Tschechische Ärzte gehen nach Deutschland
"Deutsche Krankenhäuser wollen tschechische Ärzte", so titelte kürzlich die auflagenstärkste tschechische Tageszeitung "Mlada fronta DNES". Welche Formen das Abwerben hiesiger Weißkittel durch deutsche Krankenhäuser annimmt, erfahren sie von Olaf Barth.
Bereits vor rund sechs Wochen rollte die erste Einstellungswelle an: Deutsche Ärzte und Vertreter von Krankenhäusern reisten an und wählten in einer ersten Einstellungsrunde aus 30 Kandidaten 20 Mediziner aus. Besonders die Kenntnis der deutschen Sprache sei eines der wichtigen Kriterien gewesen, die man in den Kandidatengesprächen festgestellt hätte, erklärt Barbora Dedkova, Leiterin der Auslandsabteilung der tschechischen Ärztekammer. Welche Bedingungen die abwanderungswilligen Ärzte noch erfüllen mussten, verrät Frau Dedkova:
"Was die Fachgebiete angeht, so suchten die Deutschen vor allem Orthopäden, Onkologen, Neurologen, Psychologen und Anästhesisten, aber auch Chirurgen. Wichtige Voraussetzung war, eine mindestens zweijährige Berufspraxis."
In Deutschland sollen einige Hundert Ärzte fehlen, aber es kommen vermehrt auch Anfragen aus Polen und Österreich. Könnte es hier zu einer Massenabwanderung tschechischer Mediziner und damit zu einem Defizit in der medizinischen Versorgung hierzulande kommen? Dazu Frau Dedkova:
"Was die Aufenthalte angeht, die über die Ärztekammer organisiert werden, da geht es bisher um einige Dutzend Ärzte. Aber das Interesse von deutscher Seite - vor allem aus den neuen Bundesländern - wächst und auf der anderen Seite nimmt auch die Bereitschaft der tschechischen Ärzte zu - dies könnte zu einem Problem werden."
Hauptmotiv auszuwandern ist wie so oft natürlich das liebe Geld. Wie der Chef der hiesigen Ärztekammer, David Rath, mitteilte, liegen die Verdienstmöglichkeiten für die tschechischen Mediziner in Deutschland um ein Vierfaches über den Durchschnittsgehältern an tschechischen Krankenhäusern.
Und auch Barbora Dedkova betont:
"Also ich denke, wenn sich die finanzielle Situation hier nicht ändert, dann wird es eine langfristige Abwanderung geben. Denn vor allem die Ärzte, die in Krankenhäusern arbeiten, sind schlecht bezahlt."
Übrigens, um den durch den Exodus entstehenden Mangel an den tschechischen Kliniken auszugleichen, holt man Ärzte aus der ehemaligen Schwesterrepublik Slowakei ins Land. Doch das birgt laut David Rath auch einige Gefahren. Trotz der engen Verwandtschaft der beiden Sprachen, gebe es nämlich durchaus unterschiedliche medizinische Ausdrücke, die zu ernsten Verwechslungen führen könnten, meint der Präsident der tschechischen Ärztekammer und plädiert dafür die Kenntnis der tschechischen Sprache zur Einstellungsvoraussetzung für slowakische Ärzte zu erheben.