Tschechoslowakische Kunst in der Galerie Krause – vom Prager Frühling bis in die Gegenwart

Galerie Krause (Foto: Archiv der Galerie)

Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings im Jahr 1968 brach für Künstler aus der Tschechoslowakei eine schwere Zeit an. Einige durften jahrelang nicht mehr als Künstler tätig sein. Viele von ihnen sind vor Verfolgungen des Regimes ins Ausland geflohen, unter anderem in den deutschsprachigen Raum. Dort stießen sie auf eine fremde Umgebung und eine unbekannte Sprache. Aber es entstand auch ein neuer Markt, der sich den Geflüchteten öffnete. Neben Exilverlagen für Schriftsteller widmet sich die Galerie Krause in der Schweiz bis heute tschechischen und slowakischen Künstlern. Im Folgenden mehr zur Geschichte und der Entwicklung der Galerie.

Pfäffikon  (Foto: Roland zh,  CC BY-SA 3.0)
Pfäffikon ist ein kleiner Ort in der Schweiz, im Kanton Zürich. Mit knapp 11.500 Einwohnern ist er nicht sehr groß. Trotzdem lässt sich dort ein kleiner Kunstbetrieb finden, der einen starken Bezug hat zu Tschechien und der Slowakei. In Pfäffikon befindet sich nämlich die Galerie Krause. Diese verkauft Bilder, Skulpturen und Graphiken, primär von tschechischen und slowakischen Künstlern. Das kommt nicht von ungefähr: Sowohl die heutige Leiterin, Alice Krause, als auch der Gründer und ihr Ehemann, Oskar Krause, sind nach der Niederschlagung des Prager Frühlings im Jahr 1968 aus der Tschechoslowakei in die Schweiz geflohen. Kontakte zu den Künstlern hat es bereits vor der Flucht gegeben. Alice Krause erinnert sich:

„Die Hauptidee war eigentlich, den tschechischen und slowakischen Künstlern im Exil eine Plattform zu bieten, um sich in der neuen Heimat präsentieren zu können. Des Weiteren sollte die Galerie auch eine Begegnungsstätte für die Exilanten in der Schweiz sein. Dadurch hat man die Möglichkeit gehabt, sich in den Ausstellungen zu treffen. Außerdem hatten wir immer wieder eine Bücherecke von verschiedenen Exilverlagen, man konnte dann die Bücher bei den Veranstaltungen auch kaufen.“

Künstlertreff im Exil

Alena Synková  (Foto: Archiv der Galerie Krause)
Es war die Zeit, in der diese Exilverlage florierten. Dort konnten unter anderem tschechoslowakische Autoren ihre Werke veröffentlichen. Zwar ist die Galerie Krause keiner dieser Verlage gewesen, aber bei Veranstaltungen wurden die entsprechenden Bücher immer rege verkauft. Der Beginn war damit gemacht, und der Schweizer Tagesanzeiger berichtet am 18. März 1972 über eine „Neue Galerie in Pfäffikon“. Unter den geflüchteten Künstlern aus der Tschechoslowakei ist auch Alena Synková, die mit ihrem Mann 1968 in die Schweiz kam. Bis heute denkt sie gerne an diese Veranstaltungen zurück.

„Als die Galerie Krause gegründet wurde, war sie ein willkommener Treff für uns alle. Man konnte sich orientieren und hatte einen Vergleich, aber auch einen Austausch mit anderen Künstlern. Es war sehr bereichernd, nützlich, schön und vor allem freundschaftlich. So waren die Anfänge.“

Alexander Solschenizyn  (Foto: Verhoeff,  Bert / Anefo,  CC BY-SA 3.0 NL)
Das Gefühl, in vertrauter Umgebung unter Gleichgesinnten gut aufgehoben zu sein, lockte die Künstler an. Doch wollte man auch noch ein weiteres Zeichen setzen, wie Alice Krause erzählt:

„Nicht zuletzt war mein Mann auch ein sehr politischer Mensch. Bei jedem Artikel und bei jeder Rezension von jeder Ausstellung haben wir dann immer wieder betont: Das sind die Leute, die nach der Okkupation 1968 aus der Tschechoslowakei flüchten mussten. So wurde dieser Gedanke in der Öffentlichkeit lebendig gehalten.“

Die Galerie erhielt auch hohen Besuch und prominente Unterstützer, wie etwa den russischen Nobelpreisträger Alexander Solschenizyn. Die Treffen waren besonders in der Anfangszeit wichtig. Von einem befreundeten Künstler erhielte die Galerie Hilfe, wie Alice Krause berichtet:

„Ein Künstler, der uns die längste Zeit begleitet hat und auch unser Freund war, ist Jan Kristofori gewesen. Er hat auch geholfen, die Galerie aufzubauen und ist die künstlerische Seele des Ganzen gewesen. Bis zur Revolution 1989 hat er immer wieder bei uns ausgestellt. Er war auch beim Publikum sehr beliebt. Nach der Revolution ist er in die Tschechoslowakei zurückgekehrt und hat sich dort einen Namen gemacht. Er war eine leitende Persönlichkeit und sehr verbunden mit der Galerie Krause.“

Kleiner Schweizer Ort wird Karrieresprungbrett

Galerie Krause  (Foto: Archiv der Galerie)
So verging die erste Zeit, und später fanden sich die Künstler immer eigenständiger in einer zuerst fremden Welt zurecht. Das hatte auch Auswirkungen auf den Betrieb.

„Am Anfang war die Galerie ein Mittelpunkt des tschechischen Exils im deutschsprachigen Raum. Mit der Zeit hat sich das ein bisschen gewandelt. Die Leute sind dann nicht mehr so interessiert daran gewesen. Wir haben daraufhin immer mehr versucht, die Schweizer Öffentlichkeit auf diese Künstler aufmerksam zu machen und anzusprechen.“

Manch ein Künstler wurde erst durch die Galerie Krause bekannt. Dafür muss man über die Schweizer Grenze hinaus tätig sein. Ausstellungen mit den Künstlern in Deutschland, Holland und Frankreich gehörten zum Standardgeschäft, denn nach Pfäffikon in die Schweiz kommt nicht jeder Kunde. So wurde für manchen die Galerie auch zum Karrieresprungbrett.

Plötzlich schien sich alles zu verändern. Die Samtene Revolution im Jahre 1989 und die Rückkehr zur Demokratie in der Tschechoslowakei brachten viele Veränderungen mit sich. Man kann fast sagen, dass für die Galerie Krause der eigene Markt zusammengebrochen ist. Viele Künstler konnten nun wieder unbeschwert nach Tschechien oder in die Slowakei zurückkehren und dort ihre Arbeit fortführen. Für Alice und Oskar Krause folgte eine schwere Zeit. Froh, wieder nach Tschechien und in die Slowakei reisen zu können, machte man sich auch Gedanken über die Zukunft der Galerie, denn nicht nur die Künstler, auch die Kunden orientierten sich nun an Galerien in der Tschechoslowakei. Bald richtete man sich mit der Galerie neu aus:

„Wir konnten jetzt Künstler aus der Tschechoslowakei ausstellen und neue Künstler in die Galerie bringen. Künstler, die in der Tschechoslowakei geblieben sind und keine Möglichkeit hatten im Ausland auszustellen, konnten wir jetzt bei uns präsentieren. Das war eine Entwicklung, die eine Zeit gedauert hat, aber ich glaube, es war eine ziemliche Bereicherung. Denn das Spektrum der Künstler ist viel größer geworden. Das ist bis heute so.“

Vollständiger und umfassender konnte man jetzt die tschechische und slowakische Kunst einem breiterem Schweizer Publikum präsentieren, so Krause.

Keine Rückkehr in die Heimat

Unter den aktuell betreuten Künstlern befinden sich viele, die in der Zeit nach dem Prager Frühling bis zur Samtenen Revolution Ausstellungsverbot erhielten und von öffentlichen Wettbewerben ausgeschlossen waren. Mit anderen Tätigkeiten mussten sie sich bis 1989 über Wasser halten, manche arbeiteten als Restaurator. Jetzt können sie über die Galerie Krause ihre Kunst sogar im Ausland anbieten. Aber Alice Krause betreut nach wie vor auch Exilanten von 1968. Darunter befindet sich die Künstlerin Alena Synková. Im Unterschied zu vielen ihrer Kollegen ist sie nicht nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in die alte Heimat zurückgekehrt. Die Schweiz sei jetzt ihr Zuhause, so die Künstlerin. Seit der Gründung ist sie regelmäßiger Gast und stellte später ebenfalls in der Galerie ihre Werke aus:

Ein Werk von Alena Synková  (Foto: Archiv der Galerie Krause)
„Es ist so etwas Angenehmes, Freundschaftliches und Harmonisches. Man kommt als Freund, man kommt zur Freundin Frau Krause. Sie liebt die Kunst. Die Künstler sind bei ihr sehr gut aufgehoben. Man fühlt sich wie zu Hause. Es geht vor allem um die Atmosphäre und nicht nur ums Geschäft und um den Verkauf, auch wenn man daran natürlich auch denken muss. Ich habe viele Ausstellungen mit tollen Leuten gemacht, aber hier ist es in meinen Augen etwas Besonderes. Man begegnet einer einzigartigen Atmosphäre, fast schon Underground. Der Flair der 70er Jahre wurde bewahrt, und die Bilder sind von Frau Krause so gut platziert, besser geht es nicht.“

Bis heute hat sich ein breites Spektrum an Kunstrichtungen gehalten. Seit der Gründung im Jahr 1972 widmet sich die Galerie sowohl Bildern als auch Skulpturen und Graphiken. Darüber hinaus hat sich die Galerie Krause auch auf einen weiteren Zweig der Kunstgeschichte spezialisiert. Verstorbenen Künstler, die inzwischen zur tschechischen Klassischen Moderne gezählt werden, finden ebenfalls ihren Platz. Wie kam es dazu, auch diese Kunst im Betrieb mit aufzunehmen?

„In unserem Beruf schlagen zwei Herzen. Auf der einen Seite das Herz des Galeristen und auf der anderen Seite das Herz des Sammlers. Wir haben für uns selbst Kunstwerke in der Tschechoslowakei eingekauft und uns damit beschäftigt. Jetzt ist einige Zeit vergangen, und es kommt immer häufiger vor, dass wir von Erben der Exilanten in der Schweiz angesprochen werden, die sagen: ‚Unsere Eltern hatten diese und diese Bilder. Wir haben jetzt keine Beziehung mehr dazu. Können Sie diese im Internet anbieten oder weiterverkaufen?‘ Von daher gibt es immer zwei Quellen. Man sucht nach verschiedenen Sammlerobjekten, aber man findet auch bei früheren Kunden oder Erben der tschechischen Exilanten.“

Ziemlich harte Jahre

Nachdem vor fünf Jahren Oskar Krause verstarb, leitet nun Alice Krause die Galerie alleine. Durch das Zeitalter des Internets kann man inzwischen das gesamte Angebot online unter galeriekrause.ch abrufen und betrachten. Für Krause ist es vor allem eine Herzensangelegenheit, in die viel Arbeit investiert werden muss. Sowas kann man nur machen, wenn man aus voller Überzeugung und mit ganzem Herz und ganzer Seele dabei ist.

„Es funktioniert für mich sehr gut, aber es ist für mich auch größtenteils Hobby. Man muss schon betonen, dass es nicht das Geschäftliche ist, was mich an der Arbeit hält. Ich werde es wahrscheinlich keinem weiter empfehlen. Jemandem, der tschechische und slowakische Kunst in der Schweiz verbreiten möchte, würde ich sagen: Du musst dich auf ziemlich harte Jahre vorbereiten.“