Wieder Massendemonstrationen gegen Babiš
Am Dienstag fand in Prag die eine der größten Demonstration seit der Samtenen Revolution statt. Rund 120.000 Menschen haben den Rücktritt von Premier Andrej Babiš (Ano-Partei) und Justizministerin Marie Benešová gefordert.
Seit Ende April war es bereits die fünfte Demonstration in Prag. Initiiert wurde sie wieder vom Verein „Eine Million Momente für Demokratie“. Der Begründer des Vereins Mikuláš Minář erinnerte daran, dass der Premier sich bisher geweigert hat, seine kontroversen Schritte öffentlich zu verteidigen.
„Wir werden nicht so tun, als ob es normal wäre, dass der Regierungschef ein Mensch ist, der in einem Interessenskonflikt steht und dessen persönliche Probleme dem ganzen Land schaden. Wir fordern den Rücktritt von Andrej Babiš.“
Der Leiter von Transparency International, David Ondráčka, appellierte in seiner Rede an die Abgeordneten der Sozialdemokraten und der Ano-Partei, die das Kabinett Babiš an der Macht halten. Sie sollten dem Experten zufolge versuchen, die Fehler des Premiers zu korrigieren. Derjenige, der Babiš hilft, EU-Gelder für Agrofert zu schöpfen, ist laut Ondráčka ein Mittäter.„Das von Babiš geschaffene System für die Zuteilung von Fördergeldern führt dazu, dass die Beamten heute Angst haben, da sie unter dem Druck der Politiker stehen. Unabhängige Medien, die Justiz, das Kartellamt werden von Politikern angegriffen. Es kommt zur Übernahme eines Staates, der versagt hat. Wir wollen heute den Premier darauf aufmerksam machen, dass die öffentlichen Finanzen kein Geldautomat für seine unternehmerischen Aktivitäten sind und dass es uns nicht egal ist. Der Premier macht den Eindruck, unzurechnungsfähig zu sein. Er hat sämtliche Hemmungen verloren, sieht in allem nur eine Kampagne und Verschwörung gegen sich. Er ist ein Raubtier, das die Menschen verachtet.“
Ondráčka ging in seiner Rede zudem auf den vorläufigen EU-Bericht zum mutmaßlichen Interessenskonflikt des Premiers bei der Vergabe von EU-Fördergeldern ein. Dem Experten zufolge ist zu erwarten, dass bald noch schlechtere Nachrichten aus Brüssel kommen. Diese würden die Subventionen für die Landwirtschaft betreffen.Zahlreiche Demonstranten haben Transparente und tschechische und EU-Fahnen mitgebracht. Viele der Protestierenden sind aus den Regionen gekommen. Unter ihnen auch Jan Fišar aus dem nordböhmischen Jablonec nad Nisou / Gablonz.
„Der Hauptgrund ist, dass wir Angst um unsere Demokratie haben. Wir wollen, dass Andrej Babiš, der sich Gelder aus dem Staatshaushalt zuspielt, zurücktritt. Ebenso soll die Justizministerin ihren Hut nehmen. Wir möchten zu einem standardmäßigen demokratischen System zurückkehren.“
Ivana Pohanová stammt aus dem südböhmischen Prachatice, wo sie zuvor auch schon eine Demonstration für eine unabhängige Justiz organisiert hat. Die Atmosphäre auf dem Wenzelsplatz fand sie phantastisch.„Wir müssen unsere Kräfte zusammenschließen, um zu zeigen, dass es nicht nur um ein paar Protestierende geht. Ich halte es für schrecklich und unglaublich, dass ein Agent des kommunistischen Geheimdienstes nun Regierungschef ist. Ich hoffe, dass sich etwas im positiven Sinne bewegt. Die notwendige Energie ist unter den Menschen zu spüren.“
Eine Gruppe von jungen Menschen kam aus dem mährischen Valašské Meziříčí nach Prag, die Stadt ist über 350 Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Sie waren alle begeistert von der Atmosphäre. Barbora Perutková dazu:
„Andrej Babiš hat seine kontroversen Schritte allmählich und ein wenig versteckt unternommen. Aber sie werden immer verdächtiger. Jetzt bekommt er schon kalte Füße, darum finde ich es wichtig, hier zu sein.“
Premier Babiš ließ bereits zuvor verlauten, er sehe keinen Grund für den Rücktritt.