Tschechischer Incoming-Tourismus erwartet schlechtestes Jahr seit dem Hochwasser 2002

Der Sommer naht und damit auch die Urlaubs- und Hauptreisezeit. Zehntausende Tschechen werden bald wieder verstärkt in den Auslandsurlaub und ausländische Touristen wieder vermehrt nach Prag, Karlsbad oder anderswo reisen. Wegen der Wirtschaftskrise allerdings in einer weit geringeren Zahl als früher. Wie hoch die Einbrüche in beiden Richtungen des tschechischen Reiseverkehrs tatsächlich sind, darüber hat Lothar Martin mit dem Sprecher der Assoziation der tschechischen Reisebüros, Tomio Okamura, gesprochen.

„Gegenwärtig werden von den Reisebüros rund zehn Prozent weniger Urlaubsreisen als im vergangenen Jahr verkauft“, weiß Tomio Okamura und legt sogleich noch einige Zahlen nach:

„Im vorigen Jahr sind in Tschechien fast 2,3 Millionen Urlaubsreisen in einem Gesamtvolumen von 15 Milliarden Kronen verkauft worden. In diesem Jahr aber rechnen wir mit niedrigeren Zahlen.“

Slowakei
Die Reiseveranstalter rechnen dabei mit einem Rückgang der Reisen in eigentlich alle Urlaubsländer, doch in einem Land wird die nachlassende Nachfrage besonders drastisch sein – in die Slowakei. Dazu Tomio Okamura:

„Das Problem mit der Slowakei besteht darin, dass Tschechiens Nachbarrepublik zu Beginn des Jahres den Euro eingeführt hat. Und wie wir wissen, hat die Tschechische Krone gegenüber dem Euro gerade in den letzten zwölf Monaten einen enormen Kursverlust verzeichnet. Der Kursverlust zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres bewegt sich bei über 15 Prozent.“

Nach Kroatien, wo 2008 rund 800.000 Tschechen Urlaub machten, ist die Slowakei das beliebteste Reiseziel der Tschechen. Im vorigen Jahr kamen 780.000 Touristen aus Böhmen und Mähren in das ehemalige „Bruderland“. Aufgrund der 15-prozentigen Preiserhöhung wird die Nachfrage aber diesmal weit geringer sein, weiß Okamura:

„Die Verteuerung ist in manchen slowakischen Hotels sogar noch höher. Das hat zur Folge, dass wir bisher einen Rückgang der Nachfrage nach Slowakei-Reisen von rund 30 Prozent zu verzeichnen haben.“

Von den hohen Preisen in der Slowakei profitiert vor allem Ungarn. Der Nachbarstaat der Slowakei steckt in einer heiklen wirtschaftlichen Lage und muss daher die meisten Waren und Dienstleistungen sehr billig anbieten. Ein Renner bei den tschechischen Touristen sind daher vor allem die Kuraufenthalte, die Ungarn zu in etwa gleichen Leistungen weit billiger anbieten könne als das Tatraland. Zu den ganz großen Verkaufsschlagern gehören in Tschechien aber auch die Reisen in die USA. Die Gründe dafür liegen auf der Hand, so Okamura:

„Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die tschechischen Bürger kein Visum mehr beantragen müssen. Von daher erwarten wir, dass in diesem Jahr weit mehr Tschechen als die 45.000 im vergangenen Jahr in die Vereinigten Staaten reisen. Der gegenwärtigen Nachfrage zufolge schätzen wir ein, dass diesmal bis zu 70.000 Tschechen die USA besuchen werden.“

USA
Aufgrund der gesunkenen Nachfrage bieten alle tschechischen Reisebüros in diesem Jahr jede Menge Preisnachlässe an. Dazu gehört auch die populär gewordene Verschrottungsprämie, wie sie gegenwärtig in mehreren EU-Ländern als Anreiz für einen Neuwagen-Kauf gezahlt wird. In der Geschäftspraktik der hiesige Reisebüros aber bedeutet das: Der Reiseveranstalter legt für seine Ladenhüter eine Geldprämie obendrauf, um sie loszuwerden.

Aufgrund der Wirtschaftskrise werden die Tschechen also in diesem Jahr etwas weniger und billiger verreisen. Der Rückgang ihrer Reisewiligkeit hält sich jedoch in Grenzen. Die Situation im tschechischen Incoming-Tourismus allerdings ist bereits alarmierend:

„In der Tschechischen Republik registrieren wir derzeit einen enormen Rückgang an ausländischen Touristen. Im ersten Quartal dieses Jahres – also von Januar bis März – sind 17 Prozent weniger Ausländer zu uns gekommen als zum gleichen Zeitraum des Vorjahres“, sagt Okamura.

Diese Zahl allein aber sei noch nicht das Problem. Wesentlich stärker falle ins Gewicht, dass die zurzeit nach Tschechien kommenden Auslandstouristen auch rund 35 Prozent weniger ausgeben als früher, ergänzt Okamura. Und dieser Einnahmenverlust hat Konsequenzen:

„Die Prager Hotels haben bereits alle externen Mitarbeiter entlassen und mehrere sogar erste Arbeitnehmer des Stammpersonals. Die Reisebüros stellen im Sommer keine studentischen Hilfskräfte ein. Es gibt einen absoluten Stopp bei den Neueinstellungen. Es wird gespart, wo es nur geht.“

Trotzdem sind die Probleme unübersehbar und manchen Hoteliers oder Gastwirten droht sogar das Aus, sagt Okamura:

„In Prag stehen bereits Dutzende von Hotels zum Verkauf, selbst einige Vier-Sterne-Hotels sind darunter. Auch viele Restaurants werden zum Verkauf angeboten. Die Lage ist wirklich ernst. Viele Unternehmer warten zwar noch ab, doch es ist völlig sicher, dass viele von ihnen das diesjährige Jahr im Inlandtourismus nicht meistern werden.“

Etwas anderes als abzuwarten bleibt den Gastronomen und Hotelbesitzern derzeit auch nicht übrig. Die Wirtschaftskrise erweist sich als Teufelskreis. Es ist weniger Geld im Umlauf, die Banken gewähren kaum Kredite und niemand will etwas kaufen, was keinen Gewinn verspricht. Also müssen zum Beispiel die Hoteliers zu anderen Maßnahmen greifen:

„Die Hotels werden weiter bewirtschaftet, ihre Preise allerdings sinken in den Keller. Viele Hotels greifen daher zu der Maßnahme, dass sie ein oder zwei Etagen schließen. Neben der Verringerung ihrer Kapazität werden auch die Aufgaben und Arbeitszeiten für das Personal heruntergefahren. Die Methoden sind verschieden.“

Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat also auch den Reiseverkehr aus und nach Tschechien voll erfasst. Für die Unternehmer des Incoming-Tourismus prophezeit Okamura sogar ein recht düsteres Jahr:

„Die Situation ist wirklich sehr ernst. Vor allem der Incoming-Tourismus steckt in einer tiefen Krise. Ja, es lässt sich bereits jetzt sagen: Es wird das schlechteste Jahr seit dem Hochwasser im Jahr 2002 werden.“