Tichanowskaja fordert zur Bildung eines internationalen Tribunals gegen Lukaschenko auf
Die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja weilte seit Montag zu einem mehrtätigen Besuch in Prag. Die Politikerin hatte ein volles Programm: In der tschechischen Hauptstadt absolvierte sie 39 Treffen – mit Politikern, Akademikern sowie Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.
Eine Demonstration zur Unterstützung von Belarus fand am Montagabend auf dem Altstädter Ring in Prag statt. Neben Vertretern von Amnesty International, einigen tschechischen Bürgerinitiativen, Künstlern und Politikern sprach dort kurz auch Swetlana Tichanowskaja. Nach Prag kam sie auf Einladung des Senatsvorsitzenden Miloš Vystrčil (Bürgerdemokraten):
„Die Tatsache, dass der Senat des Parlaments der Tschechischen Republik Swetlana Tichanowskaja als den Hauptrepräsentanten eingeladen hat, verstehen wir so, dass wir sie für diejenige halten, die das gewählte Staatsoberhaupt von Belarus ist. Willkommen im tschechischen Senat.“
Die Präsidentenwahlen, die im vergangenen Jahr in Belarus stattfanden, waren laut Vystrčil unfrei und manipuliert. Und genauso sehen es die EU und weitere Länder. Neben dem Senatschef traf Tichanowskaja auch mit dem Vorsitzenden des parlamentarischen Unterhauses, Radek Vondráček (Partei Ano), zusammen, sowie ebenso mit Premier Andrej Babiš (Partei Ano) und Präsident Miloš Zeman. Die Politikerin begegnete zudem Außenminister Jakub Kulhánek (Sozialdemokraten) und dem Prager Oberbürgermeister Zdeněk Hřib (Piratenpartei). Im Senat hielt sie eine Rede auf Belarussisch:
„Sie danke allen Tschechen guten Willens für die Solidarität und für die Hilfe im Rahmen des Medevac-Programms, dank dem die bei Demonstrationen in ihrer Heimat verletzten Belorussen in Tschechien behandelt wurden“, sagte die Oppositionsführerin.
Tichanowskaja rief zur Bildung eines internationalen Tribunals auf, das die Verbrechen der Lukaschenko-Diktatur untersuchen solle. Sie betonte, es dürfe den Diktatoren nicht erlaubt werden, Geschichte zu schreiben.
Einige Bürgerinitiativen organisierten am Dienstag auf der Moldauinsel Kampa ein Konzert für Swetlana unter dem Motto „Wir spielen für ein freies Belarus“. Tichanowskaja forderte die tschechischen Bürger auf, den belarussischen politischen Gefangenen Briefe zu schreiben.
„Dies kostet nur fünf oder zehn Minuten Ihrer Zeit. Wenn sie einen Brief aus dem Ausland bekommen, begreifen sie, dass sie nicht alleine sind. Sie spüren, dass auch in der Welt jemand gegen den Diktator kämpft, um die Leiden zu verkürzen.“
Das öffentlich-rechtliche Tschechische Fernsehen sendete zum Abschluss des Besuchs am Mittwoch ein Gespräch mit Swetlana Tichanowskaja. Sie sagte über die Treffen in Prag unter anderem Folgendes.
„Bei den Begegnungen in Tschechien habe ich bei den Politikern nie in leere Gesichter geschaut. Sie haben sich wirklich alle interessiert. Sie sehnten sich danach, zu helfen.“
Der Fall mit der erzwungenen Landung einer Zivilmaschine in Minsk hat der Politikerin zufolge das Interesse der europäischen Länder erneut darüber geweckt, was in Belarus geschieht.
„Ich muss aber sagen, dass dieser Zwischenfall nicht aus dem Kontext heraus wahrgenommen werden darf. Dies war nur eine Zuspitzung dessen, wie sich das Regime verhält. Es kam dazu, weil Lukaschenko fühlte, dass er sich das erlauben kann. Seit Dezember wurde über die Lage in Belarus auf internationalen Foren nicht gesprochen. Das Regime deutete dies so, dass es nun machen könne, was es wolle. Darum kam es zur Entführung der Maschine.“
Tichanowskaja sagte des Weiteren, es sei viel einfacher, wenn man die Unterstützung von den anderen Ländern spürt. Sie brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass demokratische Länder das Bestmögliche für Belarus getan haben.
„Wenn man wie durch die Tschechische Republik ein Beispiel hat, wie man vorgehen soll, und wenn man auch die einheitliche Unterstützung der anderen Staaten in Bezug auf Belarus fühlt, ist es leichter, tapfer zu sein und Menschen, die kämpfen und trauern, zu helfen. Ich spreche nicht nur über die EU, sondern auch über die USA, Großbritannien, die Ukraine, die alle gemeinsam Belarus helfen. Wir können den Erfolg erreichen. Die Menschen in Belarus verdienen es, in einem sicheren und demokratischen Land zu leben.“