Tausende Menschen in Prag fordern Rücktritt der Justizministerin
Einige Tausend Menschen sind am Donnerstag auf dem Prager Wenzelsplatz zusammengekommen, um den Rücktritt von Justizministerin Marie Benešová (parteilos) zu fordern. Die Demonstranten protestierten zudem gegen das Verhalten von Staatspräsident Miloš Zeman und Premier Andrej Babiš (Partei Ano).
„Schande“ und „Rücktritt“ skandierten die Menschen, die sich auf dem Wenzelsplatz versammelten. Zur Demonstration war vom Verein „Eine Million Augenblicke für die Demokratie“ aufgerufen worden. Es handelte sich bereits um die zweite Protestkundgebung innerhalb eines Monats. Diesmal reagierten die Initiatoren auf den unerwarteten Rücktritt des obersten Staatsanwalts Pavel Zeman. Benjamin Roll ist Vorsitzender des Vereins:
„Nach wochenlangem politischem Druck wurde der oberste Staatsanwalt zum Rücktritt gezwungen. Justizministerin Benešová drohte ihm mit einer Klage und über die Medien auch ständig mit seiner Abberufung, bis sie nach zwei Jahren ihr Ziel erreicht hat.“
Viele der Demonstranten brachten tschechische Flaggen und EU-Flaggen mit sowie verschiedene Transparente. Auf diesen stand beispielsweise „Zeman und Marie Benešová sind wie eine Verbrechermafia“, „Ich schäme mich für den Staatspräsidenten“, „Ich will keine russische Schaben auf der Prager Burg“ oder „Babiš lügt“. Der Justizministerin wurde nicht nur der jahrelange Druck auf den Obersten Staatsanwalt vorgeworfen, der in der Öffentlichkeit großes Vertrauen genoss. Sie wurde zudem für ihre Bemerkungen zu den Explosionen im Munitionslager Vrbětice kritisiert. Hinter den Explosionen standen den tschechischen Nachrichtendiensten zufolge Agenten des russischen Militärgeheimdienstes GRU. Das aber hat die Justizministerin in Frage gestellt. Zu den Rednern bei der Demonstration gehörte auch der Jurist Ondřej Havránek. Er nehme aus mehreren Gründen an der Versammlung teil, erklärte er.
„Es sind persönliche und juristische Gründe sowie die eines Bürgers in diesem Staat. Persönlich berühren mich die unbegründeten Erklärungen der Justizministerin zu den Explosionen in Vrbětice, bei denen leider mein Vater ums Leben gekommen ist. Und er kann sich nicht mehr gegen diese Behauptungen wehren.“
Nicht nur gegen die Justizministerin richtete sich der Protest. Zudem wurde auf den EU-Audit-Bericht zum Interessenskonflikt des tschechischen Premiers Andrej Babiš aufmerksam gemacht, der hierzulande von offiziellen Stellen abgelehnt wird. Nicht zuletzt richtete sich die Kritik gegen Staatspräsident Zeman und seine nächsten Mitarbeiter wegen ihrer pro-russischen Haltung. Jeder der Redner betonte zum Abschluss seiner Ansprache, Miloš Zeman sollte wegen Landesverrats vor Gericht gestellt werden. Dieser Meinung war auch Jan Miškovský, der auf den Wenzelsplatz ein Transparent gegen Präsident Zeman hochhielt.
„Wir müssen unsere eigene Meinung kundtun. Am schlimmsten ist unser Präsident. Er handelt gegen unsere nationalen Interessen, gegen das demokratische System und gegen das eigene Volk. Zeman macht das Gegenteil dessen, was man von einem Staatspräsidenten erwarten würde.“
Benjamin Roll sagte nach der Demonstration gegenüber Radio Prag International, das vordringlichste Problem sei derzeit der Druck, der auf die Justiz ausgeübt werde.
„Es ist inakzeptabel, dass das derzeitige Regierungskabinett, das von einem strafrechtlich verfolgten Premier geleitet wird, einen neuen Obersten Staatsanwalt aussucht. Das ist in etwa so, als würde ein Gangster seinen Sheriff aussuchen. Um die Besetzung des Postens sollte sich erst die nächste Regierung nach den Wahlen im Oktober kümmern. Das zweite akute Problem ist der Rat des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens. In diesem Gremium bemühen sich die neuen (dem Präsidenten und der Partei Ano nahestehenden, Anm. d. Red.) Ratsmitglieder darum, noch vor den Wahlen den Fernsehdirektor abzuberufen und den Sender in ihre Macht zu bringen. Dagegen wollen wir uns mit einer Protestwelle wehren.“