Volleyballer aus Karlsbad wollen Abstand zu Europas Elite verkürzen
Tschechien kann als relativ kleines Land nicht überall im Sport brillieren. Vor allem in den Mannschaftssportarten ist es schwierig, mit den Besten in Europa mitzuhalten. Im Volleyball der Männer aber gibt es zumindest einen Silberstreif am Horizont – es ist das Team aus Karlsbad.
Man mag es gar nicht glauben: In den 1960er und 1970er Jahren gehörten die tschechoslowakischen Volleyballer zur europäischen Spitze. Zwischen 1967 und 1979 gewannen drei Teams des Landes insgesamt viermal den European Champions Cup, den Vorläufer der heutigen Champions League. Es waren die Mannschaft aus Brno / Brünn, die zweimal siegte, sowie die Teams aus Liberec / Reichenberg und Bratislava. Seit den 1990er Jahren aber geben vor allem Volleyballvereine aus Italien und Russland den Ton. Sie haben seitdem 26 Mal den Sieger des Cups gestellt beziehungsweise ab 2000 der Champions League.
Seit dem vergangenen Jahr versucht nun eine Mannschaft aus Tschechien wieder in die Phalanx der europäischen Top-Teams einzudringen. Es sind die Volleyballer aus Karlovy Vary / Karlsbad, die sich unter dem Vereinsnamen VK ČEZ Karlovarsko präsentieren. Bei ihrer ersten Champions-League-Teilnahme in der Saison 2019/20 zahlten sie noch kräftig Lehrgeld – gegen zwei italienische Clubs und ein polnisches Team holten sie keinen einzigen Satz. Auch in dieser Saison sind sie nur krasser Außenseiter, denn in der Gruppe E heißen die Gegner: Itas Trentino, Lokomotiv Novosibirsk und VfB Friedrichshafen. Das erste Turnier dieses Quartetts wurde Anfang Dezember in Trient in Südtirol ausgetragen. Die Karlsbader verloren alle drei Spiele, doch sie konnten in jeder Begegnung zumindest einen Satz gewinnen. Nach dem abschließenden 1:3 gegen Novosibirsk resümierte Trainer Jiří Novák:
„Vom Kämpferischen her können wir mithalten, erstaunlicherweise sind wir auch in punkto Netz- und Feldabwehr gleichwertig. Wir haben aber Nachholbedarf, was die Härte der Schläge betrifft. Da fehlt uns leider noch ein Stück zum europäischen Top-Niveau.“
Die drei Kontrahenten der Karlsbader gehören zur europäischen Elite. Novosibirsk und Friedrichshafen haben die Champions League bereits einmal gewonnen, die Italiener sogar dreimal. Beim Turnier in Trient sind die Westböhmen zudem mit einem Handicap angetreten: Wegen des zweiten Corona-Lockdowns in Tschechien hatten sie weniger Spielpraxis als die Gegner. Jiří Novák:
Jiří Novák: „Vom Kämpferischen her können wir mithalten, erstaunlicherweise sind wir auch in punkto Netz- und Feldabwehr gleichwertig. Wir haben aber Nachholbedarf, was die Härte der Schläge betrifft.“
„Für uns war es ein Schritt ins Ungewisse. Denn auch nach der Corona-bedingten Spielpause haben wir in der tschechischen Liga kein einziges Mal zwei Begegnungen binnen 24 Stunden absolviert. Während der Pause haben wir jedoch gut trainiert, die Mannschaft war physisch in Schuss und hat so während des Turniers auch nicht abgebaut.“
Im Gegenteil, die Favoriten mussten ihr ganzes Können aufbieten, um die Karlsbader in die Knie zu zwingen. Die Tschechen verloren jeweils mit 1:3 Sätzen. Doch jede Partie sei anders verlaufen, schildert Novák:
„In jedem Spiel hatten wir Phasen, in denen wir ebenbürtig und möglicherweise sogar das etwas bessere Team waren. Demgegenüber gab es natürlich auch Passagen, in denen uns der Gegner überlegen war. Ich denke, dass wir eine Hälfte in der Begegnung mit Friedrichshafen gut mitgehalten haben. Gegen Trient haben wir einen überragenden ersten Satz gespielt, in dem uns nahezu alles gelungen ist. Danach sind wir mit großem Selbstvertrauen in das abschließende Match mit Novosibirsk gegangen, doch leider hat unsere Leistung nur für einen weiteren Satzgewinn gereicht.“
Für die Akteure des VK ČEZ Karlovarsko aber war jede Partie eine Bereicherung. Nach dem Vergleich mit Friedrichshafen sagte Zuspieler Martin Kočka:
Martin Kočka: „Für jeden von uns ist es ein Erlebnis, wenn er an einem solchen Wettbewerb wie der Champions League teilnehmen kann. Es ist schön, dass wir wenigstens einen Satz gewonnen haben.“
„Für jeden von uns ist es ein Erlebnis, wenn er an einem solchen Wettbewerb wie der Champions League teilnehmen kann. Es ist schön, dass wir wenigstens einen Satz gewonnen haben. Schade aber ist, dass wir im zweiten Satz ein paar kleine Fehler zu viel gemacht haben. Sonst hätten wir wohl auch diesen Satz für uns entscheiden können.“
In diesem Fall hätten die Karlsbader auch bereits ihren ersten Punktgewinn in der Tasche gehabt. Denn steht es nach vier Sätzen 2:2, bekommt jedes Team einen Punkt, während der Sieger des verkürzten fünften Satzes einen weiteren Zähler einstreicht. In jenen Begegnungen, die 3:0 oder 3:1 ausgehen, erhält der Gewinner drei und der Verlierer null Punkte. Auch deshalb war Kapitän Lukáš Vašina untröstlich, dass das gute Spiel gegen Gastgeber Trient nicht belohnt wurde:
„Im ersten Satz waren wir Trient in nahezu allen Belangen überlegen. Unsere Aufschläge waren extrem gut, und am Netz haben wir sehr viele Angriffe der Italiener erfolgreich blocken können. Das hat sich schließlich im Ergebnis ausgedrückt. Doch es ärgert mich, dass wir nicht wenigstens noch den zweiten oder dritten Satz gewonnen haben. Ich finde, in diesem Spiel hätten wir einen Punkt verdient gehabt.“
Mit etwas Abstand korrigierte dann auch Trainer Jiří Novák seine anfängliche Einschätzung zum Turnierverlauf ein wenig:
„Wir sind nicht enttäuscht, aber wir haben uns etwas mehr erhofft. Damit meine ich, wenigstens einen Punktgewinn oder einen Sieg. Auf der anderen Seite bin ich froh, dass die Jungs vor den großen Namen keine Manschetten hatten, sondern das gebracht haben, was sie derzeit können.“
Vielleicht wäre in der einen oder anderen Begegnung tatsächlich etwas mehr möglich gewesen, wenn der etatmäßige Steller und Kapitän Lukáš Ticháček nicht wegen einer Verletzung zu Hause geblieben wäre. Für Coach Novák aber war das nicht entscheidend:
„Natürlich hat uns Lukáš bei diesem Turnier gefehlt, denn er gehört jetzt schon anderthalb Jahre zur Stammformation der Mannschaft. Mit ihm ist das erste Sextett noch besser eingespielt. Auf der anderen Seite waren auch die anderen Teams aufgrund von Verletzungen oder Corona-bedingten Ausfällen etwas geschwächt. Von daher lasse ich Ticháčeks Fehlen nicht als Ausrede gelten.“
Für Ticháček wurde der niederländische Zuspieler Wessel Keemink vor dem Turnier kurzfristig als Ersatz verpflichtet. Keemink und Kočka hätten die Position des Zuspielers im Wechsel gut ausgefüllt und der Mannschaft somit Sicherheit gegeben, merkte Novák an. Insgesamt sei er mit all seinen Schützlingen zufrieden gewesen, so der Trainer. Dennoch sprach er seinem kanadischen Mittelblocker ein Sonderlob aus:
„Natürlich ragte ein Spieler in unserem Team heraus, das war Marc Wilson. Er hat ein nahezu perfektes Turnier gespielt. Auf der anderen Seite gewinnen und verlieren wir als Mannschaft. Und wie ich schon gesagt habe, hat mir sehr gefallen, wie sich die Jungs trotz einiger Unzulänglichkeiten als Team zusammengerauft haben. Die kämpferische Einstellung hat gestimmt, und mit der Turnierleistung bin ich insgesamt zufrieden.“
Jiří Novák: „Das Turnier in Trient war für uns von Nutzen, um wieder mit dem europäischen Spitzenvolleyball in Kontakt zu kommen. Wir wissen jetzt mehr über unsere Gegner, und ich hoffe, dass wir daraus auch die richtigen Lehren ziehen.“
Auf den in Trient gewonnenen Erfahrungen wollen der Trainer und seine Schützlinge nun aufbauen und sich beim zweiten Turnier in der Champions League noch stärker präsentieren.
„Das Turnier in Trient war für uns von Nutzen, um wieder mit dem europäischen Spitzenvolleyball in Kontakt zu kommen. Wir wissen jetzt mehr über unsere Gegner, und ich hoffe, dass wir daraus auch die richtigen Lehren ziehen. Wenn unsere Form beim zweiten Turnier noch stabiler ist, könnten wir es schaffen, Historisches für unseren Club zu leisten.“
Das zweite Turnier der Gruppe E findet vom 9. bis 11. Februar in Friedrichshafen am Bodensee statt.