Tschechischer Fotograf bringt Günter Grass und Prostituierte Domenica zusammen
Günter Grass, die Hamburger Prostituierte Domenica und ein altes Mütterchen in Leningrad - was haben die drei gemeinsam? Alle drei treffen sich in Saarbrücken, auf der Ausstellung des tschechischen Fotografen Andrej Reiser - auf dem Foto, wohl gemerkt. Bara Prochazkova hat sich die ungewöhnliche Mischung vom Fotografen direkt erklären lassen.
Eine Trilogie aus dem Werk von Andrej Reiser: Schwarz-weiße Fotografien von prominenten Persönlichkeiten aus dem kulturellen Leben, die Geschichte einer Prostituierten in Hamburg St. Pauli und die letzten Tage von Leningrad im Jahre 1990, kurz bevor die Stadt wieder in St. Petersburg umbenannt wurde. Dies ist nur eine Auswahl der Retrospektive des Werkes von Andrej Reiser, der 1949 in der Slowakei geboren wurde. Zwischen 1987 und 1991 arbeitet Andrej Reiser als Russland-Korrespondent der Zeitschrift GEO, damals ist auch die Foto-Serie aus Leningrad entstanden:
"Diese Reportage ist ein Spaziergang durch die Stadt in der Zeit großer Veränderungen im Leben dieser Stadt. Es ist die Zeit absoluter Anarchie. Es ist auch die Zeit der ersten Freiheiten und die Zeit der Formierung von verschiedensten politischen und ideologischen Gruppierungen. Es ist wirklich eine sehr spannende historische Zeit im Leben von Leningrad gewesen."
Die Serie von Portraits ist während der 30-jährigen fotografischen Tätigkeit von Reiser zusammengestellt. Verewigt sind Künstler, Schriftsteller oder Musiker aus der ganzen Welt. Im dritten Teil der Ausstellung stellt Reiser den Alltag der Prostituierten Domenica vor, die in Hamburg St. Pauli arbeitet. Als ein Beobachter dokumentiert Reiser Episoden aus einem deutschen Bordell. Diese Bilder sind als eine Reportage für das Stern-Magazin entstanden, denn Andrej Reiser hat Fotografie in Deutschland studiert. Seine Karriere war so jedoch nicht geplant, erzählt er:
"Ich bin in 1968 in den Ferien in München gewesen, weil ich ein bisschen Deutsch lernen wollte, und im August sind die Soldaten der Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei einmarschiert. Dann habe ich mir gesagt, dass ich lieber abwarten und beobachten werde, wie sich die Lage entwickelt. Vielleicht gehen die Soldaten wieder nach Hause und ich dann kann ich auch nach Hause gehen. Diese Wartezeit hat sich auf über 30 Jahre verlängert."
In der Zeit war er für die bedeutendsten deutschen Magazine tätig und gründete eine Fotoagentur "Bilderberg" in Hamburg. Mittlerweile ist Reiser nach Prag zurückgekehrt und widmet sich eher Ausstellungstätigkeiten, außerdem organisiert er den Wettbewerb Czech Press Photo mit. An seine aktive fotografische Laufbahn denkt Reiser jedoch gerne zurück:
"Es gibt kein größeres Glück im Leben, als wenn sie das machen dürfen, was ihnen einen großen Spaß macht und sie kriegen dafür noch Geld bezahlt. Das ist doch wunderbar."
Die Ausstellung von Andrej Reiser im Saarländischen Künstlerhaus in Saarbrücken öffnet ihre Pforten am Donnerstag, den 26. Januar, und bleibt bis zum 5. März für alle Fotoliebhaber zugänglich.