sich die inzwischen marktorientierten Unternehmen nicht mehr leisten, zumal der Verbrauch nach der Wende sogar bis auf 240 Kilogramm Stahl pro Kopf gesunken sei, so Raab. Daher habe sich die jährliche Stahlproduktion in Tschechien ab den 1990er Jahren bei 5 bis 6 Millionen Tonnen eingependelt, allerdings nur bis zum Krisenjahr 2009. Dort habe es den nächsten kleineren Bruch gegeben. Und es wird – angesichts der Entwicklungen auf dem Weltmarkt – ebenso kaum möglich sein, auf den Produktionsumfang vor der Krise zurückzugelangen, sagte Raab. Denn auch im vergangenen Jahr musste die Produktion wieder zurückgefahren werden:

Jaroslav Raab
„Im Jahr 2011 waren es 5,5 Millionen Tonnen und im Jahr 2012 nur noch 5,07 Millionen Tonnen Stahl, die produziert wurden. Das heißt, im Jahr 2012 hat es einen weiteren Rückgang von rund zehn Prozent gegeben.“

Ein wesentlicher Grund für die eingeschränkte Produktion in Tschechien ist die mangelnde Konkurrenzfähigkeit. Das Land kann seine Stahl- und Eisenwaren lediglich im Rahmen der Europäischen Union absetzen. Auf dem Weltmarkt könne man mit aufstrebenden Ländern wie Brasilien, Russland, Indien oder China (so genannte BRIC-Länder) nicht mehr mithalten, zumal auch die Transportkosten viel zu hoch seien, bemerkte Raab. Und um überhaupt noch eine relativ stabile Auftragslage zu haben, müsse man heutzutage auch sehr kundennah und kundenfreundlich agieren, betont Raab:

Foto: Archiv ArcelorMittal Ostrava
„Es ist ganz wichtig, dass die Stahlwerker in Europa - und unsere eingeschlossen - in engem Kontakt mit den Abnehmern stehen. Man kann auch sagen, dass 70 Prozent der heute produzierten Stahlwaren nicht älter als zehn Jahre sind. Das zeugt davon, dass die Zusammenarbeit sehr eng ist.“

Im Gegensatz zu ihren europäischen Konkurrenten haben die tschechischen Stahlunternehmen jedoch noch ein spezifisches Problem. Aufgrund der rigorosen Sparpolitik der Regierung Nečas sind Bauaufträge und Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur derzeit eher Mangelware. Die Folge: Der Anteil der tschechischen Stahlproduktion für die einheimische Bauwirtschaft liegt gegenwärtig auch weit unter dem europäischen Durchschnitt: In der EU erreicht dieser Anteil 25 Prozent, in Tschechien aber nur 16 Prozent. Daher wird es auch aus Sicht der Stahlwerker in den nächsten Monaten spannend sein zu verfolgen, inwieweit der tschechische Präsident in spe, Miloš Zeman, seinen neuen Einfluss geltend machen kann. Kurz nach seinem Wahlsieg verkündete Zeman nämlich, dass er der Regierung mehr auf die Füße treten wolle als sein Vorgänger und dass Investitionen in der Zeit der Rezession einfach unabdingbar seien.