Tschechisch-deutsche Iglauer Gespräche zum 12.Mal
"Tschechen und Deutsche - Mitverantwortung für die Mitte Europas" - unter diesem Motto hat am vergangenen Wochenende der traditionelle, mittlerweile zwölfte tschechisch-deutsche Dialog in Jihlava/Iglau stattgefunden. Universitätsprofessoren, Botschafter und Ex-Botschafter beider Länder, Politiker, Politologen, Geistliche oder aber auch Vertreter der veranstaltenden Organisationen - der Ackermann-Gemeinde, der Bernard-Bolzano-Stiftung und des Prager Instituts für zeitgenössische Geschichte - haben sich in ihren Referaten bzw. Wortmeldungen in den nicht selten auch sehr lebhaften Diskussionen bei diesem Dialog eingebracht. Wir bringen einen Rückblick auf die Iglauer Gespräche, und damit willkommen zu Begegnungen, am Mikrophon begrüßen Sie Jitka Mladkova und Lothar Martin!
Das tschechisch-deutsche Verhältnis habe auch Rückschläge und Verluste erlebt, formulierte z.B. der tschechische Botschafter in Wien, Jiri Grusa. In einer Anspielung auf die Äußerungen von Prags Ex-Regierungschef Milos Zeman an die Adresse der Sudetendeutschen im Frühjahr 2002, die dann auch entsprechende Reaktionen auf der deutschen Seite ausgelöst hatten, stellte Grusa fest: Im gegenseitigen Dialog sei man wieder ein Jahr zurück. Mit dieser Aussage identifizierte sich auch Senatspräsident Petr Pithart: Noch vor einem Jahr um diese Zeit hätte man sagen können, so Pithart, im bilateralen Dialog gehe es zwar langsam voran, aber immerhin, es gehe voran! Aber dann ...
" In Mitteleuropa ist das Wahljahr gekommen und viele von uns waren offensichtlich erschrocken, von welchem Vokabular man erneut Gebrauch machte, und wir sind uns bewusst geworden, wie fragil das Ganze ist, was wir so mühsam errichtet haben. Es reicht ein politischer Demagoge und alles bricht zusammen!"
Über das tschechisch-sudetendeutsche Verhältnis habe ich mich in Iglau mit Vladimir Lastuvka, dem Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses im Prager Abgeordnetenhaus, unterhalten. Auf die Frage, was er über die wiederholten Appelle der Sudetendeutschen an die Tschechen hinsichtlich ihrer Vertreibung aus der ehemaligen Tschechoslowakei denke, sagte er:
"Ich bin einer von denjenigen, die sagen, dass es Sudetendeutsche gegeben hat und gibt, denen wir Tschechen nicht nur eine Entschuldigung, sondern auch eine Art Satisfaktion schuldig sind."
Lastuvka zufolge meine er hiermit vor allem die sudetendeutschen Sozialdemokraten, die zu den ersten Opfern Hitlers gehört hätten, gegen ihn gekämpft hätten, und nach dem Krieg im Widerspruch mit den gültigen Gesetzen, mit den so genannten Benes-Dekreten, ungerecht behandelt wurden. Solch eine differenzierte Betrachtung gilt in der tschechischen Politszene nicht gerade als geläufig, für einige Politiker stellt allein die Bezeichnung "Sudetendeutsche" ein Synonym für das Böse dar, und alle Sudetendeutschen werden kurzerhand - um es lapidar auszudrücken - in einen Sack geschmissen. Auf diese Feststellung reagierte Lastuvka wie folgt:
"Ich sehe es oft auch so. Für mich besteht ein grundsätzlicher Unterschied zwischen der Seeliger-Gemeinde oder der Ackermann-Gemeinde auf der einen und dem Wittikobund oder einem Herrn Zeihsel an der Spitze der österreichischen Sudetendeutschen auf der anderen Seite. Das ist ein breites Spektrum, auf dessen einer Seite, das sind die Erstgenannten, diejenigen stehen, wo ich das Bedürfnis habe, mit ihnen zu sprechen, und dies auch für wichtig halte. Und am anderen Ende des Spektrums stehen Zeihsel und ähnliche Personen, für die ich nur einen Satz übrig habe: Mit Konrad Henlein und dessen Nachwaisen gibt es nichts zu besprechen, die Sache ist abgeschlossen."
In der Iglauer Diskussion gab es wiederholt zu hören, die Geschichte könne nicht wieder gut gemacht werden. Man könnte sich aber zumindest eingestehen, wo wir in der Vergangenheit versagt haben. Was denkt Vladimir Lastuvka über die Erwartungen der anderen Seite? Seine Position hat er so formuliert:
"Ich bin nicht bereit, in Fragen der Vergangenheit bis zurück vor die ausschlaggebenden Ereignisse zu gehen. Ich halte das Geschehen von 1945, und dies auch im Kontext der vorangegangenen Jahre, als einen Akt, der damals schien, ich betone das Wort schien, unumgänglich zu sein, als eine einzig mögliche Lösung. Über die Ereignisse von 1945 und ´46 kann man doch nicht mit den heutigen Augen urteilen, aus der Sicht des heutigen demokratischen Deutschlands, über das 1945 kaum jemand bereit und fähig war nachzudenken. Wer wusste es schon im Jahre 1945, dass die Bundesrepublik Deutschland zum Vorbild der europäischen Demokratie werden wird, und als solches gilt sie ja heute!"
Heute sehen wir es anders als damals, behauptet Vladimir Lastuvka, und er sei daher nach eigenen Worten nicht bereit, eine solche Meinung zu formulieren, die in der Folge konkrete Schritte bzw. konkrete Forderungen auslösen bzw. erforderlich machen würden.
Damit sind wir am Ende der heutigen Ausgabe von Begegnungen, doch auf die Iglauer Konferenz kommen wir noch einmal zu sprechen, und zwar heute in zwei Wochen. Am Mikrophon verabschieden sich Lothar Martin und Jitka Mladkova.