Zehntausende Menschen sind am Dienstagabend auf dem Prager Wenzelsplatz zusammengekommen. Damit wollten sie ein Zeichen für eine unabhängige Justiz setzen. Der Protest richtete sich aber nicht nur gegen die neue Justizministerin Marie Benešová, sondern auch gegen Premier Andrej Babiš (Partei Ano).
Foto: Martina Schneibergová
Mikuláš Minář (Foto: ČTK / Ondřej Deml)
„Rücktritt, Rücktritt!“ rufen Tausende von Menschen auf dem Wenzelsplatz. Viele haben Transparente sowie die Fahnen Tschechiens und der EU dabei. Der obere Teil des Wenzelsplatzes war schon lange vor der Demonstration überfüllt. Zum vierten Mal in der Folge hat der Verein „Eine Million Augenblicke für die Demokratie“ zum Protest gegen die Regierung von Premier Andrej Babiš aufgerufen. Der Grund war der plötzliche Wechsel an der Spitze des Justizministeriums Mitte April. Während sich die Demonstranten in den vergangenen Wochen auf dem Prager Altstäter Ring trafen, verlagerten die Veranstalter den Protest diesmal auf den größeren Wenzelsplatz. Mikuláš Minář vom Verein „Eine Million Augenblicke für die Demokratie“ begrüßte dabei nicht nur die Prager, sondern auch all diejenigen, die aus anderen Regionen Tschechiens in die Hauptstadt gekommen sind.
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„Es handelt sich um eine der größten Demonstrationen, die es hierzulande in den vergangenen 30 Jahren gab. Und wie reagieren die Mächtigen auf die Proteste? Sie machen sich darüber lustig!. Präsident Zeman bezeichnete die Demonstranten als ,sonderbare Kreaturen‘. Der Premier sagte nur, es sei alles eine ,Kampagne‘. Herr Premier, wir fordern Sie auf, unsere Argumente und Forderungen nicht länger zu verspotten! Verteidigen Sie ihre kontroversen Schritte öffentlich in einer Fernsehdebatte! Der Premier kann dadurch nachweisen, dass unsere Proteste keinen rationalen Grund haben. Oder es wird sich zeigen, dass er nur versucht, eine strafrechtliche Verfolgung zu verhindern.“
Derzeit laufen polizeiliche Ermittlungen gegen den Regierungschef, unter anderem wegen mutmaßlichem Betrug mit EU-Fördergeldern im Fall „Storchennest“. Unter den Rednern, die sich an die Demonstranten gewandt haben, war auch der Prager Bischof und ehemalige Dissident Václav Malý.
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„Wir sind zusammengekommen, um die Gerechtigkeit zu unterstützen. Eine Gesellschaft, in der man Gerechtigkeit kaufen, kann ist krank. Gerecht ist der Mensch, der ehrlich handelt, der nicht etwas anderes vortäuscht, als er in Wirklichkeit tut. Leider mangelt es bei einigen unserer führenden Politiker an Ehre. Wir dürfen unsere Bemühungen um Gerechtigkeit nicht aufgeben, wir müssen sie vielmehr auf eine friedliche und authentische Weise fortsetzen.“
Auf der Kundgebung sprach auch eine Rechtsexpertin, die sich mit dem Interessenkonflikt von Premier Babiš beschäftigt. Der ehemalige erfolgreiche Eishockeytorwart Dominik Hašek warnte davor, dass die Demokratie nichts Selbstverständliches sei.
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„Wir wissen alle sehr gut, dass es nicht so lange her ist, als wir Angst hatten, unsere Meinung zu sagen. Denn dafür wurden wir und unsere Nächsten bestraft. Es waren Hunderttausende von Menschen, die vor 30 Jahren auf die Straße gegangen sind und so die Freiheit des Wortes erkämpft haben. Wir leben heute zwar in einer anderen Zeit. Aber gegenwärtig haben wir einen Regierungschef, der strafrechtlich verfolgt wird und der ein Mitarbeiter des kommunistischen Geheimdienstes war. Wir fürchten uns um das Schicksal der Demokratie und um die Unabhängigkeit der Justiz. Denn die neue Justizministerin ist eng mit dem Staatspräsidenten verbunden, der zuvor zur Liquidierung von Journalisten aufgefordert hatte.“
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Auch viele Menschen aus den Regionen sind zu der Demonstration nach Prag gekommen. Jaroslav Bahník ist aus dem Städtchen Sadská angereist. Er erinnerte sich an die Demonstrationen von 1988 und 1989, bei denen er dabei war:
„Ich habe jetzt ein gutes Gefühl, dass die Zivilgesellschaft erwacht ist. Das hat sich Václav Havel sehr gewünscht. Wir haben vorige Woche bei uns in Sadská eine Kundgebung organisiert, die Menschen sind gekommen und haben es sehr geschätzt.“
Jitka Urubová ist mit einer Gruppe von Freunden aus Frenštát pod Radhoštěm in der mährischen Walachei gekommen.
„Ich bin davon überzeugt, dass die Lage in der Gesellschaft sehr angespannt ist. Deshalb haben wir uns entschieden, die 370 Kilometer mit dem Auto nach Prag zu fahren. Uns stört am meisten, wie der Premier unsere Republik in eine Milchkuh für seine Unternehmen verwandelt hat.“