Ungewohnt scharf: Tschechien kritisiert Polen wegen Justizreform

Foto: succo, Pixabay / CC0 Public Domain

Pressefreiheit, Demokratie, unabhängige Gerichte – es gibt derzeit wohl keinen Bereich in Polen, der nicht von der rechtskonservativen Regierung angegriffen wird. Brüssel platzt schon lange der Kragen. Nun kommt auch aus Tschechien scharfe Kritik. Das ist neu, denn bisher haben die Mitglieder der Visegrád-Gruppe stillgehalten.

Kundgebung in Warschau  (Foto: ČTK)
Auf den Straßen von Krakau, Breslau oder Warschau brodelt es. Und auch im Sejm, also dem polnischen Parlament, herrscht dicke Luft. Seit 2015 ist die rechtskonservative Partei „Recht und Gerechtigkeit“ mit absoluter Parlamentsmehrheit an der Macht. Und die Partei von Ex-Premier Jarosław Kaczyńskiversucht sich seitdem an einem radikalen Umbau der Gesellschaft: Zum Beispiel sollen Abtreibungen eingeschränkt werden, oder die Presse soll nicht mehr ganz so genau auf politische Entscheidungen schauen.

Wegen des Umbaus der polnischen Justiz ist die Geduld der EU nun aber am Ende, auch wenn Präsident Andrzej Duda einzulenken scheint. Zur Erinnerung: Der Oberste Gerichtshof soll – anstatt wie bisher von Parlament und Experten – allein vom Sejm gewählt werden und insgesamt soll die Richterwahl politischer werden. Die zuständige EU-Kommissarin Věra Jourová droht Warschau mit Konsequenzen:

Věra Jourová  (Foto: Jana Trpišovská,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Wir sprechen jetzt über den künftigen EU-Haushalt, und da sollten wir klar und deutlich einen Punkt machen. Es kann nicht sein, dass das Geld der Steuerzahler irgendwohin fließt, wo so etwas wie ein diktatorisches Regime aufgebaut wird. Leider könnte das in Zukunft nicht nur Polen betreffen. Es handelt sich hier um allgemeine Prinzipien.“

Die Rechtsstaatlichkeit und das Bekenntnis zu den gemeinsamen demokratischen Werten in Europa müssten Bedingung sein für den Zugriff auf die gemeinsamen Fonds, meint Jourová. Andere Maßnahmen könnten aber sofort greifen. Polen droht nämlich im äußersten Fall ein Entzug des Stimmrechts in EU-Institutionen. Möglich macht dies Artikel 7 des Vertrags von Lissabon.

Neu bei dem Streit ist, dass harte Worte mittlerweile genauso aus der Visegrád-Gruppe kommen. Obwohl bisher nur aus Tschechien, das allgemein den Ruf des liberalsten Mitglieds des Vierer-Vereins hat. Justizminister Robert Pelikán (parteilos) hat seinem Amtskollegen Zbigniew Ziobro eine Note nach Warschau geschickt, Zitat:

Robert Pelikán  (Foto: Marián Vojtek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Ich bin mir der Mehrheitsverhältnisse im Sejm bewusst, dennoch ersuche ich Sie, das Gesetz zum Obersten Gerichtshof noch einmal gründlich zu überdenken. […] Eine unabhängige Justiz ist die Grundlage eines effizienten demokratischen Systems.“

Zudem hat sich die wichtigste Instanz der tschechischen Gerichtsbarkeit an Polen gewandt, und zwar der Präsident des Verfassungsgerichts, Pavel Rychetský:

„Es drängt sich bei der Angelegenheit ein Verdacht auf: Dieser umfassende Angriff auf die Gerichtbarkeit in Polen soll ein umfassender Angriff auf den demokratischen Rechtsstaat sein.“

Rychetský zufolge dürfen Verfassungsgerichtsbarkeit und Justiz in keinem Fall der politischen Macht unterstehen. Geschweige denn, direkt der Exekutive eines Staates. Und das auch nicht, falls die Gerichte langsam und ineffizient scheinen sollten. Genau das ist nämlich das Hauptargument Warschaus in dem Streit.