Tausende demonstrieren für unabhängige Justiz

Tausende demonstrieren für unabhängige Justiz (Foto: Martina Schneibergová)

In Tschechien gibt es Befürchtungen, dass Premier Andrej Babiš (Partei Ano) die Justiz unter seine Kontrolle bekommen möchte. Das hat am Montagabend die Menschen in vielen Städten zu Kundgebungen auf die Straße getrieben. Die größte Demonstration für eine unabhängige Justiz fand in Prag statt.

Tausende demonstrieren für unabhängige Justiz  (Foto: Martina Schneibergová)

Foto: Martina Schneibergová
„Schande“, „Rücktritt“ oder „Wir sind nicht blind“. Das skandierten mehrere Tausend Menschen, die am Montagabend vom Hradschiner Platz über die Kleinseite in Richtung Altstadt zogen. Der Höhepunkt des Protestes war eine Kundgebung auf dem Altstädter Ring. Der historische Platz füllte sich schnell mit Menschen. Viele hatten die tschechische Flagge dabei sowie EU-Fahnen. Die Sprüche auf den Transparenten waren vor allem an Premier Babiš adressiert, einer lautete zum Beispiel: „Moral habt ihr beim kommunistischen Geheimdienst StB vermutlich nicht gelernt, nicht wahr?“ Die Demonstration war initiiert vom Verein „Eine Million Augenblicke für die Demokratie“. Der Philosophiestudent Mikuláš Minář hat den Verein ergründet, er ergriff als erster das Wort:

Marie Benešová  (Foto: ČTK / Kateřina Šulová)
„Der Premier macht aus der Demokratie einen Abreißkalender und verkauft uns Bürger für dumm. Dass der Justizminister schnell ausgetauscht wird, nachdem die Polizei vorgeschlagen hat, den Premier anzuklagen, schreit zum Himmel. Wir sind Zeugen eines Versuchs, die Justiz unter die Kontrolle zu bringen.“

Am 17. April hat die tschechische Polizei ihre Ermittlungen im Fall des mutmaßlichen Subventionsbetrugs beim Bau des Luxusressorts „Storchennest“ abgeschlossen. Und sie hat der Staatsanwaltschaft vorgeschlagen, Premier Babiš und weitere Personen anzuklagen. Einen Tag später trat Justizminister Jan Kněžínek (parteilos) zurück. Praktisch gleichzeitig wurde der Name seiner Nachfolgerin veröffentlicht: Marie Benešová. Die Richterunion zeigte sich verwundert über das Vorgehen. Der schnelle Wechsel im Justizministerposten wecke Zweifel daran, ob nicht Prinzipien des Rechtsstaats verletzt worden seien, befürchteten die Richter.

David Ondráčka  (Foto: Karolína Koubová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Benešová ist derzeit Beraterin von Staatspräsident Miloš Zeman, dem sie schon immer nahe stand. Sie war Justizministerin in der von Zeman ernannten Regierung Rusnok, die ohne Vertrauen des Parlaments ein halbes Jahr lang regierte. In letzter Zeit weckte Benešová die Aufmerksamkeit, weil sie sich im Fall „Storchennest“ auf die Seite von Babiš gestellt hat und gegen die Aufhebung seiner Immunität argumentiert hat.

David Ondráčka leitet die tschechische Zweigstelle von Transparency International. Er sagte, die Lage sei ernst:

„Babiš schwimmt in seinen Causae. Und der Ano-Politiker Nummer zwei, Jaroslav Faltýnek, manipuliert staatliche Ausschreibungen in Milliardenhöhe. Auch Menschen aus der Umgebung von Präsident Zeman haben Probleme. Die Präsidialkanzlei sucht nach einer Ministerin, die bereit ist, die Justiz zu zähmen. Der Rechtsstaat kann aber nicht endlos gebeugt werden, dann bricht er irgendwann zusammen. Wenn man darüber nachdenkt, muss man sehen, dass das Duo Babiš-Zeman nach und nach den tschechischen Staat übernimmt. Beide haben die Korruption auf ein Niveau gehoben, das es hierzulande nie zuvor gegeben hat. Sie beherrschen einzelne Institutionen. Leider nehmen sie Beispiel an Ungarn. Was Orbán vorführt, ist ihr feuchter Traum. Er hat es geschafft, 50 Prozent der Stimmen bei den Wahlen zu gewinnen, aber auch die Opposition, die Medien, die Justiz, die Universitäten und die NGOs fertigzumachen. Und die EU schickt ihm weiterhin finanzielle Mittel, die in seine eigene Tasche wandern. Das wollen Babiš und Zeman auch hierzulande.“

Foto: Martina Schneibergová
Ondráčka erinnerte zudem daran, dass Transparency International weitere Untersuchungen initiiert hat – diese betreffen den Interessenskonflikt von Premier Babis. Doch er nennt weitere Gründe, um unzufrieden zu sein:

„Die Welt ändert sich schnell und modernisiert sich, aber bei uns geschieht praktisch nichts: im Gesundheitswesen, Bildungswesen, im Verkehr, in der Unterstützung armer Regionen. Die Regierung unternimmt nichts in dieser Richtung, sie konzentriert sich auf ihr Marketing und die Lösung privater Probleme. Vor 30 Jahren gab es hierzulande eine Revolution, das kommunistische Regime brach zusammen. Ich bin davon überzeugt, dass wir heutzutage wieder eine Revolution brauchen, um uns vom Postkommunismus und Populismus zu befreien.“

Derzeit geht es erst einmal um Marie Benešová. Sie wurde am Dienstagnachmittag zur Justizministerin ernannt. Die Initiatoren der Protestkundgebung wollen wieder auf die Straße gehen.