Tschechiens Volleyball wartet weiter auf ersten Olympiastart

Illustrationsfoto: Tania Van den Berghen, Pixabay / CC0

Im kommenden Jahr um diese Zeit sind die Olympischen Sommerspiele in Tokio in vollem Gange. Die Nominierungen in den einzelnen Ländern stehen noch aus, doch der Kampf um die Olympiatickets ist bereits voll entbrannt. Vor allem in den Mannschaftssportarten. Im Volleyball der Frauen wurden die Fahrkarten nach Tokio am zurückliegenden Wochenende gleich im halben Dutzend gelöst. Auch das tschechische Team war am Start.

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Seit der Gründung der Tschechischen Republik vor gut 26 Jahren haben tschechische Sportlerinnen und Sportler bei Olympia 87 Medaillen gewonnen. Den Großteil davon holten sie durch überragende Einzelsportler. In der kleinen Gemeinschaft eines Tennis-Doppels oder Ruder-Vierers, einer Kanu-, Biathlon- oder Skilanglaufstaffel wurde immerhin in 13 Fällen Edelmetall ergattert. Von den echten Mannschaftssportarten aber brillierte lediglich das Eishockey mit dem ruhmreichen Olympiagold von Nagano und einmal Bronze 2006 in Turin. Ansonsten herrscht Fehlanzeige, das auch gerade bei den beliebten Ballsportarten des Sommers. Und die Tendenz ist alles andere als erfreulich.

Bei den letzten Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro hatte sich zum ersten Male seit der Trennung von der Slowakei (1993) keine tschechische Mannschaft für Olympia qualifiziert. Und für die Spiele des kommenden Jahres im Land der aufgehenden Sonne ziehen über Tschechien auch schon wieder dunkle Wolken auf. Die größten Chancen, sich für Tokio zu qualifizieren, hatte man hierzulande der Frauenmannschaft im Softball eingeräumt. Zum einen, weil in dieser Sportart die Konkurrenz nicht so stark ist, und zum anderen, weil sich die tschechischen Damen in Florida sehr intensiv auf die diesjährige Europameisterschaft und das folgende olympische Qualifikationsturnier in den Niederlanden vorbereitet hatten. Doch sowohl bei der Heim-EM in Ostrava / Ostrau als auch bei der Qualifikation in Utrecht scheiterten sie in den wichtigen Spielen an Großbritannien. Trainer Vojtěch Albrecht konstatierte daraufhin sehr enttäuscht:

Vojtěch Albrecht: „Ich habe das Gefühl, dass ziemlich häufig die sehr geschickten und talentierten Athleten dem Mannschaftssport den Rücken kehren und zu einer Einzelsportart wechseln. Denn dort treffen sie auf bessere Bedingungen und sehen vor sich einen Karriereweg, der leichter und erfolgreicher ist.“

„Ich habe das Gefühl, dass ziemlich häufig die sehr geschickten und talentierten Athleten dem Mannschaftssport den Rücken kehren und zu einer Einzelsportart wechseln. Denn dort treffen sie auf bessere Bedingungen und sehen vor sich einen Karriereweg, der leichter und erfolgreicher ist.“

Ihrer Sportart nicht den Rücken gekehrt, sondern sich neu formiert haben die besten Volleyballerinnen des Landes. Kurz nach einer ihrer größten Pleiten, der erfolglosen Qualifikation zur diesjährigen Europameisterschaft, unternehmen sie einen weiteren Anlauf auf dem Weg zu neuen Ufern. Dass die Stimmung sich gebessert hat, dazu hat ganz erheblich der neue Trainer beigetragen. Es ist der Grieche Giannis Athanasopulos, der noch im Frühjahr den deutschen Frauenmeister aus Stuttgart trainierte. Zum bisherigen Wirken des temperamentvollen Coaches sagt Zuspielerin und Kapitänin Pavla Šmídová:

Pavla Šmídová  (Foto: Zorro2212,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0)
„Giannis ist ein bekannter Trainer, der sehr intensiv mit seinen Schützlingen kommuniziert. Den ständigen Meinungsaustausch fordert er von allen Spielerinnen ein, von daher erkenne ich hier schon einen Fortschritt im Team. Giannis hat auch sehr viel neue Energie in unsere Truppe gebracht.“

Und dieser kraftvolle Neubeginn hat sich bereits ausgezahlt. Denn seit Athanasopulos im April gekommen ist, hat das tschechische Frauenteam nach sieben Jahren wieder die Europaliga gewonnen. Außerdem wurde der Aufstieg in die Nations League nur knapp verfehlt. Im Finale des Challenger Cups in Peru unterlagen die Tschechinnen der Mannschaft aus Kanada knapp mit 2:3.

Seinen Anteil am Aufschwung der Volleyballerinnen hat auch Martin Hroch. Doch wie der Co-Trainer heute zugibt, war der Neubeginn alles andere als leicht:

„Zunächst habe ich gemeinsam mit dem zweiten Assistenten Mateusz Zarczynski die Mannschaft übernommen. Denn zu der Zeit spielte Giannis noch mit Stuttgart um die deutsche Meisterschaft. Als er dann zu uns stieß, waren die Mädchen noch groggy vom harten Training. Doch Giannis hat neue Energie versprüht und gab den Takt vor für den Start in die European League. In den ersten Begegnungen wirkte das Team noch etwas unsicher. Im Turnierverlauf steigerte es sich dann von Spiel zu Spiel. So sind wir bis ins Finale gekommen, haben dieses gewonnen, und alle waren zufrieden.“

Olympia-Qualifikation gegen China  (Foto: YouTube)
Die jüngsten Erfolge haben Appetit gemacht auf mehr. Und Pavla Šmídová bestätigt, dass der Glaube im Team ein ganzes Stück gewachsen ist:

„Natürlich arbeitet es sich besser, wenn der erste Abschnitt dieser Saison für uns so erfolgreich verlaufen ist. Wir haben wieder mehr Energie und sind motivierter im Team. Doch bei der Olympia-Qualifikation wissen wir, dass dies ein schweres Unterfangen wird, denn die Gruppe ist schwer. Aber wir glauben an unsere Chance und gehen mit viel Elan an unsere Arbeit.“

Das mussten die Tschechinnen auch, wollten sie in ihrer Hammergruppe mit Olympiasieger China, der Türkei und Deutschland bestehen. Gleich zum Auftakt trafen sie auf den Titelverteidiger von Rio. Über die Chinesinnen sagte Co-Trainer Hroch vor der Partie:

Pavla Šmídová: „Natürlich arbeitet es sich besser, wenn der erste Abschnitt dieser Saison für uns so erfolgreich verlaufen ist. Wir haben wieder mehr Energie und sind motivierter im Team. Doch bei der Olympia-Qualifikation wussten wir, dass dies ein schweres Unterfangen wird.“

„Uns steht ein Gigant gegenüber, der nicht nur über zwölf starke Stammspielerinnen, sondern über vielleicht 25 gleichwertige Volleyballerinnen verfügt. In der Nations League wurden die Chinesinnen Dritte. In ihrer Vorrundengruppe haben sie aber alles gewonnen und wurden Gruppensieger.“

Nach den Gastgeberinnen mussten die Schützlinge von Chefcoach Athanasopulos am Samstag gegen die Türkei antreten. Auch über das Team vom Bosporus äußerte sich Martin Hroch im Vorfeld lobend:

„Es ist nicht zu übersehen, dass der türkische Volleyball-Verband zuletzt ein gutes Stück Arbeit geleistet hat. Sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen kann man das an den Ergebnissen ablesen, obwohl man festhalten muss, dass auf Vereinsebene viele Ausländer in den türkischen Mannschaften mitspielen. Die finanzielle Stärke des türkischen Volleyballs aber schlägt sich auch auf nationaler Ebene nieder. Der Verband unternimmt alles, um die Nationalmannschaften zu puschen. Die Ergebnisse stimmen, von daher scheint das auch zu funktionieren.“

Giannis Athanasopoulos  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
In ihrem abschließenden Qualifikationsspiel trafen die Tschechinnen am Sonntag auf die Frauen-Nationalmannschaft von Nachbar Deutschland. Und hier sah Hroch die größten Chancen auf einen Sieg, auch wegen des eigenen Chefs:

„Für uns dürfte es ein Vorteil sein, dass unser Coach Giannis zuvor Stuttgart trainiert hat und mit dem Verein deutscher Meister wurde. Von daher dürfte er die Mehrzahl der deutschen Nationalspielerinnen sehr gut kennen und wird uns entsprechend auf diesen Gegner einstellen. Dazu kommt noch eine gewisse Rivalität. Denn wir wollen dem deutschen Volleyball zeigen, dass auch wir etwas draufhaben.“

Angesichts dieser Gegnerschaft aber dämpfte Kapitänin Šmídová die Erwartungen:

„Unsere Chancen bei dem Turnier sind minimal. Aber wir werden um das bestmögliche Resultat kämpfen und dabei auch hoffen, dass der jeweilige Gegner vielleicht nicht gerade seinen besten Tag hat. Was am Ende herauskommt, ist schwer zu sagen.“

Tschechien - Deutschland  (Foto: YouTube)
Und wie hat sich das Team von Trainer Athanasopulos letztlich geschlagen? Gegen die haushohen Favoritinnen aus China gab es die erwartete 0:3-Niederlage. Die mutig spielenden Tschechinnen trotzten den Gastgeberinnen immerhin 80 Minuten lang und hatten in den hart umkämpften Sätzen zwei und drei auch gute Chancen auf einen Satzgewinn. Danach aber bauten sie immer weiter ab. Gegen die Türkei feierten sie ihren einzigen Satzgewinn, verloren die Partei aber mit 1:3. Und gegen Deutschland gelang ihnen fast gar nichts mehr, sie verloren sang- und klanglos mit 0:3. Dennoch will Trainer Athanasopulos nicht lange Trübsal blasen. In seinem Fazit erklärte er, dass es für seine Mannschaft eine tolle Schule war, auf drei Teams aus den Top 10 der diesjährigen Nations League getroffen zu sein. Seine Schützlinge müssten sich weiter verbessern bei der Ballannahme und beim Aufschlag und zudem lernen, wie man unter Druck und in engen Situationen spielt.

Lukáš Palyza: „Schon die WM-Teilnahme ist für den tschechischen Basketball ein lang gehegter und für unerfüllbar gehaltener Traum. Jetzt aber ist er Wirklichkeit. Gegenwärtig setzt sich die Nationalmannschaft aus Akteuren einer starken Generation zusammen. Es sind Spieler, die keinen Gegner fürchten, also auch nicht den Kampf um das Olympiaticket.“

Am Ende bleibt festzuhalten: Die tschechischen Volleyballerinnen haben in Ningbo nicht enttäuscht, doch für ein noch besseres Ergebnis sind die jüngsten Verbesserungen noch zu gering. Von daher bleibt es dabei, dass der tschechische Volleyball weiter auf seinen ersten Olympiastart wartet. Letztmals waren Tschechen in der Mannschaft der Tschechoslowakei im Jahr 1980 bei Olympia dabei. Und die Frauen waren in Team der Tschechoslowakei das letzte Mal sogar noch acht Jahre früher, 1972 in München, mit von der Partie.

Aber eine Hoffnung hat der tschechische Mannschaftssport noch: das Basketball-Team der Männer. Dieses hat sich nach 37 Jahren erstmals wieder für eine WM-Endrunde qualifiziert. Das Turnier findet vom 31. August bis 15. September auch in China statt. Am Start sind 32 Mannschaften, doch nur die besten sieben qualifizieren sich direkt für Tokio. Nationalspieler Lukáš Palyza sieht es so:

„Das ist ein großer Anreiz. Schon die WM-Teilnahme ist für den tschechischen Basketball ein lang gehegter und für unerfüllbar gehaltener Traum. Jetzt aber ist er Wirklichkeit. Gegenwärtig setzt sich die Nationalmannschaft aus Akteuren einer starken Generation zusammen. Es sind Spieler, die keinen Gegner fürchten, also auch nicht den Kampf um das Olympiaticket. Trotzdem wird es schwer, unter die besten sieben Teams der WM zu kommen. Möglicherweise ist dieses Ziel auch unerreichbar angesichts der Qualität der Konkurrenz.“

Autor: Lothar Martin
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