Umfangreichere Einsicht in tschechische Geheimdienst-Akten möglich

Das tschechische Abgeordnetenhaus hat sich für eine weit gehende Offenlegung der etwa 82 000 Akten des kommunistischen Geheimdienstes StB ausgesprochen. Sollte auch der Senat der am Freitag verabschiedeten Gesetzesnovelle zustimmen, erhalten Tschechen 12 Jahren nach der politischen Wende nicht nur in ihre eigene Akte Einsicht. Dagmar Keberlova fasst zusammen.

Bisher hatte der tschechische oder ehemalige tschechoslowakische Staatsbürger lediglich das Recht, in seine eigene oder diejenigen Akten Einsicht zu nehmen, die Angaben zu seiner Person enthält. Mit dem neuen Gesetz soll sich dies ändern. Sollte es in Kraft treten, könnten alle volljährigen Bürger in die bisher geheimgehaltenen Akten über die StB-Mitarbeiter Einsicht nehmen, zugänglich werden auch die Materialien der geheimen Sicherheitsdienste, mit denen die StB zusammengearbeitet hat. Akten, in denen es um Fragen der Staatssicherheit geht oder deren Veröffentlichung Menschenleben gefährden könnten, sollen jedoch auch künftig der Geheimhaltung unterliegen.

Befürworter der Novelle erhoffen sich von der umfangreicheren Offenlegung eine "moralische Säuberung der Gesellschaft". So argumentierte auch eine der Autorinnen des Gesetzes, die ODS-Senatorin Dagmar Lastovecka. Jede Gesellschaft sollte daran interessiert sein, ihre eigene Vergangenheit kennenzulernen. Die Akten würden Lastovecka zufolge ganz bestimmt dazugehören. Weiter wies sie darauf hin, dass inoffiziell die Daten bereits seit acht Jahren bekannt sind und es zu keiner Hexenjagd kam, wie von Kritikern befürchtet wird. Außerdem habe die Offenlegung nur einen rein informativen Charakter ohne jegliche rechtliche Folgen. Auch das Amt für die Dokumentation und Ermittlung der Verbrechen des Kommunismus begrüßt die Offenlegung sehr. Sein Sprecher Jan Srb hofft, dass sein Amt mehrere Anträge auf Eröffnung einer strafrechtlichen Verfolgung bekommen wird, nachdem die Menschen Einsicht in die Akten genommen haben. Seit 1996 hätten nur etwa 31 000 Tschechen eine Akteneinsicht beantragt. Eine weitere Kritik kam von dem ehemaligen Disidenten Jiri Dienstbier, der sagte, dass die Akten oft unwahre Aussagen oder sogar Lügen beinhalten würden.

Die StB-Akten werden von einem Amt im ostböhmischen Pardubice verwaltet. Alle Dokumente werden sofort mit Inkrafttreten des Gesetzes offengelegt. Nur bei dem kompletten Verzeichnis aller Agenten ist eine einjährige Frist vorgesehen.