Tschechische Nichtregierungsorganisationen unterstützen demokratische Opposition in Weißrussland
Liebe Hörerinnen und Hörer, in unserem heutigen Schauplatz widmen wir uns den jüngsten Ereignissen in Weißrussland und blicken dabei auf das besondere Engagement von tschechischen NGOs bei der Unterstützung der weißrussischen Demokratiebewegung. Die Sendung gestaltete Robert Schuster.
Der Beginn von Lukaschenkos Diktatur fällt in das Jahr 1994, als er in einer noch relativ freien Wahl zum Präsidenten des Landes gewählt wurde. Zwei Jahre später setzte er erste Schritte, die zur Ausschaltung der bis dahin relativ starken demokratischen Opposition im Parlament führten und zur Stärkung seiner eigenen Macht.
Seit dieser Zeit engagieren sich auch viele bekannte tschechische Persönlichkeiten, sowie zahlreiche nichtstaatliche Organisationen im Kampf gegen Lukaschenkos Diktatur und unterstützen auf verschiedenen Wegen die weißrussische Opposition. Eine ganze Reihe von Oppositionellen lebt in Tschechien im Exil und Prag gehört heute sogar zu den weltweit größten Zentren der weißrussischen Opposition.Von Beginn an ist an den Aktivitäten in Richtung Weißrussland die bekannte tschechische Vereinigung "Mensch in Not" beteiligt, die sich ursprünglich als Hilfsorganisation für Tschetschenien, sowie andere Krisengebiete dieser Welt profilierte. Mittlerweile verfügt "Mensch in Not" über ein relativ dichtes Netz von Kontakten zur weißrussischen Opposition, und betreibt in Tschechien auch eine umfangreiche Internetseite zum Thema Weißrussland. Den Weißrussland-Koordinator von "Mensch in Not", Ondrej Soukup, fragten wir, ob es seit der Entstehung des Zentrums schon irgendwelche konkrete Erfolge zu verzeichnen gibt?
"Das Weißrussland-Zentrum gibt es seit 1998 und was mögliche Erfolge angeht, so muss man leider feststellen, dass sich in Weißrussland nicht viel geändert hat. Vielleicht haben wir aber ein paar Leuten geholfen dem Druck des Regimes besser stand zu halten. Als Erfolg kann aber sicherlich bezeichnet werden, dass wir in Tschechien die Öffentlichkeit und auch wichtige politische Entscheidungsträger für das Thema Weißrussland sensibilisieren konnten. Wir konnten eine öffentliche Expertenanhörung im Senat durchführen und haben uns vorgenommen innerhalb des Europaparlaments eine weißrussische Lobby zu gründen."Zu den größten Schwierigkeiten, mit denen er und seine Mitarbeiter regelmäßig konfrontiert werden, gehören laut Soukup, die Schikanen von Seiten der weißrussischen Behörden. Das beginne bereits bei der Erteilung der Einreise-Visa und setzt sich dann während des Aufenthaltes im Land selber fort, wenn nämlich die Mitarbeiter von "Mensch in Not" von der örtlichen Polizei auf Schritt und Tritt verfolgt werden. Ist es also heute prinzipiell schwerer ein Visum für das Land zu bekommen, als noch vor einigen Jahren? Ist man bezüglich der Versorgung mit aktuellen Informationen aus dem Land verstärkt auf die Hilfe von einheimischen Mitarbeitern angewiesen? Dazu meint Ondrej Soukup im folgenden:
"Wir haben in Weißrussland selber natürlich eine Reihe von Mitarbeitern, die uns vor Ort die notwendigen Verbindungen herstellen. Den meisten Mitarbeitern von "Mensch in Not" werden noch Visa erteilt, aber natürlich hat sich auch gegen uns der Druck mit der Zeit erhöht. Vor einigen Jahren hatten wir in Minsk noch ein Verbindungsbüro, dass aber von den Behörden mittlerweile geschlossen wurde. Der Leiter dieses Büros wurde damals verhaftet, des Landes verwiesen und noch mit einem fünf Jahre dauernden Einreiseverbot belegt. Man muss also sehr vorsichtig sein und womöglich nicht allzu lange im Land bleiben, um bei den Behörden keinen Verdacht aufkommen zu lassen. So wechseln wir uns ab, so dass jeder von uns mindestens einmal im Jahr dort hinfährt, aber auch so müssen wir natürlich aufpassen."
Geht man in die Vergangenheit zurück, sieht man, dass es zwischen den böhmischen Ländern und Weißrussland immer relativ rege Kontakte und Verbindungen gegeben hat. Auch das ist vielleicht eine Erklärung, warum gerade unter Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Tschechien das Interesse an der weiteren Entwicklung in Weißrussland so stark ist.
Vor allem auf politischer Ebene konnten unter Vermittlung von "Mensch in Not" in den vergangenen Jahren zahlreiche Kontakte zwischen tschechischen und weißrussischen Politikern hergestellt werden. So waren mittlerweile fast alle wichtigen Vertreter der weißrussischen Demokratiebewegung in Prag zu Gast und trafen dort mit den politischen Spitzen Tschechiens zusammen. Laut Ondrej Soukup hätte es dabei keinen Politiker gegeben, der einen Meinungsaustausch mit weißrussischen Oppositionellen abgelehnt hätte.
Dennoch wäre es seiner Meinung nach sehr oberflächlich, wenn man die Beziehungen beider Völker nur auf die Ereignisse und Entwicklungen der letzten Jahre reduzieren würde. Ondrej Soukup fasst nun die wichtigsten Eckpunkte der historisch gewachsenen tschechisch-weißrussischen Beziehungen zusammen:
"Grundsätzlich reichen die Beziehungen praktisch bis in die frühe Neuzeit: eine der Hauptgestalten der weißrussischen Wiedererweckungsbewegung Francis Carina, der erstmals die Bibel ins Weißrussische übersetzte, hat dies im Jahre 1517 in Prag getan, wo er damals Hauptbotaniker an der Prager Burg war. Das ging dann weiter und führte in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu einem neuen Höhepunkt, als nach der Oktoberrevolution eine Emigrationswelle in die damalige Tschechoslowakei einsetzte und in Prag eine weißrussische Universität, sowie einige Verlage gegründet wurden. Nach dem Antritt Lukaschenkos hat sich das fortgesetzt, nicht zuletzt auch weil der Sender Radio Free Europe von München nach Prag verlegt wurde und somit auch die weißrussische Redaktion hier ihren Sitz hat. Es ist auch so, dass eine relativ große Zahl an Menschen, die in Tschechien gegenwärtig politisches Asyl bekommen, eben Weißrussen sind."
Zeitgleich mit dem Referendum über eine Änderung der Verfassung fanden in Weißrussland vergangenen Sonntag auch Parlamentswahlen statt. Gemäß der im Land anwesenden Beobachter der OSZE waren die Ergebnisse dieser Wahlen ebenso manipuliert, wie die Resultate des Referendums. Beide Entscheidungen, die Lukaschenko einen klaren Sieg brachten, werden zu einer weiteren Stärkung seiner Diktatur führen. Einen ersten Vorgeschmack lieferte der Präsident bereits in seiner ersten offiziellen Stellungnahme zum Ausgang des Referendums und der Wahlen. Lukaschenko meinte dabei wörtlich, dass nun bei der Opposition kein Stein auf dem anderen bleiben würde.Wie groß ist eigentlich heute die Opposition gegen das autoritative Regime des Präsidenten Lukaschenko? Das war unsere nächste Frage an Ondrej Soukup vom Weißrussland-Zentrum der tschechischen Hilfsorganisation "Mensch in Not":
"Das ist ein sehr breites Spektrum. Grundsätzlich gehen allen soziologischen Erhebungen davon aus, dass der harte Kern der Lukaschenko-Gegner etwa 25 Prozent der Bevölkerung ausmacht. Die Zahl derjenigen, die aber regelmäßig aktiv werden, lässt sich jedoch auf einige Tausend schätzen. Das Hauptproblem ist natürlich die geringe Informiertheit der Oppositions-Sympathisanten über die Tätigkeit der wichtigsten oppositionellen Aktivisten, die vor allem in der Provinz einem riesigen Druck ausgesetzt sind und wo auch kein Rückhalt von der Bevölkerung zu erwarten ist. Dort kann die Geheimpolizei mit den Regimekritikern tun, was sie will."
Die jüngsten Ereignisse nach dem Referendum und den Wahlen, als Hunderte von Polizisten in Minsk und anderen weißrussischen Städten Demonstrationen von Regimekritikern niederknüppelten, zeugen davon, dass Präsident Alexander Lukaschenko fest entschlossen zu sein scheint, jeglichen Widerstand zu unterdrücken. Dennoch zeigt die Geschichte und nicht zuletzt auch der Zerfall der früheren Sowjetunion, dass auch autoritative Regierungen früher oder später Erosionserscheinungen unterliegen. In welcher Phase befindet sich gegenwärtig Lukaschenkos Regime? Das war unsere abschließende Frage an Ondrej Soukup von "Mensch in Not":
"Präsident Lukaschenko baut prinzipiell seine Machtstrukturen aus und gegenwärtig ist mit dem manipulierten Referendum auch die letzte Hürde gefallen, die ihn hätte hindern können weiterzuregieren. Es geht in Richtung einer Diktatur, die über weitere fünf bis zehn Jahr relativ stabil sein kann. Dem Diktator ist es gelungen gewisse marktwirtschaftliche Elemente in die autoritären Strukturen einzubauen, ebenso aber auch die bestehenden sozialen Standards zu halten. Das ist auch ein Grund, warum viele Weißrussen relativ wenig bereit sind Lukaschenko zu stürzen. Im Vergleich zur benachbarten Ukraine oder Teilen Russlands, geht es nämlich den Weißrussen immer noch sehr gut, die Löhne und Renten werden pünktlich ausbezahlt. Diese relative wirtschaftliche Stabilität ist auch eine Garantie für Stabilität des Regimes."