Umstrittene Volkszählung
Wenige Wochen vor Beginn der geplanten Volkszählung hat sich in Tschechien eine angeregte Diskussion um dieses finanziell wie personell äußerst aufwendige Vorhaben des Tschechischen Amtes für Statistik entfacht. Nahezu täglich finden sich in der Presse Kommentare über Sinn oder Unsinn der Zählung, wobei kritische Stimmen überwiegen. Eingeschaltet haben sich inzwischen sowohl Vertreter aus Politik und Kirche als auch das Amt für Datenschutz und der Regierungsbeauftragte für Menschenrechte. Worum es in der Diskussion im wesentlichen geht, fasst Silja Schultheis für Sie zusammen.
Die am meisten umstrittene Frage in Zusammenhang mit der bevorstehenden Volkszählung lautet: Ist beim Umgang mit den Fragebögen ein ausreichender Datenschutz gewährleistet? Während das Tschechische Amt für Statistik diese Frage bejaht, vertritt das Amt für Datenschutz eine gegensätzliche Auffassung und bemängelt, dass die Zählung das Gesetz über den Datenschutz verletzt. Vertreter beider Institutionen verhandeln derzeit über den Hauptstreitpunkt, welcher die mangelnde Anonymität der Zählung betrifft.
Sowohl das Amt für Datenschutz als auch einige Abgeordnete der Demokratischen Bürgerpartei sind der Meinung, dass auch eine anonyme Zählung zu den gewünschten Ergebnissen führen würde und haben in dieser Frage bereits erwogen, Klage beim Verfassungsgericht einzureichen. Das Amt für Statistik hingegen hält die Angabe des Namens auf dem Fragebogen u.a. deswegen für unabdingbar, weil es sonst zu Doppelzählungen kommen könnte. Unterdessen finden sich in der Presse zunehmend Aufrufe zu zivilem Ungehorsam und konkrete Hinweise dazu, wie sich jeder Einzelne der bevorstehenden Volkszählung entziehen kann. In Nordböhmen hat sogar eine Gemeindeverwaltung bereits ihre Bürger dazu aufgefordert, beim Ausfüllen der Fragebögen Vorsicht walten zu lassen und nicht alle gefragten Angaben preiszugeben.
Der Regierungsbeauftragte für Menschenrechte lies indes verlauten, er sähe durch die Zählung den Datenschutz nicht gefährdet. In die Debatte um die Volkszählung hat sich auch die Kirche eingeschaltet. Denn die einzigen beiden Angaben, die von den insgesamt 56 abgefragten Daten freiwillig zu machen sind, betreffen die Nationalität sowie das religiöse Bekenntnis. Was letzteres betrifft, so würde es die katholische Kirche hier eher begrüßen, wenn diese Frage einen verpflichtenden Charakter hätte. Denn dann würde die Volkszählung für die Kirchen endlich Klarheit darüber bringen, wie viele Mitglieder und Sympathisanten sie eigentlich haben. Einige Kirchenvertreter befürchten darüber hinaus, dass die Freiwilligkeit der Angaben nicht nur ein verzerrtes Bild über die Zahl der Gläubigen mit sich bringen, sondern auch zu einer gegen die Kirche gerichteten Instrumentalisierung dieser Daten führen kann.
Die katholische Kirche plant daher im Vorfeld der Volkszählung eine Werbekampagne, in der sie nicht nur ihre Mitglieder, sondern auch Sympathisanten aufruft, sich zu ihrem Glauben zu bekennen - und zwar nicht nur insgeheim, sondern auf den Fragebögen, deren Verteilung an die einzelnen Haushalte am 22. Februar beginnt. Erste vorläufige Resultate aus der Zählung sind - sollte sich ihr Beginn nicht durch die Einschaltung des Verfassungsgerichts noch verzögern - Mitte des Jahres zu erwarten, die Veröffentlichung endgültiger und umfassender Ergebnisse wird sich voraussichtlich bis 2003 hinziehen. Bleibt darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem umstrittenen Zensus für die Tschechen wohl vorerst um die letzte Aktion dieser Art handelt.
Denn in den EU- Mitgliedstaaten soll die klassische Volkszählung in absehbarer Zeit durch eine moderne Form der administrativen Erfassung ersetzt werden, wie sie in einigen skandinavischen Länder bereits heute üblich ist.