Tschechisch sprechen in Tschechien? – Gar nicht so einfach
Eine Fremdsprache lernt man am besten „direkt im Land“. Das ist eine allgemein bekannte und ebenso richtige Weisheit. Für das Auffrischen und Ausbauen von Sprachkenntnissen genügen dafür manchmal schon wenige Wochen. Dabei lernt man Land und Leute kennen und auch so manche kuriosen Kulturunterschiede. Andere Eigenarten enthüllen sich aber erst, wenn man im Land wohnt und arbeitet. Patrick Gschwend hat in Tschechien beide Erfahrungen gemacht. In unserem Radiofeuilleton erzählt er davon.
Kultur ist für uns etwas Selbstverständliches. Kultur wird also sozusagen einfach vergessen. Denn bewegen wir uns in unserem eigenen Kulturkreis, sind wir uns unserer kulturellen Prägung in der Regel nicht mehr bewusst. Diese eigenkulturelle Prägung bemerken wir aber umso mehr, wenn wir in einem fremden Umfeld plötzlich Unterschiede bemerken.
Ein Beispiel: Erst vor knapp zwei Jahren war ich das erste Mal in der Tschechischen Republik. Am ersten Abend war ich mit meinen tschechischen Gastgebern in einer kleinen Kneipe in Kladno. Ich betrat als Letzter den Raum und ließ die Tür aus meiner Hand gleiten, in alter – deutscher – Gewohnheit, dass sie schon von selbst wieder ins Schloss fallen würde. Tat sie aber nicht. Mit grimmigem Blick kam der Barkeeper hinter der Theke hervor, um sie wieder zu schließen. Ich war mir keiner Schuld bewusst. Schuldig fühlte ich mich erst, als sich das umgekehrte Spiel beim Verlassen des Lokals wiederholte. Diesmal bekam ich einen Rüffel. Ich konnte damals noch kein Wort Tschechisch. Meine Begleiter übersetzten mir die wenig nett formulierte Aufforderung: „Tür schließen!“ Weil mir meine mangelnden Sprachkenntnisse nicht erlaubten, mich zu rechtfertigen, blieb mir das Erlebnis unangenehm in Erinnerung. Seitdem stelle ich sozusagen nebenbei empirische Untersuchungen zum Verhalten von Kneipentüren an. Das bisherige Ergebnis: In Deutschland schließen sie von selbst, in Tschechien nicht. Ausnahmen bestätigen die Regel. Ich muss allerdings zugeben: Eine Abstrahierung meiner abendlichen Forschungen auf die Definition eines Mentalitätsunterschiedes zwischen Deutschen und Tschechen ist mir bisher noch nicht gelungen.
Ich habe in der Zwischenzeit angefangen Tschechisch zu lernen. Besonders in Prag machte ich dabei aber die Erfahrung, dass die Tschechen einem manchmal Steine in den Weg zu höherer Sprachkompetenz legen. Bevor ich meine Sätze auf Tschechisch zurecht gelegt hatte, wurde ich meistens schon auf Englisch oder sogar auf Deutsch angesprochen. Hin und wieder sind die Reaktionen auf meine Tschechischkenntnisse auch freundlicher. In Prachatice im Böhmerwald fragte mich einmal eine ältere Frau überrascht: „Warum um alles in der Welt lernen Sie bloß Tschechisch? Das macht doch keinen Sinn. Von uns Tschechen gibt es doch bloß 10 Millionen.“ Kurios verläuft auch die Kommunikation mit meiner Vermieterin. Sie spricht mit mir konsequent auf Englisch, während ich ihr ebenso konsequent auf Tschechisch antworte. An Tschechisch sprechende Ausländer müssen sich die Einheimischen offenbar erst noch gewöhnen.
Ungläubig musste ich selber aber letzte Woche schauen. In einem vietnamesischen Restaurant bestellte ich mir auf Tschechisch ein Gericht zum Mitnehmen. Etwa 10 Minuten später kam die asiatische Bedienung. Sie drückte mir freudestrahlend eine Plastiktüte mit meiner Bestellung in die Hand. Ihre Worte dazu waren: „Essen fertig!“ Scheinbar haben sich einige vietnamesische Immigranten schon ganz gut angepasst.
Ich muss sagen, dass mich solche Anekdoten sehr amüsieren und meinen Alltag hier bereichern. Ich wohne jetzt seit etwas über einem Monat in Prag und habe viel Spaß dabei mich in meiner neuen Heimat zu integrieren. Offensichtlich lässt sich meine kulturelle Prägung aber noch von meiner Stirn ablesen.