Tschechischer Animationsfilm auf Abwegen - Eine misslungene Ziegengeschichte
Mitte Oktober kam hierzulande ein neuer Film in die Kinos, der mit großem PR-Aufwand beworben wurde. Der tschechische Film Kozí příběh ist nämlich der erst komplett am Computer hergestellte Film in ganz Mittel- und Osteuropa. Patrick Gschwend hat den Film gesehen. Er erzählt von seinem Kinobesuch im nun folgenden Radio-Feuilleton.
Letzte Woche war ich im Kino und habe mir Kozí příběh, die Ziegengeschichte, angesehen. Ganz Prag ist seit Wochen mit Filmplakaten tapeziert, die Kozí příběh als ersten abendfüllenden tschechischen 3D-Animationfilm ankündigten. Das heißt alle Szenen sind ausschließlich im Computer entstanden. Eine Produktionsweise nach der schon die amerikanischen Filme Shrek oder Ice Age entstanden. Nun sollte es so etwas also auch in Tschechien geben. Ich versprach mir keine hohe Kunst, aber gute Unterhaltung nach einem anstrengenden Arbeitstag. Von Entspannung konnte aber keine Rede sein. Ich war erschüttert!
Die Story kann man in zwei Sätzen zusammenfassen: Kuba, der naive Bursche vom Land, kommt mit seiner sprechenden Ziege ins mittelalterliche Prag, und findet per Zufall einen Job beim Bau der berühmten astronomischen Uhr am Altstädter Ring. Da verliebt er sich in die charmante Pragerin Máca, und nachdem seine Ziege ihre Eifersucht überwunden hat, ist Friede, Freude, Eierkuchen.
Abgesehen von der dünnen Geschichte könnte der Film ja durchaus trotzdem witzig sein. Doch nicht einmal das. Es gab zwar durchaus potentiell gute Ideen. Aber auf die waren die Macher scheinbar so stolz, dass sie sie dermaßen inflationär einsetzten, dass mir der Spaß daran verging. Leider sind auch die Charaktere und die Szenerien in Kozí příběh so leb- und lieblos gemacht, dass man sich nicht einmal an schönen Bildern erfreuen konnte. Behelfen wollte man sich offenbar mit Blickfängern, wie den überdimensioniert großen sekundären Geschlechtsmerkmalen der weiblichen Hauptfigur, die jedoch bestenfalls deplaziert wirkten. Und außerdem: Sollte Kozí příběh nicht eigentlich ein Kinderfilm sein? Bange fragte ich mich schon nach etwa 10 Minuten: Wollen Kinder vielleicht heutzutage so etwas sehen? Bin ich schon zu alt, um das alles zu verstehen? Die Reaktionen meiner vielleicht 10-jährigen Platznachbarin gaben die Antwort. Bei den Trailern für Madagaskar oder Ice Age 3, ebenfalls durchweg computeranimierte Filme, fiel sie noch fast vor Lachen aus dem Sessel. Während dem Hauptfilm war von ihr kaum ein Mucks zu hören. Und technisch? Bei allem Respekt für die Leistung der tschechischen Programmierer von Kozí příběh, aber auch das können die Pioniere in den amerikanischen Animationsfilmstudios besser. Alles in allem war Kozí příběh für mich eine rundherum ärgerliche Angelegenheit. Die 80 Minuten im sterilen Multiplex-Kino wurden zu gefühlten drei Stunden. Schade! Denn Tschechien kann auf eine qualitativ hochwertige Animationsfilmtradition zurückblicken. Generationen von Kindern – auch in Deutschland – haben sich begeistert für die Puppen- und Zeichentrickfilme aus tschechischer, beziehungsweise tschechoslowakischer Produktion. Vielleicht sollte man sich in Tschechien eher wieder auf diese Wurzeln besinnen, als sich mehr schlecht als recht amerikanischen Vorbildern anzubiedern.